People protest in N'Djamena, Chad, Tuesday, April 27, 2021. Thousands of people protested and two people were killed in Chad Tuesday in demonstrations against the rule of a transitional military council headed by the son of the late President Idriss Deby Itno, who was killed last week. (AP Photo/Sunday Alamba)
Afrika südlich der Sahara

Junge Bevölkerung, alte Konflikte

Regierungschefs, die sich seit Jahrzehnten an der Macht halten, treffen auf eine überwiegend junge Bevölkerung, die für ihre Rechte eintritt. Das schafft Konflikte.

Überblick

Die Handlungsmöglichkeiten der Zivilgesellschaft in Afrika südlich der Sahara sind stark begrenzt. Positive Tendenzen zeichnen sich in Sambia ab: Dort verkörpert die neue Regierung die Hoffnung auf mehr Freiheiten für Menschenrechtsvertreter:innen. Ansonsten war die Lage in den Ländern zwischen Mauretanien im Nordwesten und Südafrika im Süden 2022 gezeichnet von politischen Konflikten und Nöten, die sich vor allem aus der weltweiten Wirtschaftskrise, dem Ringen mit dem Corona-Virus und durch den Klimawandel und seinen Folgen wie Trockenheit, Missernten, Hungersnöten ergeben.

Der Druck auf Oppositionelle und die Zivilgesellschaft wächst. Das Militär hat viel Macht. Regierungen reagieren repressiv ‒ nicht nur dort, wo Wahlkampf ist. Die Sahelzone, die ärmste Region Afrikas, ist im Griff von extremistischen Gruppen, die die gesamte Bevölkerung bedrohen und drangsalieren. Im Süden der Region hat Afrika mit Eswatini die letzte absolute Monarchie. Sie geht brutal gegen Regimekritiker:innen und Oppositionelle vor. Insbesondere die junge Bevölkerung ‒ 60 Prozent sind unter 25 Jahre ‒ strebt nach Veränderungen, muss sich aber mit autoritären Herrschaftsapparaten auseinandersetzen.

Im Fokus

Seit August 2021 ist die neue Regierung des vormaligen Oppositionsführers Hakainde Hichilema im Amt. Seither gilt Sambia trotz Wirtschaftskrise und hoher Verschuldung als Hoffnungsträger in Afrika.

In seiner Antrittsrede versprach der neue Präsident, die Menschenrechte zu achten und umzusetzen. Hichilemas Vorgänger Edgar Lungu hatte das Land zuletzt autoritär regiert. Inzwischen ist Sambia in der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen um einige Plätze nach vorne gerückt und rangiert jetzt auf Rang 109 hinter Griechenland ‒ im Vorjahr war es noch Platz 115. Im Mai 2022 kündigte der Präsident zudem an, sein Land werde die Todesstrafe abschaffen, was ebenfalls als Zeichen eines allgemeinen Aufbruchs gedeutet wird. Größter Erfolg der Zivilgesellschaft: Ein Informationsfreiheitsgesetz soll kommen, dafür hatten sich Aktivist:innen eingesetzt, darunter auch ein Partner von Brot für die Welt.

In Simbabwe steht 2023 eine Neuwahl von Parlament und Präsident bevor. Sie wird keine Änderung zum Besseren bringen, befürchten Aktivist:innen.

Bereits 2022 wurde der Wahlkampf mit aller Härte geführt: Die regierende ZANU-PF (Simbabwe Afrikanische National-union/Patriotische Front) geht äußerst brutal gegen Gegner:innen oder Kritiker:innen vor. Das bekommen vor allem Vertreter:innen der Oppositionsbewegung CCC („Citizens Coalition for Change“ ‒ Bürgerkoalition für den Wandel) zu spüren. Zudem hat das Parlament Ende 2022 ein sehr restriktives NGO-Gesetz verabschiedet, das zivilgesellschaftlichen Organisationen die Arbeit deutlich erschwert. Ein weiteres Gesetz aus dem Jahr 2021 reguliert vordergründig die Presse-und Meinungsfreiheit, indem es die Verbreitung von Fake News kriminalisiert ‒ allerdings legen staatliche Behörden fest, was Fake News sind und was nicht.

Seit 1986 heißt der Präsident von Uganda Yoweri Museveni. Auch seinen bislang letzten Wahlsieg im Jahr 2021 setzte er mit allen Mitteln durch.

Er ließ das Internet abschalten, damit sich Menschen nicht informieren, engagieren und vernetzen können. Uganda steht zudem für eine restriktive Geschlechterpolitik, die traditionelle Rollenbilder zementiert. Darunter leiden besonders Organisationen, die sich für Frauen- und LGBTQI-Rechte einsetzen. Frauen werden auch im Familien-, Scheidungs- und Erbrecht deutlich benachteiligt. Systematisch unterdrückt und verfolgt werden Homosexuelle. Ein Gesetz, das für gleichgeschlechtliche Beziehungen die Todesstrafe vorsah und 2014 vom Verfassungsgericht für nichtig erklärt wurde, wurde 2021 erneut dem Parlament vorgelegt und verabschiedet. 

Museveni entschied sich aber mit Verweis auf bestehende Gesetze, es nicht zu unterzeichnen. Strafverfolgungsbehörden nutzen allerdings das durch die Gesetzesinitiativen verstärkte LGBTQI-feindliche Klima, um Einzelne aus der Community zu belästigen, zu erpressen oder zu verhaften.

Die Situation für Menschenrechtsverteidiger:innen ist seit Jahren angespannt. Gewalt und Haftstrafen ohne rechtsstaatliche Verfahren sind die Regel.

Seit 40 Jahren regiert Präsident Paul Biya das Land ‒ und er geht mit unnachgiebiger Härte gegen die Opposition vor. Ende 2021 etwa wurden 54 Aktivist:innen der größten Oppositionspartei von einem Militärgericht zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Der Vorwurf:  „Rebellion“. An der Grenze zu  Nigeria leiden die Menschen weiterhin unter dem Konflikt zwischen dem anglophonen Westen und der Zentralregierung im frankophonen Teil des Landes, der im November 2016 begonnen hat. Ende Februar 2023 zählte die UNOCHA, das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten, gut 630.000 Binnenvertriebene und 87.000 Flüchtlinge in Nigeria. Die kamerunische Regierung stuft die Separatisten, die ihre eigene Republik Ambazonien ausgerufen haben, genauso als Terroristen ein wie etwa die islamistischen Boko Haram.

In Ghana herrscht ein homophobes Klima. Nach einem geplanten Anti-LGBTQI-Gesetz drohen bis zu zehn Jahre Haft für queere oder homosexuelle Menschen.

Das geplante Gesetz fördert auch Denunziation: Angehörige sollen queere oder homosexuelle Menschen in ihrem Umfeld anzeigen. Entscheiden sie sich zu schweigen, droht ihnen ebenfalls eine Strafe. Aktivist:innen berichten von Erpressungen und Misshandlungen Queerer und Homosexueller. Vielen von ihnen bleibt nur die Flucht. Weil sich die wirtschaftliche Lage zunehmend verschlechterte, organisierte die Bewegung #FixTheCountry in der Hauptstadt Accra regelmäßig Proteste. Das Ziel war der Rücktritt des Präsidenten. Obwohl die Demonstrationen genehmigt waren, löste die Polizei sie gewaltsam mit Tränengas und Wasserwerfern auf. Dennoch setzten sich die Proteste fort.

Das Land am Rande der Sahara befindet sich seit geraumer Zeit in einer extrem schwierigen Lage. Auch der „Nationale Dialog“ brachte keine Fortschritte.

2021 wurde Präsident Mahamat Idriss Déby nach dem Tod seines Vaters von mächtigen Generälen eingesetzt. Doch der Tschad steht unter dem starken Einfluss Frankreichs, das als ehemalige Kolonialmacht von dort aus Antiterroreinsätze in der Sahelzone führt. Den Militärputsch akzeptierte  Frankreich nur gegen das Versprechen, dass Déby mit der Zivilgesellschaft in einen Dialog tritt und binnen 18 Monaten Wahlen organisiert. Daraufhin setzte der Präsident im Sommer 2022 den „Nationalen Dialog“ an, der eine neue Verfassung hervorbringen und die Demokratie einführen sollte.

Doch im Oktober wurde der Dialog beendet. Er entpuppte sich als Scheinveranstaltung. Oppositionelle Gruppen riefen zu Protesten auf, da ein Großteil der Delegierten der Junta nahestehe. Déby ließ die Proteste niederschlagen. Allein in der Hauptstadt N’Djamena wurden 30 Tote und Hunderte Verletzte gezählt. Der Verbleib vieler Verhafteter ist ungeklärt.

Eritrea, das schmale Land am Roten Meer, ist eines der am stärksten abgeschotteten Länder weltweit. Menschenrechte werden systematisch unterdrückt.

Seit 2001 gibt es keine unabhängigen Medien mehr im Land. Viele Journalist:innen sind in Haft, Oppositionsparteien nicht zugelassen, Gewerkschaften unter Kontrolle der Regierung. Eritreer:innen werden zu einem unbefristeten Militärdienst verpflichtet, Kritik an den Machthabern wird hart bestraft. Menschenrechtsverteidiger:innen verschwinden spurlos, oftmals wissen Angehörige jahrelang nichts über deren Verbleib. Auch wegen der massiven Verstöße gegen die Menschenrechte hat jede:r Fünfte das Land verlassen. Projekte mit Partnern der Entwicklungszusammenarbeit sind nur noch eingeschränkt möglich. Wer nicht vom Regime profitiert, versucht zu fliehen ‒ trotz der enormen Kosten und Risiken.

Auch nach dem Ende des Krieges in Tigray stehen Menschenrechtsorganisationen und kritische Medien weiter unter starkem Druck.

Schätzungen zufolge kostete der Krieg mehr als eine halbe Million Menschen das Leben. Im November 2022 verständigten sich die äthiopische Bundesregierung und die Regierung des Bundesstaates Tigray auf ein Ende der Kampfhandlungen. Zunehmend gelangt seitdem Hilfe zu den notleidenden Menschen, während in anderen Regionen die Kämpfe weitergehen. Die willkürlichen Verhaftungen von Journalist:innen setzen sich allerdings auch nach Kriegsende fort. Im Zuge der komplexen ethnisch-politischen Auseinandersetzungen haben alle Kriegsparteien das Interesse, die Aufklärung von Kriegsverbrechen möglichst zu verhindern.

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