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Brot für die Welt kritisiert den Addis Abeba Aktionsplan als vertane Chance

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sprach nach der Einigung von Addis von einem bedeutenden Schritt. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller lobte die Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung als großen Erfolg. Brot für die Welt und andere Hilfsorganisationen beklagten jedoch vertane Chancen.

 

Von Eva Hanfstängl am

Der im Rahmen der Konferenz verabschiedete Addis-Abeba-Aktionsplan (AAAA) soll die Grundlage schaffen für die Verabschiedung der globalen Nachhaltigkeitsziele im September in New York. Die Einigung gilt auch als wichtige Weichenstellung für die UN-Klimakonferenz Ende des Jahres in Paris. "Die Ergebnisse hier aus Addis Abeba bieten uns die Grundlage für eine neu belebte weltweite Partnerschaft der nachhaltigen Entwicklung, die niemanden zurücklässt", sagte UN-Generalsekretär Ban. Entwicklungsminister Müller begrüßte die Einigung als Grundlage für einen neuen Weltzukunftsvertrag auf dem UN-Gipfel in New York. Bei den Entwicklungsländern und bei den Nichtregierungsorganisationen, wie auch bei Brot für die Welt, stieß die Einigung hingegen auf Kritik. Die Konferenz habe die Chance versäumt, die strukturellen Ungerechtigkeiten im internationalen Wirtschaftssystem anzupacken, bemängelte das Bündnis von Nichtregierungsorganisationen, zu dem sich mehrere hundert internationale Organisationen zusammengeschlossen haben (siehe Ergebnisse im Detail).

Allgemeine Einschätzung

Der sogenannte „Aktionsplan“ enthält nur wenig Neues zur Finanzierung der Nachhaltigkeitsagenda und noch weniger Konkretes zur Reform des globalen Wirtschafts- und Finanzsystem.  Diese Einschätzung teilt auch die 11köpfige ACT Alliance Delegation in Addis (siehe Anlage). Dem Aktionsplan mangelt es insgesamt an einforderbaren Ergebnissen. Der gesamte Duktus des Abschlussdokuments vermittelt nicht den Eindruck, dass es in erster Linie um die Überwindung der Armut geht. Stattdessen tritt die Förderung privatwirtschaftlicher Initiativen in den Mittelpunkt.

Es gibt zwar gute Forderungen, wie zum Beispiel im Paragraph 13: “We will support sustainable agriculture, including forestry, fisheries and pastoralism. We will also take action to fight malnutrition and hunger among the urban poor.” Aber es fehlen konkrete Empfehlungen, wie das geschehen soll. Auch Misereor kritisiert den vorliegenden Aktionsplan als ein „Plan fast ohne konkrete Aktion“. Der geringe politische Wille, der aus dem Dokument spricht, sei eine Hypothek zum einen für den erfolgreichen Abschluss der laufenden Verhandlungen über eine zukunftsweisende globale Nachhaltigkeitsagenda und zum anderen für die Klimakonferenz in Paris. Das sei enttäuschend angesichts der gewaltigen globalen Herausforderungen, um die es geht: die Armut endgültig zu überwinden, soziale Gerechtigkeit durchzusetzen und die natürlichen Lebensgrundlagen zu bewahren.

Die reichen Länder bekräftigten zwar ihr Ziel, die Entwicklungshilfe schrittweise auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu steigern. Deutschland kommt jedoch derzeit nur auf etwa 0,4 Prozent. Es ist ein Armutszeugnis, dass sich die Geberländer in Addis wieder nicht auf einen Zeitplan für die Einlösung der Zusage, 0,7 Prozent Ziels für Entwicklungszusammenarbeit aufzubringen, einigen konnten, beurteilt Brot für die Welt. Bedauerlicherweise wurde auch die Finanztransaktionssteuer als Instrument für nachhaltige Entwicklung und Bekämpfung des Klimawandels aus dem Abschlussdokument gestrichen. Die Enttäuschung bei den ärmsten Entwicklungsländern ist groß.

Einen kleinen Erfolg ihrer Lobbyarbeit konnten die NGOs immerhin hinsichtlich der Verabschiedung eines neuen sozialen Compact verbuchen: “Delivering social protection and essential public services for all: To end poverty in all its forms everywhere and finish the unfinished business of the Millennium Development Goals, we commit to a new social compact. In this effort, we will provide fiscally sustainable and nationally appropriate social protection systems and measures for all, including floors, with a focus on those furthest below the poverty line and the vulnerable, persons with disabilities, indigenous persons, children, youth and older persons. We also encourage countries to consider setting nationally appropriate spending targets for quality investments in essential public services for all, including health, education, energy, water and sanitation, consistent with national sustainable development strategies. We will make every effort to meet the needs of all communities through delivering high-quality services that make effective use of resources. We commit to strong international support for these efforts, and will explore coherent funding modalities to mobilize additional resources, building on country-led experiences” (Paragraph 12).

Förderung privater Investitionen

In der Abschlusserklärung zeigt sich der globale Trend, private Investitionsflüsse und öffentlich-private Partnerschaften als ein neues Heilmittel für nachhaltige Entwicklungsprozesse zu betrachten. So wird die Einrichtung eines „Technologie-Förderungsinstruments angeregt, wie auch die Einberufung eines „Multi-stakeholder Forums für Wissenschaft, Technology und Innovation“, an denen immerhin die Zivilgesellschaft beteiligt werden soll (s. AAAA, Paragraph 123). Darüber hinaus wurde beschlossen, ein neues Forum zur Infrastrukturförderung zu schaffen: We will “Establishing a new forum to bridge the infrastructure gap. Investing in sustainable and resilient infrastructure, including transport, energy, water and sanitation for all, is a pre-requisite for achieving many of our goals. To bridge the global infrastructure gap, including the $1 trillion to $1.5 trillion annual gap in developing countries, we will facilitate development of sustainable, accessible and resilient quality infrastructure in developing countries through enhanced financial and technical support... As a key pillar to meet the sustainable development goals, we call for the establishment of a global infrastructure forum.., led by the multilateral development banks...It will highlight opportunities for investment and cooperation, and work to ensure that investments are environmentally, socially and economically sustainable”( Paragraph 14).

Private ausländische Investitionen können zwar durchaus eine wichtige Rolle bei wirtschaftlichen Entwicklungsprozessen im globalen Süden spielen. Jedoch, so Brot für die Welt, müssen sorgfältige Vorab-Wirkungsprüfungen stattfinden, inwieweit diese Investitionen Entwicklung fördern, Armut reduzieren und Nachhaltigkeit unterstützen. Zwar wurden einige dieser Prüfungen angeregt, allerdings nur auf freiwilliger Basis. Brot für die Welt fordert daher in Addis in seinem Side Event, dass es unabdingbar ist, verbindliche Menschenrechts- und Umweltstandards für Unternehmen und öffentlich-private Partnerschaften einzuführen.

Ein kleiner Erfolg der Lobbyarbeit der Nichtregierungsorganisationen ist daher die Aufnahme der (noch) freiwilligen UNO Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte: „We will foster a dynamic and well-functioning business sector, while protecting labour rights and environmental and health standards in accordance with relevant international standards and agreements, such as the Guiding Principles on Business and Human Rights and the labour standards of ILO, the Convention on the Rights of the Child and key multilateral environmental agreements, for parties to those agreements” (Paragraph 37).

Keine UN-Kommission zur internationalen Steuerkoordination

Fast gescheitert wären die Verhandlungen an der Forderung der Entwicklungsländer, auf UN Ebene eine zwischenstaatliche Kommission für die globale Kooperation in Steuerfragen zu schaffen. Doch diese Kommission wurde letztlich durch den geschlossenen Widerstand des globalen Nordens verhindert. Es wurde zwar beschlossen, den UN-Expertenausschuss besser auszustatten. Doch dieses Gremium hat keine vergleichbare politische Bedeutung.  Ohne eine UN-Kommission unter Beteiligung aller Staaten werden die Entwicklungsländer auch weiterhin nur am Katzentisch politischer Entscheidungen in der OECD sitzen. Das Problem ist aber, dass sie die Leidtragenden sind und jährlich Milliarden Dollar durch Steuerflucht und Steuervermeidung verlieren. Der Aktionsplan ist somit ein enttäuschendes Signal für den Multilateralismus.

Deutschland hat am Rande der Konferenz zwar eine „Internationale Steuerinitiative“ auf den Weg gebracht. Sie zielt allerdings nur auf die Stärkung der Steuerverwaltung in Entwicklungsländern, und nicht auf deren Mitsprache bei der Gestaltung internationaler Regelwerke in Steuerfragen. Die in Addis anwesenden Vertreter der Grünen urteilen entsprechend: „Steuervermeidung braucht eine effiziente Steuerverwaltung, Korruptionsbekämpfung und mehr Transparenz bei Steuerzahlungen von global agierenden Unternehmen. Während also hinter den Kulissen in Addis Abeba um strukturelle Veränderungen zur Regelung des globalen Steuersystems gerungen wurde, stellte Entwicklungsminister Müller lieber eine, auf Privatkapital ausgerichtete Steuerinitiative mit dem Schwerpunkt der Eigenverantwortung in den Vordergrund.…Private Förderung kann im Ausnahmefall durchaus berechtigt sein, sie darf aber nicht zum systemtragenden Element werden. Entwicklungspolitik droht nach der Konferenz verstärkt zum Investitionsprogramm für die im Finanzsystem geparkten Milliarden der Multinationalen Konzerne zu verkommen.“ (Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender, und Uwe Kekeritz, Sprecher für Entwicklungspolitik, Pressestelle der Grünen, 18.WP, vom16.07.2015).  Private Mittel sind nicht per se entwicklungsfördernd, denn sie fließen nur selten in ärmere Regionen oder in weniger profitversprechende Bereiche wie Erziehung und Basisgesundheit.

Erfolg: Stärkung des Umsetzungsprozesses der Entwicklungsfinanierung

Der Streit ist zwar in Addis zugunsten der Position des Nordens entschieden worden. Doch die Entwicklungsländer geben nicht auf. Sie kündigten an, dass sie die offenen Fragen in New York wieder auf die Tagesordnung bringen werden. Eine gute Möglichkeit hierzu gibt es, denn die Abschlusserklärung in Addis hat beschlossen, ein starkes Forum bei den Vereinten Nationen einzurichten, das den weiteren Entwicklungsfinanzierungsprozess überprüft und darüber hinaus, die strittigen Themen wieder aufgreifen kann. Künftig werden die Staaten in einem Forum für Entwicklungsfinanzierung jährlich über die Fortschritte beraten. Das neue UN Forum wird ab 2016 jedes Jahr bis zu 5 Tage lang die strittigen Punkte der Entwicklungsfinanzierungsagenda weiterbehandeln. Das bedeutet, dass die in Addis zurückgewiesenen Forderungen nicht für immer verloren sind, sondern zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgenommen werden können.  Ein gestärktes Follow-up ist ein positives Signal für die zukünftige Arbeit  und auch um die globalen Nachhaltigkeitsziele umzusetzen. Dies lässt immerhin Raum für weitere politische Entscheidungen über Systemreformen der globalen Finanzarchitektur.

Ebenfalls ist es dem Süden gelungen, dass der gesamte Entwicklungsfinanzierungsprozess NICHT mit dem Prozess zu den Nachhaltigkeitszielen (SDG) Prozess verschmolzen ist und damit quasi aufgelöst worden wäre – wie es vorher von der EU angestrebt wurde. Es ist ein wesentlicher Erfolg des Südens in der Abschlusserklärung von Addis, dass die Debatte zur gesamten breiten Themenpalette der Entwicklungsfinanzierung, die System- und Finanzfragen mit einschließt, auf UN Ebene weitergeführt werden wird und dies nun noch in gestärktem Format.  Die nächste Entwicklungsfinanzierungs-Konferenz ist für 2019 geplant.

Details siehe Aktuell 54:  www.brot-fuer-die-welt.de/fileadmin/mediapool/2_Downloads/Fachinformationen/Aktuell/Aktuell_54_Addis_Abeba_Aktionsplan.pdf

 

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