Die ACT Alliance, der Ökumenische Rat der Kirchen (WCC), die Kommission der Kirchen für Migranten in Europa (CCME) und das Netzwerk Churches Witnessing With Migrants (CWWM) begrüßen die Initiative des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, für den 19. September ein Gipfeltreffen zu großen Flucht- und Migrationsbewegungen einzuberufen. In der internationalen Zivilgesellschaft gibt es Hoffnungen, dass dieses Treffen eine Gelegenheit bieten wird, einen Prozess realer und substantieller Verbesserungen im Umgang der Regierungen mit der Situation von Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten und der Vertriebenen dieser Welt in Gang zu setzen. Themenschwerpunkte des für den 20. September von US-Präsident Obama anberaumten Gipfels „zur weltweiten Flüchtlingskrise“ sollen mehr humanitäre Hilfe, Resettlement-Plätze und Rechte für Flüchtlinge sein. Diese zusätzliche Gelegenheit zur Stärkung der Verpflichtungen der Staaten in diesen Bereichen darf nicht ungenutzt verstreichen.
Gemeinsam haben die ökumenischen Organisationen ein lesenswertes Positionspapier erarbeitet, denn angesichts der gravierenden Menschenrechtsverletzungen gegenüber einer steigenden Zahl von Flüchtlingen, Migrantinnen, Migranten und Vertriebenen weltweit, sind substantielle Fortschritte dringend notwendig (die englische und deutsche Version können am Ende dieses Beitrags heruntergeladen werden).
Außerdem wendet sich die ACT Alliance mit folgender Erklärung an die Regierungen der Staatengemeinschaft:
Erklärung über den Zugang zu Recht, den Schutz und die Verminderung der Vulnerabilität von Vertriebenen, Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten
Dass Menschen ihren Wohnort wechseln, gehört untrennbar zur Geschichte der Menschheit. Menschen guten Willens haben seit Jahren Fremde willkommen geheißen und ihnen einen Zufluchtsort und eine Möglichkeit geboten, sich in die Gesellschaft zu integrieren und zu ihr beizutragen. Liebe und Mitgefühl für Menschen in Not gehört nicht nur zu den zentralen Lehren vieler Glaubensrichtungen, sondern ist auch ein sehr wichtiger Teil unserer Menschlichkeit. Auf diesen Grundsätzen beruht unser Aufruf, sich wieder dem Wert der Menschlichkeit zu verpflichten und die gegenwärtige Krise der Solidarität zu überwinden.
In den letzten Jahren wurden wir Zeugen weltweiter erzwungener Migration in bislang ungekanntem Ausmaß, verbunden mit immer zahlreicheren und drastischeren Krisen, die inzwischen Alltag sind. Die Reaktion der internationalen Gemeinschaft ist zunehmend unzureichend und ist zur dringenden Aufgabe geworden sowohl hinsichtlich der Menschenrechte von Vertriebenen, Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten als auch im Hinblick auf internationale Normen und Standards. Der Umgang mit Migration und Vertreibung muss klar auf internationalem Recht fußen, und der Zugang zu Rechten und der Schutz der Betroffenen müssen verbessert und dürfen nicht weiter eingeschränkt werden. Wir bekräftigen die Rechte aller von Vertreibung Betroffenen und betonen die Verantwortung der Regierungen, die Rechte, den Schutz und die Würde dieser Menschen zu sichern.
Vertreibung und Migration aus Not gehören zu den wichtigsten Faktoren, die unsere Fähigkeit zur Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklungsziele und ihres Weckrufs "niemand darf zurückgelassen werden" einschränken.
Das Hochrangige Gipfeltreffen der Vereinten Nationen zu großen Flucht- und Migrationsbewegungen ist eine willkommene Gelegenheit die Bemühungen zu konsolidieren, die aktuelle Flüchtlings- und Migrationskrise auf allen Ebenen zügig, wirksam und nachhaltig anzugehen. Die Ergebnisse müssen den Schutz der betroffenen Personen, ihren Zugang zu Rechten und eine wesentliche Verminderung ihrer Gefährdung gewährleisten.
ZUGANG ZU RECHTEN
Die Menschenrechte von Flüchtlingen, Vertriebenen, Migrantinnen und Migranten werden durch zahlreiche internationale Menschenrechtsabkommen geschützt, in denen die grundlegenden Normen für ihre Behandlung festgelegt wurden.[1] Diese Rechte und die Würde von Menschen in Bewegung müssen von den Regierungen respektiert werden und ins Zentrum aller Initiativen und Maßnahmen zum Thema Vertreibung und Migration gestellt werden. Das bedeutet, dass staatliche Praktiken, die den effektiven Zugang zu diesen Rechten in Frage stellen, beendet werden müssen. Dazu gehören strengere Grenzregime, beschleunigte und im Ausland durchgeführte Asylverfahren, Verwaltungshaft für Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten sowie Bedingungen für die Erteilung von Arbeitsgenehmigungen, unter denen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber unwürdige Arbeitsbedingungen diktieren und undokumentierte Migrantinnen und Migranten ausnutzen können. Das bedeutet auch, dass die bestehenden internationalen Menschenrechtsinstrumente bedeutend gestärkt werden müssen und dass sichergestellt werden muss, dass die neuen, derzeit verhandelten Strukturen in der Flüchtlings- und Migrationspolitik fest auf dem Boden bestehender internationaler Menschenrechtsabkommen stehen, einschließlich der vorgeschlagenen weltweiten Pakte für eine geteilte Verantwortung gegenüber Flüchtlingen und für eine sichere, reguläre und geordnete Migration.
Wir rufen die Regierungen dazu auf, dringend einen auf Rechten basierenden Mechanismus zu schaffen und die Ressourcen bereitzustellen, um der Flüchtlings- und Migrationskrise angemessen und nachhaltig zu begegnen.
SCHUTZ VON MENSCHEN IN BEWEGUNG
Während Menschenrechtsverletzungen einer der Hauptgründe für Vertreibungen sind, werden die Rechte von zur Flucht gezwungenen Menschen sogar in noch größerem Maße verletzt, nachdem sie ihr Herkunftsland verlassen haben. Probleme im Zusammenhang mit Menschenschmuggel, dem Verwehren des Zutritts zu potentiellen Aufnahmeländern, mit Intoleranz, Xenophobie, Rassismus und offenkundiger Diskriminierung gehören dabei zu den größten Herausforderungen. Es müssen dringend internationale Anstrengungen unternommen werden, um Flüchtlinge und Vertriebene sowie Migrantinnen und Migranten vor diesen Risiken zu schützen und zu bewahren. Dazu gehören die Gewährung des Zugangs und zu Recht, eine Erhöhung der Resettlement-Quoten, ernsthafte Bemühungen um eine stärkere Unterstützung derjenigen Entwicklungsländer, die die meisten Flüchtlinge aufnehmen, sowie glaubwürdige staatliche Bemühungen im Kampf gegen Xenophobie und Rassismus. Darüber hinaus muss es legale, reguläre und geeignete Wege für Menschen geben, die auswandern oder ihr Recht auf Erhalt eines Flüchtlingsstatus in Anspruch nehmen möchten. Die Kriminalisierung von Migrantinnen und Migranten sowie von Flüchtlingen muss beendet werden. Weiterhin müssen alle Staaten die Verantwortung und Rechenschaftspflicht gegenüber Flüchtlingen und Vertriebenen sowie Migrantinnen und Migranten teilen. Die derzeitige Situation, in der die überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge von Entwicklungsländern aufgenommen wird, ist weder nachhaltig noch moralisch vertretbar. Die Industrieländer müssen ihrer Verantwortung gerecht werden, indem sie in höherem Maße verlässliche und langfristige Bedingungen für eine geteilte Verantwortung in ihren eigenen Territorien schaffen und den Entwicklungsländern, die viele Flüchtlinge aufnehmen, ausreichende Mittel zur Verfügung stellen.
Wir fordern die Regierungen dazu auf, die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht zu bekräftigen, zu respektieren und, wo nötig, zu stärken. Wir fordern sie auch dazu auf, ihre politischen Grundsätze, Praktiken und Gesetze im Umgang mit Flüchtlingen zu überprüfen, einschließlich der Aufnahme von Flüchtlingen, Grenzkontrollen und sicherer Fluchtwege.
VERRINGERUNG DER GEFÄHRDUNG
Zwangsmigration geht in der Regel mit einer Gefährdung durch Menschenrechtsverletzungen und durch die Nichterfüllung grundlegender menschlicher Bedürfnisse einher. Dies reicht von der die Zwangsmigration auslösenden Ausgangssituation bis zu den Gefahren, denen die Flüchtenden auf ihrem Weg ausgesetzt sind. Beispiele aus der Mittelmeerregion und der Andamanensee belegen die Gefährdung von Vertriebenen durch Menschenschmuggler und Menschenhändler, wobei Frauen und Kinder am stärksten gefährdet sind. Im Umgang mit den weltweiten Migrations- und Flüchtlingsbewegungen muss die Verringerung der Vulnerabilität im Transit, in Zufluchtsländern und bei der Neuansiedlung an oberster Stelle stehen. Dabei müssen in Situationen, in denen es der humanitären Hilfe für die Vertriebene bedarf, auch die im humanitären Völkerrecht verankerten humanitären Grundsätze von Humanität, Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit angewandt werden. Schließlich sollte der Fokus im Umgang mit der Krise nicht nur auf den Symptomen liegen, sondern auch auf der Bekämpfung der zugrunde liegenden Ursachen für Zwangsmigration.
Wir fordern die Regierungen auf, durch nachhaltige und ausgewogene Entwicklung, einschließlich langfristiger Lösungen für Naturkatastrophen, Konflikte und Kriege den zugrunde liegenden Ursachen für große, unfreiwillige Bewegungen von Menschen entgegenzuwirken. Wir fordern sie auch dazu auf, alle Individuen, Organisationen und andere zur Rechenschaft zu ziehen, die am Handel oder Schmuggel von Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten beteiligt sind und ihre Rechte verletzen.
UNSERE VERPFLICHTUNG: Wir kooperieren weltweit mit regionalen Partnern zur Unterstützung der Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten, und wir verpflichten uns zur weiteren Mobilisierung unserer Mitglieder und Mittel, einschließlich religiöser Ressourcen, um Vertriebene zu unterstützen und zu begleiten, ihre Stimme im Einsatz für ihren Zugang zu Rechten und zu Schutz zu stärken und ihre Vulnerabilität zu reduzieren.
Daher fordern wir die Regierungen dazu auf, zivilgesellschaftliche Organisationen, religiöse Organisationen und andere in sämtliche Maßnahmen im Rahmen der Bewältigung der Herausforderungen großer Flucht- und Migrationsbewegungen einzubeziehen, wobei ihr einzigartiger Beitrag insbesondere zu humanitären Maßnahmen, zur Mobilisierung von Gemeinschaften sowie zum Teilen von bewährten Verfahren gewürdigt werden sollte.
[1] Dazu gehören zum Beispiel das Abkommen und das Protokoll der Vereinten Nationen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, das Genfer Abkommen zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten, das Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen, die Erklärung der Vereinten Nationen über territoriales Asyl sowie die Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen. Darüber hinaus gibt es mehrere regionale Instrumente zur Stärkung und zum Schutz von Menschen in Bewegung.