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Klimapolitik: Die Welt am Scheideweg

Die Hälfte der vierjährigen Verhandlungszeit über ein neues globales Klimaabkommen ist bereits verstrichen, die Erfolge, die die Klimadiplomatie vorzuweisen hat, sind gering. Was ist zu tun, um die anhaltenden Blockaden zu überwinden? Von ideologischen Frontstellungen gilt es auf jeden Fall Abschied zu nehmen.

Von Ehemalige Mitarbeitende am

Die Hälfte der vierjährigen Verhandlungszeit über ein neues globales Klimaabkommen ist bereits verstrichen, die Erfolge, die die Klimadiplomatie vorzuweisen hat, sind gering. Was ist zu tun, um die anhaltenden Blockaden zu überwinden? Von ideologischen Frontstellungen gilt es auf jeden Fall Abschied zu nehmen. Die ambitionierten Länder aus Nord und Süd müssen sich zusammentun, um gemeinsam voranzuschreiten und den Klimawandel einzudämmen.

Durch die Naturkatastrophen der vergangenen 30 Jahre sind weltweit 2,5 Millionen Menschen ums Leben gekommen und Schäden von 3,8 Billionen US-Dollar entstanden, so der Rückversicherer Münchener Rück. Drei Viertel dieser Verluste gehen auf Wetterextreme zurück – und der Trend weist nach oben: Lag das jährliche Schadensvolumen in den 1980er-Jahren noch bei zirka 50 Milliarden US-Dollar, so hat es sich in der vergangenen Dekade auf 200 Milliarden vervierfacht.

Extremes Wetter, große Schäden

Aus den Daten des Rückversicherers geht hervor, dass die wetterbedingten Schäden in den Schwellenländern aufgrund der dort schnell gewachsenen Infrastruktur inzwischen am größten sind – bis zu zehnmal höher als in Industrieländern. In den Jahren 2001 bis 2006 beliefen sich diese Schäden bereits auf ein Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE). Nicht in absoluten Zahlen, wohl aber relativ zu ihrer volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, waren die Verluste in den am wenigsten entwickelten Ländern jedoch ungleich höher. So verursachte der Hurrikan Tomas 2010 auf der Karibikinsel St. Lucia Zerstörungen, die sich auf 43 Prozent des BNE beliefen, während die Dürre 2008–2011 am Horn von Afrika in der Spitze bis zu 13,3 Millionen Menschen hungern ließ.

Klimawandel: Unwetter, Dürren und Fluten intensiver

Zwar kann kein einzelnes Extremereignis direkt auf den Klimawandel zurückgeführt werden. Jedoch kommt der vom Weltklimarat IPCC im März 2012 veröffentlichte Bericht zur Gefährdung durch Wetterextreme zu dem Ergebnis, dass die Intensität von Unwettern, Dürren und Überschwemmungen infolge des Klimawandels zunimmt. Der im November 2013 veröffentlichte 5. Fortschrittsbericht des IPCC zu den neuesten naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels, an dem 259 Autoren aus 39 Ländern mitgewirkt haben, unterstreicht, dass es keinen wissenschaftlich begründeten Zweifel an der globalen Erwärmung mehr gibt und die seit den 1950er-Jahren beobachteten Klimaveränderungen ohne Beispiel in der jüngeren Erdgeschichte sind.

 

Klimadiplomatie: kaum Fortschritte

Die Weltbank unter ihrem neuen Präsidenten Jim Yong Kim hatte bereits im November 2012 in einem aufsehenerregenden Bericht eindringlich darauf hingewiesen, dass die globale wirtschaftliche Entwicklung extrem gefährdet sei, wenn es nicht gelingt, die Erderwärmung wirkungsvoll einzudämmen. Während des Warschauer Klimagipfels im November 2013 legte die Weltbank mit der Veröffentlichung einer Studie zu den zunehmenden Schäden durch Wetterextreme nach. Die Welt könne es sich angesichts so tragischer Ereignisse wie des Supersturms Hayian, der auf den Philippinen eine Fläche annähernd so groß wie Bayern verwüstet hat, nicht länger erlauben, Maßnahmen zum Klimaschutz sowie zur Verbesserung der Katastrophenvorsorge und der Klimaanpassung aufzuschieben.

 

Ziele erst einmal verfehlt

Damit ist klar umrissen, was aus Sicht der Wissenschaft sowie von Entwicklungsexperten gegen den Klimawandel zu tun ist. Indes bleiben die Fortschritte in der Klimadiplomatie der Vereinten Nationen, die mit der Verabschiedung der Internationalen Klimarahmenkonvention (UNFCCC) anlässlich des Erdgipfels von Rio 1992 seinen Ausgang nahm, weiter hinter den Erfordernissen zurück. Zwar verpflichteten sich im bereits 1997 vereinbarten Kyoto-Protokoll die Industrieländer erstmals völkerrechtlich bindend, ihre Treibhausgas-Emissionen gegenüber 1990 zu reduzieren oder zumindest deren Anstieg zu begrenzen. Jedoch fielen die Emissionseinsparungen viel zu gering aus und in den Folgejahren scherten immer mehr Länder aus dem Vertrag aus.

 

Kein Land ist Vorreiter

So haben die USA das Abkommen niemals ratifiziert, Kanada stieg 2011 aus und inzwischen haben auch Russland und Japan erklärt, sich an der zweiten Verpflichtungsperiode des Protokolls, die 2013 begonnen hat, nicht mehr beteiligen zu wollen. Beim Klimagipfel 2013 sorgte schließlich die Ankündigung von Japan und Australien, bereits zugesagte freiwillige Klimaziele zurückzunehmen, für weiteren Unmut. Die Europäische Union hat ihr bereits 2008 beschlossenes, niedriges Treibhausgas-Minderungsziel von minus 20 Prozent für den Zeitraum 1990 bis 2020 zwischenzeitlich nicht erhöht, obwohl dies schon allein aufgrund der Emissionsein­sparungen durch die Wirtschaftskrise 2008/2009 ohne größere Anstrengungen möglich gewesen wäre. Kein Industrieland kann heute klimapolitische Vorreiterschaft beanspruchen.

 

Gemeinsames Handeln ist wichtig

Entsprechend nachvollziehbar erscheint deshalb zunächst die ablehnende Haltung der Schwellenländer, sich selbst auf verbindliche Treibhausgas-Minderungsziele festlegen zu lassen. Dennoch ist dies dringend nötig, denn auf die unter dem Kyoto-Protokoll klimapolitisch verpflichteten Industrieländer entfallen nur noch weniger als 15 Prozent der globalen Emissionen. Weil gerade die Emissionen der Schwellenländer in den nächsten Jahren stark steigen werden und etwa der historisch kumulierte Anteil der Emissionen Chinas bis 2025 auf demselben Niveau wie der der EU liegen wird – bei den aktuellen Pro-Kopf-Emissionen liegt China schon heute in etwa auf dem Niveau wie die EU –, wird deutlich: Der Klimawandel kann nur von der Staatengemeinschaft gemeinsam eingedämmt werden.

 

Zeit verstreicht ungenutzt

Nachdem in Kopenhagen 2009 der erste Versuch gescheitert war, ein globales Klimaabkommen unter Einschluss aller zu vereinbaren, wurde 2011 im südafrikanischen Durban beschlossen, einen zweiten Anlauf zu unternehmen. Er soll 2015 in Paris in Gestalt eines umfassenden Weltklimaabkommens zum Abschluss gebracht werden, das 2020 in Kraft treten soll. Inzwischen ist aber bereits mehr als die Hälfte der insgesamt vierjährigen Verhandlungszeit verstrichen und die Erfolge, die die Klimadiplomatie vorzuweisen hat, sind gering, gemessen an der komplexen Aufgabe, sowohl Klimaschutzziele als auch die Frage der finanziellen und technologischen Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Transformation in eine kohlen­stoffarme und zugleich klimaresiliente Zukunft zu regeln.

 

Neuerliches Scheitern abwenden

Während die Zeit verstreicht, steigen global die Emissionen Jahr für Jahr, hat die CO2-Konzentration in der Atmosphäre seit Beginn der Klimaverhandlungen von 356 ppm (parts per million) im Jahr 1992 auf knapp über 400 ppm im Jahr 2013 zugenommen und steigt damit die Fieberkurve der Erde. So wächst die sogenannte „Emissionslücke“, das heißt der Abstand der realen Emissionen zu den Emissionen, die bis 2020 höchstens auflaufen dürfen, um noch auf einem realistischen Pfad zu verbleiben, die globale Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Im Licht dieser Entwicklung und erbost darüber, dass Polen als Gastgeberland zeitgleich zum Klimagipfel ausgerechnet einen internationalen Kohlegipfel ausgerichtet hat, haben Umwelt- und Entwicklungsorganisationen mit dem vorzeitigen Verlassen des Klimagipfels ein Fanal gesetzt: Es reicht! So geht es nicht weiter!

 

Pragmatismus ist gefragt

Wie aber kann es stattdessen weitergehen, wie können die anhaltenden Blockaden überwunden werden und was wären Schritte, um ein neuerliches Scheitern in Paris abzuwenden? Aus Sicht von Brot für die Welt ist jetzt Pragmatismus und der Abschied von ideologischen Frontstellungen gefragt.

 

  1. Ambitionierter Klimaschutz kann keinem Land aufgezwungen werden. Staaten werden nur dann handeln, wenn die Einsicht wächst, dass sich der Umstieg auf erneuerbare Energien und eine kohlenstoffärmere wirtschaftliche Wertschöpfung  rechnen. Klimaschutz als Chance und nicht als Bürde zu begreifen setzt allerdings voraus, dass Vorreitern echte Vorteile erwachsen, etwa indem die internationalen Entwicklungsbanken sehr schnell und sehr massiv ihre Investitionen von den fossilen auf die erneuerbaren Energien umschichten und Risikokapital im Umfang dreistelliger Milliardenbeträge bereitstellen. Während sich die Weltbank hierzu anschickt, steht ein vergleichbarer Strategiewechsel der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) noch aus.
     
  2. Die Welt braucht erfolgreiche Leuchtturmprojekte einer Transformation, das heißt überzeugende Pioniere, denen andere nachfolgen. Dies gilt für Länder ebenso wie für Unternehmen. Die strengen CO2 ­Grenzwerte für den US- Automobilsektor sind hierfür ebenso eine Blaupause wie die deutsche Energiewende, die Anstrengungen Chinas zur schnellen Dekarbonisierung der industriellen, noch immer extrem kohlenstoffintensiven Wertschöpfung oder der Plan Costa Ricas, bis 2020 kohlenstoffneutral zu werden. Diesen Kurs beizubehalten und mit einer entsprechenden nationalen Ordnungs- und Investitionspolitik abzusichern, auch gegen wachsende Widerstände, ist unverzichtbar.
     
  3. Die Klimapolitik ist zum Scheitern verurteilt, wird sie weiterhin als Konflikt zwischen Nord und Süd missverstanden oder instrumentalisiert. Das spielt lediglich den Blockierern in die Hände. Das menschliche Leid in Folge von Haiyan ebenso wie die überall auf der Welt wachsenden Klimaschäden, die die ärmsten und verwundbarsten Men­schen am stärksten treffen, machen deutlich: Kein Land hat das Recht, eigene Untätigkeit mit dem klimapolitischen Versagen eines anderen Landes zu entschuldigen. Stattdessen müssen sich die ambitionierten Länder aus Nord und Süd zusammentun, um gemeinsam voranzuschreiten. Die Welt braucht Vorreiterallianzen, keine Blockierer oder Zauderer. Hieran mitzuwirken ist aus Sicht von Brot für die Welt eine zentrale Gestaltungsaufgabe für die Klima-, Außen-, Entwicklungs- und Umweltpolitik der neuen Bundesregierung. Dafür müssen erhebliche finanzielle Mittel in Höhe von mehreren Milliarden Euro pro Jahr bereitgestellt werden.
     
  4. Klimakonferenzen bleiben unverzichtbar, denn sie sind der einzige Ort, an dem sich alle Länder auf Augenhöhe begegnen und gemeinsame Ziele und Regeln vereinbaren. Es gilt aber, Abschied zu nehmen von der Vorstellung (die das Scheitern von Kopenhagen mitverursacht hat), der UNFCCC-Prozess könne Länder „von oben“ zur nötigen Ambition zwingen. Das Abkommen von Paris, soll es gelingen, darf nicht überfrachtet werden und wird wohl eher eine Mischung von „Top down“ und „Bottom up“ beinhalten. Das heißt, ein verbindliches globales Klimaziel ebenso wie die Regeln für die Messung und regelmäßige Überprüfung von nationalen Treibhausgas-Minderungszielen sollten einheitlich geregelt werden, der Grad der völkerrechtlichen Verbindlichkeit nationaler Klimaziele könnte je nach Land aber abgestuft sein.

 

Es geht um ein Leben in Würde

Weil der Klimawandel ungebremst voranschreitet und das Recht der Armen auf ein Leben in Würde  gefährdet, bleibt Klimapolitik wichtiger denn je. Brot für die Welt wird sich in enger Kooperation mit dem internationalen Netzwerk ACT Alliance auch weiterhin einbringen – politisch ebenso wie auf der Projektebene und in der Öffentlichkeitsarbeit.

Dieser Beitrag von Thomas Hirsch ist im aktuellen Dossier "Klimagerecht in ein neues Abkommen - Dem Klimawandel und seinen Folgen entschieden begegnen" in Zusammenarbeit mit der Redaktion Welt-Sichten erschienen. Bestellung unter vertrieb@diakonie.de; Artikelnummer 129-5-0163-O.

 

 

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