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Kupferabbau, Magier und jungfräuliches Blut

Sexuelle Gewalt gegen Frauen und Männer setzten Rebellen und Armee in der Demokratischen Republik Kongo seit Jahren als Kriegswaffe ein. Doch auch abseits der Unruheprovinzen im Osten, gibt es sexuelle Gewalt berichtet EED-Friedensfachkraft Ulrike von Baggehufwudt aus der rostoffreichen Provinz Katanga.

 

Von Online-Redaktion am

In manchen Gebieten der Demokratischen Republik Kongo existiert der Glaube, dass Blut eine besondere Wirkung hat – und das Blut von Jungfrauen natürlich erst recht. Seit Jahren kommt es daher in den kupferreichen Minengebieten um die Stadt Likasi zu sexueller Gewalt gegen Minderjährige. Unsere Organisation, „Service d’Appui au Développement Régional Intégré“ (SADRI), arbeitet in diesem rohstoffreichen Gebiet mit den Aktivistinnen von „Cadre de Concertation Zonal Mungazi“(CCZ) und der „Association Faiseurs de Paix“ (AFP) zusammen, um Mädchen und junge Frauen besser zu schützen.

Eine kleine Gruppe aus Mitgliedern des CCZ und AFP arbeitet aktiv gegen sexuelle Gewalt bei Minderjährigen in und um die Minen angenommen. Mit der Unterstützung von SADRI haben sie zunächst eine Studie erarbeitet, um die Gründe für sexuelle Gewalt zu erforschen. Unter der Vielzahl an genannten Gründen, war einer in seiner Häufigkeit und Bedeutung besonders eindrücklich: Um den Ertrag der einzelnen Gruben zu erhöhen, suchen viele der selbständigen Bergarbeiter Rat von traditionellen Heilern, die so genannte „Fétiches“ einsetzen (Objekte, die durch bestimmte Zeremonien eine ungewöhnliche Kraft erhalten). Ein Rat, der dabei immer wieder zitiert wird: Das Blut einer Jungfrau  erhöhe die Ausbeute an Rohstoffen aus der Mine. Dies Praktik wird häufig als Grund für die Vergewaltigungen von Minderjährigen genannt.

Um dieser Gewalt zu begegnen, erarbeiteten CCZ, AFP und SADRI verschiedene Herangehensweisen: Ein erster Erfolg ist ein Erlass des Bürgermeisters von Likasi, der den Zugang von Minderjährigen zu den Minen und den Bars, die sie umgeben, unterbinden soll. Die optimistische Annahme, dass ein erschwerter Zugang zu potenziellen Opfern auch die Vergewaltigungszahlen reduzieren wird, muss sich allerdings erst noch erweisen. Um die Studie zu erweitern und auch einige Hauptakteure mit in den Prozess einzubinden, haben die beteiligten Organisationen einen Workshop geplant, zu dem traditionelle Heiler, Bergarbeiter sowie Vertreter der staatlichen Behörden eingeladen wurden.

Im Vorfeld stand die Kontaktaufnahme zu den Heilern, die wir angesichts des delikaten Themas vorab in Einzelgesprächen konsultiert haben. Nach den Vorwarnungen meiner Mitarbeiter, ich solle bei den Begegnungen keine Angst haben (immerhin handelt es sich hier um Menschen, die in dem Ruf stehen, mit verstorbenen Ahnen in Kontakt zu stehen sowie auch andere übermenschliche Fähigkeiten zu besitzen), war ich zunächst positiv überrascht von der Offenheit und Freundlichkeit, mit der uns die Heiler entgegenkamen. Alle bestätigten uns, dass traditionelle Methoden sehr wohl im Bereich des Rohstoffabbaus genutzt würden, um den Ertrag einer Grube zu erhöhen. Teilweise gaben sie detaillierte Auskunft über wilde Pflanzen die in Verbindung mit bestimmten Zeremonien hierbei helfen können.

Aber wie sieht es nun mit der Kraft von Blut aus? Nein, so die einstimmige Meinung, Blut gleich welcher Art helfe nicht. Die Information, dass hier ein Hauptgrund für die sexuelle Gewalt im Rohstoffmilieu liege, sei für die Heiler neu, sie hätten davon noch nicht gehört. Es erklärten sich aber alle bereit, an dem von uns geplanten Workshop teilzunehmen, um dem Phänomen auf den Grund zu gehen. Und mit einem „Gott segne Sie“ wurden wir verabschiedet. Tradition und Religion schließen sich hier nicht immer aus.

Schon auf dem Heimweg wurde in unserer Gruppe heftig diskutiert: haben wir uns in unserer Recherche derart grundlegend getäuscht? Spielen traditionelle Heilkräfte bei der sexuellen Gewalt wirklich keine Rolle? Oder haben uns die Heiler schlicht angelogen? Immerhin steht sexuelle Gewalt und sexueller Verkehr mit Minderjährigen im Allgemeinen auch im Kongo unter Strafe. Es scheint also nicht undenkbar, dass ein „ich habe nie davon gehört“ eine Schutzbehauptung darstellt.

Aber zunächst hat für uns die Durchführung des Workshops Priorität. Es nehmen Vertreter fast aller eingeladenen Gruppen teil, allein Opfer beziehungsweise deren Familien bleiben fern. Die Schande, sich öffentlich zu zeigen, ist zu groß. Obgleich wir gern nach dem Prinzip vorgehen, „mit“ den Betroffenen zu arbeiten und nicht „für“ sie das Wort ergreifen, haben wir doch damit gerechnet, dass sie nicht an diesem Workshop teilnehmen. Die Zusammenfassung der Rechercheergebnisse, die mein Kollege Alain Kamwanga gibt, ist darauf ausgerichtet, eine aktive Debatte auszulösen. Und die Teilnehmer lassen sich nicht lang bitten. Die Grubenarbeiter bestätigen, dass die Zuhilfenahme von „Fétiches“ häufig geübte Praxis sei und dies nicht nur den Einsatz von wilden Pflanzen, sondern auch von Blut umfasse. Hier hakt mein Kollege nach: Kann man sein eigenes Leben verbessern, indem man das Leben eines anderen Menschen zerstört?

Die Heiler sind bislang recht ruhig geblieben, aber nun geben auch sie zu, dass ihnen die Praktik geläufig sei. Aber auf gar keinen Fall könne man, ihrem Glauben und der Tradition nach, darauf bauen, dass man durch solche für die Mitmenschen schädliche Praktiken einen Vorteil erhalte. Wer anderen Leid zufüge, werde früher oder später gestraft, sei es von Gott, den Ahnen oder schlicht von der weltlichen Justiz. Jeder, der etwas anderes behaupte, sei ein Scharlatan. Auch die Grubenarbeiter meinen bei ihren Kollegen erkannt zu haben, dass der durch ebendiese Praktiken erlangte Vorteil, immer nur kurzfristig sei.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehr des Workshops sind sich einig: eine flächendeckende Aufklärung der Arbeiter in dem Milieu sei notwendig. Hierfür bieten die Heiler ihre Hilfe an. Denn auch wenn unsere Gruppe vor Ort sehr engagiert ist, ist uns klar: wir werden in den Minenregionen immer Fremde sein, die im besten Fall einen gut gemeinten Rat von außen geben können. Die Heiler jedoch, die anbieten, eine solche Aufklärungskampagne selbst zu leiten, haben die wirkliche Autorität und Authentizität. Und so bleibt mir, die Kontinuität dieser Arbeit zu unterstützen. Ein freundliches Wort in die Kamera für den lokalen Fernsehsender, der uns an diesem Tag begleitet; er ist der einzige, der dem Thema durch das Engagement einer offensichtlich Fremden augenscheinlich mehr Gewicht geben will. Damit ist der Workshop beendet – und die eigentliche Arbeit beginnt.


Ulrike von Baggehufwudt

Friedensfachkraft, SADRI – Service d’Appui au Développement Régional Intégré


Der Bericht gibt die Meinung der Berichterstatterin wieder und spiegelt nicht unbedingt die Ansichten der Redaktion.

 

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