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Wer zahlt für Klimaschäden?

Von Gastautoren am

Die jüngste Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP 19) im polnischen Warschau war geprägt von einem bitteren Streit zwischen Entwicklungsländern und Industriestaaten. Im Zentrum der Auseinandersetzung stand die Frage nach der Etablierung eines institutionellen Mechanismus, der Entwicklungsländern bei der Bewältigung von Klimaschäden helfen soll.

Fokus auf Anpassung, nicht Vermeidung

Über die Jahre hat sich der Fokus internationaler Klimapolitik von Vermeidung hin zu Anpassung verschoben. Die Weigerung wesentlicher Verschmutzerländer, die Treibhausgas-Emissionen deutlich einzuschränken, gekoppelt mit zunehmenden Emissionen von Entwicklungs- und Schwellenländern, hat zum globalen Temperaturanstieg beigetragen. Der Bedarf nach Anpassung an die Folgen des Klimawandels wurde spätestens mit dem vierten Sachstandbericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) im Jahr 2007 offenbar. Sofortige Anpassungsmaßnahmen sind insbesondere für Entwicklungsländer zu einer dringlichen Notwendigkeit geworden. Verbunden ist dies mit einem steigenden Bedarf nach zusätzlichen Finanzmitteln und technologischer Unterstützung.

Wie mit dem Unvermeidbaren umgehen?

Weil ernsthafte Bemühungen, den Klimawandel einzudämmen, ausbleiben und die Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen unzureichend ist, entstehen zunehmend mehr permanente Schäden und Verluste an Vermögen und Eigentum, die nicht länger als vermeidbar einzustufen sind. Sie sind auch nicht durch Anpassungsmaßnahmen wettzumachen. Diese Entwicklung hatten Entwicklungsländer im Blick, als sie einen eigenständigen Mechanismus forderten, der einen Umgang mit unvermeidbaren Schäden und Verlusten entwickeln und festschreiben sollte.

Blick auf Schäden und Verluste

Seit 2008 nehmen die Klimaverhandlungen auf beständiges Drängen der Gruppe der am wenigsten entwickelten Staaten (LDCs)  und der internationalen Zivilgesellschaft  die Dimension jenseits von Anpassungsfragen in den Blick – anfangs noch sehr zögerlich, nun immer deutlicher. Auf dem 16. Klimagipfel in Cancún, Mexiko, wurde ein erstes Arbeitsprogramm über Schäden und Verluste vereinbart. Neben Fragen der Risikobewertung und des Umgangs mit den Risiken von „Loss and Damage“ sollte untersucht werden, wie Schäden und Verlusten begegnet werden könnte. Das schloss die Möglichkeit ein, einen internationalen Mechanismus dafür zu etablieren und schließlich institutionelle Regelwerke in dem neuen Klimaabkommen zu vereinbaren, das 2015 beschlossen werden soll. So zumindest lautete der vielversprechende Arbeitsauftrag der Klimaverhandlungen 2012 in Katar.

Unvereinbare Standpunkte

Beim Klimagipfel 2013 in Warschau jedoch manifestierten sich unvereinbare Standpunkte. Der Streit ging um die Frage, wie Schäden und Verluste angemessen adressiert werden. Und darum, wo der neue Mechanismus angesiedelt wird. Die Vertreter der kleinen Inselstaaten (AOSIS), unterstützt von LDCs, forderten Kompensation und Wiedergutmachung. Zusammen mit Risikomanagement und Risikotransfer sind nämlich Kompensation und Wiedergutmachung ihrer Auffassung nach alternativlos und müssen in einem internationalen Mechanismus unter dem geplanten neuen Klimaabkommen verankert werden. Daher machten sie sich für die Etablierung eines solchen Mechanismus stark. Die Verhandlungen darüber sollten nach Willen der G77 und der China-Ländergruppe gleichwertig mit den Verhandlungssträngen „Vermeidung“ und „Anpassung“ sein. Demgegenüber positionierten sich Industriestaaten, geführt unter anderem von Kanada, Japan und den USA, mit der Auffassung, dass es sehr wohl möglich sei, sich unter „Anpassung“ mit Schäden und Verlusten zu befassen und Maß­nahmen zum Umgang damit festzulegen.

Ringen um Entscheidungen

Dementsprechend weigerten sie sich auch – allen voran Australien –, über die Etablierung eines internationalen Mechanismus zu verhandeln. Zeitweise schien es sogar, als fiele man hinter die in Katar getroffene Entscheidung zurück, ein institutionelles Regelwerk zu vereinbaren. Denn die ausschließliche Fokussierung der Industrieländer auf Anpassung brachte die Entwicklungsländer so sehr in Rage, dass sie die Verhandlungen unterbrachen und geschlossen den Raum verließen.

Afrika, Inselstaaten und LDC unterliegen.

Zum Schluss jedoch ließen einige Staatengruppen, darunter die Afrika-Gruppe, die kleinen Inselstaaten und die LDCs, ihre inhaltlichen Positionen in Bezug auf Kompensation und Wiedergutmachung weitgehend fallen, um wenigstens die Struktur für einen internationalen Mechanismus festschreiben zu können. Das ist gelungen. Am Ende von COP 19 steht ein internationaler Mechanismus, der der bereits bestehenden Anpassungsplattform, dem „Cancún Adaptation Framework“, untergeordnet ist, statt ein eigenständiges Mandat zu besitzen und über Anpassungsfragen hinauszugehen. Der Warschau-Mechanismus bleibt also hinter den Erwartungen zurück. Doch zumindest soll er in drei Jahren bei den Klimaverhandlungen im Jahr 2016 überprüft und möglicherweise inhaltlich und strukturell justiert werden.

Mit Last allein gelassen

Die dem Mechanismus zugedachten Funktionen beschränken sich vorerst auf Vertiefung und Ausbau des Wissens über Risikomanagementansätze sowie Stärkung von Dialog, Koordination, Kohärenz und Synergien verschiedener noch nicht präzisierter „relevanter Akteure“. Angekündigt sind intensivierte Unterstützung, einschließlich Finanzierung, Technologietransfer und Capacity Building, um mit Schäden und Verlusten umgehen zu können. Die Zuordnung des neuen Mechanismus unter das „Cancún Adaptation Framework“ bedeutet, dass verwundbare Staaten vornehmlich nationalstaatliche Antworten auf Schäden und Verluste geben müssen, während zugleich grundsätzliche Fragen nicht angesprochen werden. So zum Beispiel die Frage nach dem Umgang mit unvermeidbaren Schäden, die über Anpassungskapazitäten hinausgehen. Damit werden diese ohnehin schon verwundbaren Staaten mit der Last allein gelassen, die Schäden und Verluste allein schultern zu müssen.

Der Weg nach vorn

In Polen wurde einem Exekutivkomitee das Mandat übertragen, die Funktionen des Warschau-Mechanismus zu buchstabieren. Aus den Verhandlungstexten gestrichene Themenkomplexe wie „Wiedergutmachung“ haben so möglicherweise doch noch eine Chance, in den Mechanismus einzufließen.

Es existiert eine Vielzahl von Praxisansätzen, um Risiken anzugehen und zu mindern, doch beziehen diese sich in der großen Mehrheit auf plötzlich auftretende Extremereignisse. Bislang gibt es keine Konzepte, um mit langsam fortschreitenden Ereignissen wie der Versauerung der Ozeane, Versalzung der Böden oder dem Verlust ganzer Ökosysteme umzugehen. Paragraph 5 a des Warschau-Mechanismus hält nun jedoch fest, dass Wissen und Verständnis umfassender Risikomanagementansätze explizit auch im Kontext von Schäden und Verlusten verbessert werden sollen, die eine Folge schleichender Klimaveränderungen sind.

Schäden und Umsiedlungen

Es bleibt eine wichtige Aufgabe, diese inhaltlichen Lücken zu schließen. Es geht um die Frage der Bemessung von Schäden und Verlusten auch nicht-ökonomischer Art; und auch um Umsiedlung. Diese Fragen müssen bei den kommenden Klimaverhandlungen gestellt und bearbeitet werden. Der Zivilgesellschaft kommt es zu, die politischen Führungsfiguren davon zu überzeugen, in neuen Kategorien zu denken und über Anpassung hinauszugehen. Angesichts der schwachen Bemühungen, Klimawandel zu vermeiden, werden diese Schäden und Verluste noch weit deutlicher werden und mit mehr als Anpassung aufgefangen werden müssen. Es muss einen eigenständigen Mechanismus geben, der in Ergänzung zu nationalen Anpassungsplänen stehen kann, die unter der Cancún Adaptation Plattform entwickelt werden, aber nicht unter ihnen zusammengefasst werden darf.

Dieser Beitrag von Md Shamsuddoha ist unter Mitarbeit von Sophia Wirsching im aktuellen Dossier "Klimagerecht in ein neues Abkommen - Dem Klimawandel und seinen Folgen entschieden begegnen" in Zusammenarbeit mit der Redaktion Welt-Sichten erschienen. Bestellung unter vertrieb@diakonie.de; Artikelnummer 129-5-0163-O.

 

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