Eine äußerst knappe Mehrheit von 50,21 Prozent der kolumbianischen Wahlbevölkerung hat sich am 2. Oktober in einer Volksabstimmung gegen das Friedensabkommen ausgesprochen. Nur 52.000 Stimmen gaben den entscheidenden Ausschlag. Obwohl die Wahlbeteiligung mit 38 Prozent sehr niedrig war, lag die Zustimmungsrate besonders in vom Konflikt betroffenen Gegenden sehr hoch. Im Department Chocó stimmten über 79 Prozent der Bevölkerung für den Frieden, in der Ortschaft Toribío (Cauca) über 84 Prozent, in San Vicente del Cagúan (Caquetá) lag die Zustimmungsrate bei über 62 Prozent. Die Hoffnungen der Opfer, den gewaltsamen Konflikt nach Jahrzehnten zu beenden, wurden mit dem negativen Ausgang des Referendums enttäuscht.
Friedensnobelpreis für Santos
Am 26. September hatten die kolumbianische Regierung und die revolutionären Streitkräfte (FARC) nach langjährigen Verhandlungen ein Friedensabkommen unterzeichnet, ein historischer Moment schien greifbar nahe. Auch kolumbianische Partnerorganisationen von Brot für die Welt waren in den Friedensprozess involviert. Vieles deutet darauf hin, dass das Ergebnis des Referendums auch Mängeln in der Vorbereitung eines sehr kurzfristigen Verfahrens geschuldet war. Es wurde versäumt, möglichst alle Kolumbianer/innen einzubinden und wirklich breit über die Inhalte des Abkommens zu informieren. So konnte die Gegenkampagne des ehemaligen Präsidenten Uribe auf fruchtbaren Boden fallen. Der Ausgang des Referendums zeigt aber auch, dass in Kolumbien sehr unterschiedliche Vorstellungen von Gerechtigkeit existieren, und dass viele ihre Erwartungen daran durch das Abkommen noch nicht erfüllt sahen. Wie es nach dieser verpassten historischen Chance weitergeht, ist vorerst unklar. Zehntausende Menschen demonstrierten in Bogotá spontan für die Umsetzung des ausgehandelten Friedens. Präsident Santos und Oppositionsführer Uribe trafen sich bereits zu Nachverhandlungen. Die politischen Kräfte sind angehalten, sich weiterhin für eine Fortsetzung der Verhandlungen einzusetzen, die zu einer nachhaltigen friedlichen Lösung des Konflikts führen. Impulse dafür sollten auch von der internationalen Staatengemeinschaft ausgehen. Die Auszeichnung von Präsident Santos mit dem Friedensnobelpreis ist ein erster Schritt in diese Richtung.
Die internationale Aufmerksamkeit und Anteilnahme kann dazu beitragen, die friedensbereiten Kräfte darin zu bestärken, nicht aufzugeben, sondern auf dem schwierigen Weg zu einem langfristigen Frieden weiter zu gehen. Aus Kolumbien erreicht uns der hoffnungsvolle Kommentar von Jaime Díaz, aus dem Vorstand der langjährigen Partnerorganisation Viva la Ciudadanía, die sich seit Jahrzehnten für den Frieden in Kolumbien einsetzt: „Der Nobelpreis gehört allen, die sich für ein JA zum Friedensvertrag eingesetzt haben, und wir teilen ihn geschwisterlich mit denen, die dagegen gestimmt haben, obwohl auch sie den Frieden wollen. Die Suche nach sozialer Gerechtigkeit in unserem Land wird von keiner politischen Ranküne aufgehalten werden können.“