Der Klimawandel ist kein fernes Zukunftsszenario mehr, ihn spüren wir schon heute stark. Vor allem durch extreme Wettereignisse. Die zerstören die Lebensgrundlage vieler Menschen und treiben Tausende zur Flucht.
Verluste und Schäden durch die globale Erwärmung: Auf der Klimakonferenz in Warschau wird "Loss and Damage" ein Hauptthema sein.
Der anthropogene Treibhauseffekt lässt nicht nur die globalen Durchschnittstemperaturen ansteigen, er zeigt sich auch in stark veränderten Wettervorgängen: plötzliche Extremwettersituationen wie heftige Wirbelstürme und Starkregenfälle oder langsame Veränderungen wie der Meeresspiegelanstieg und die zunehmende Wüstenausbreitung.
Die Folgen des Klimawandels bedrohen das Recht auf Leben: Überflutungen, Stürme, Dürre- und Hitzewellen führen zu mehr Krankheiten und Todesfällen. Vor allem arme Bevölkerungsgruppen in Entwicklungsländern können ihre Rechte auf Nahrung, Wasser, Wohnen und Land nicht mehr wahrnehmen. Das Recht auf Besitz und Eigentum, die Rechte auf Gesundheit und Selbstbestimmung der Völker werden durch die Folgen des Klimawandels immer weiter eingeschränkt.
Was klimabedingte Migration ist, lässt sich so einfach gar nicht sagen. Sie kann dauerhaft sein, wenn der Herkunftsort irreversibel geschädigt ist, oder nur vorübergehend, wenn von Stürmen verwüstetes Land sich erholt und wieder besiedelt werden kann. Die Mehrzahl derjenigen, die aufgrund akuter Wetterextreme fliehen müssen, kehrt meist nach dem Abklingen der Gefahr wieder zurück. Die Ausgangsbedingungen sind unabhängig von den Wettereignissen oft sehr unterschiedlich: Wie stark Menschen zu Migration oder Flucht getrieben werden, hängt maßgeblich davon ab, ob sie in der Lage sind sich dem Klimawandel anzupassen, wie sie unterstützt werden und wie sie diese Unterstützung nutzen.
Relativ eindeutig lassen sich Migranten als Klimaflüchtlinge ausmachen, wenn es etwa um Stürme und Springfluten geht. Bei schleichenden Veränderungen durch das Klima wie der Ausbreitung der Wüste ist die Sachlage schon weniger eindeutig: Oft sind die Folgen des Klimawandels dann lediglich der letzte fehlende Grund, ohnehin schon schwierige Rahmenbedingungen hinter sich zu lassen – etwa Bevölkerungswachstum, Landknappheit, Arbeitslosigkeit.
Solide Prognosen, in welchem Maß und in welchen Regionen der Klimawandel in Zukunft dazu führen wird, dass Menschen ihre Heimat verlassen müssen, gibt es nicht. Je nach gewählter Definition und angenommenem Klimaszenario werden unterschiedlichste Zahlen über die zu erwartenden Klimamigranten ins Feld geführt.
Eines haben Begriffe wie "Klimaflucht", "Klimawandel-induzierte Migration" oder "Klimawandelfolgenmigration" gemeinsam: Völkerrechtlich sind sie nicht anerkannt, ebenso wenig wie die Definition des "Umweltflüchtlings". Zumindest hat ist die Terminologie seit 1985 Eingang in den Diskurs der Vereinten Nationen gefunden.
Klimawandel gilt nicht als Verfolgungsgrund und berechtigt nach internationalem Völkerrecht nicht zu Asyl und einem anerkannten Flüchtlingsstatus außerhalb des eigenen Landes. Das gilt auch nicht für die Bewohner der Inselstaaten im Pazifik, die jetzt schon vom steigenden Meeresspiegel verschluckt werden.
Wer ein Klimaflüchtling ist und wer nicht, ist oft gar nicht so klar. Relativ eindeutig ist das noch bei Extremwetterereignissen wie dieser Flut in Indien. Fakt ist aber auch: Die Klima-Migration über Grenzen hinweg ist eher selten. Die Mehrzahl der Betroffenen hat weder die Mittel, sich weit weg zu bewegen, noch den Wunsch, die Heimat zu verlassen. Sofern sie existieren, greifen innerhalb der staatlichen Grenzen nationale Schutzinstrumente. Etwa Richtlinien für intern vertriebene Personen, die Betroffene schützen und unterstützen sollen. Viele Staaten hinken in der Umsetzung aber noch erschreckend hinterher.
Personen, die sich allerdings bereits außerhalb ihres Landes befinden, können nach der Genfer Flüchtlingskonvention zumindest nicht wieder in ihr Heimatland zurück abgeschoben werden, wenn ihnen dort akute Lebensgefahr droht. Kompensationsansprüche für die entstandenen Schäden und Verluste können die Klimaflüchtlinge noch nirgendwo geltend machen.
Ein erster Ansatz, um die Schutzlücken teilweise zu schließen, ist die noch junge Nansen-Initiative: Dort beraten Staaten, wie sie Klimaflüchtlinge schützen können. Ein kleiner Lichtblick war auch der UN-Klimagipfel im mexikanischen Cancún 2010, bei dem die Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention erstmals dazu aufgefordert wurden, sich klimabedingter Migration und Vertreibung zu stellen. Bei den bevorstehenden Klimaverhandlungen in Warschau wird "Verluste und Schäden" ein zentrales Thema sein. Um Fortschritte zu erzielen, sollten dabei die Betroffenen und ihre Rechte in den Mittelpunkt gerückt werden.
Dieser Artikel ist zuerst bei "Klimaretter" erschienen:
www.klimaretter.info/dossiers/klimagipfel-warschau/countdown/14982-flucht-vor-der-klimakatastrophe