Textilfabriken stürzen ein, weil Arbeitsrechte und Sicherheitsstandards nicht gewahrt werden. Indigene Völker werden entschädigungslos von ihrem Land vertrieben, damit ausländische Investoren Profit schlagen können. Und Minenarbeiter werden erschossen, weil sie für einen Lohn oberhalb der Armutsgrenze kämpfen. Hinter der neuen Handtasche, dem Smartphone oder der Schokolade stecken häufig Geschichten voll Hunger, Leid und Menschenrechtsverletzungen. Obwohl diese Katastrophen meist weit entfernt stattfinden, sind deutsche Unternehmen häufig direkt oder indirekt daran beteiligt. In der Öffentlichkeit bekennen diese sich zwar oft zur Nachhaltigkeit - hinter den Kulissen nehmen viele aber Menschenrechtsverletzungen in Kauf. Die Opfer dieser Geschäftspraktiken haben bisher kaum Möglichkeiten deutsche Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen. Die Achtung von Menschenrechten im Ausland gilt als freiwillige Angelegenheit und ist nicht im Rechtssystem verankert.
Nun will die Bundesregierung etwas unternehmen. Seit November 2014 entwickelt sie einen Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte, den sie im Sommer vorlegen will. Schon jetzt gibt es allerdings deutliche Signale, dass dieser nur unverbindliche Empfehlungen und Beratungsangebote statt gesetzliche Verpflichtungen vorsehen wird. Das müssen wir verhindern, denn die Erfahrung zeigt: Freiwillige Vorgaben reichen nicht, ohne effektive Anreize oder Sanktionen werden die meisten Unternehmen nicht aktiv. Die Grenzen freiwilliger Unternehmensinitiativen belegen auch Untersuchungen der letzten Jahre. So hat ein großes europäisches Forscherteam im Auftrag der EU-Kommission 2013 in 17 Ländern untersucht, welche Wirkung freiwillige Maßnahmen von Unternehmen in den Bereichen Umwelt und Arbeitsstandards haben. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Auswirkungen von freiwilligen CSR-Maßnahmen als sehr gering zu bewerten sind und rät zu mehr Regulierung. Zu dem gleichen Ergebnis kommt eine aktuelle Untersuchung aus England. Untersucht wurden 161 Selbstregulierungsansätze aus allen Lebensbereichen, das Ergebnis ist eindeutig: Ob zur Reduzierung von Treibgasen in Kanada, zur aggressiven Vermarktung von Medikamenten in Schweden oder zum Schutz von Albatrossen in Neuseeland: freiwillige Empfehlungen sind in 80 % der Fällen komplett gescheitert, während gesetzliche Vorgaben meist in kurzer Zeit zur erwünschten Verhaltensänderung geführt haben.
Aktuelle Studien von Brot für die Welt zeigen, dass eine gesetzliche Verankerung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht von Unternehmen im deutschen Recht nicht nur erforderlich, sondern auch möglich ist und wie ein solches Gesetz konkret aussehen könnte. Menschenrechtliche Vorgaben sind auch umsetzbar, das zeigen Unternehmen wie VAUDE oder Hess Natur, die bereits jetzt dafür Sorge tragen, dass die Produktion nicht auf Kosten von Menschen und Umwelt geht. Solange es keinen gesetzlichen Rahmen gibt, werden solche Unternehmen aber die Ausnahme bleiben.