FILE - A Taliban fighter stands guard as a woman walks past in Kabul, Afghanistan, on Dec. 26, 2022. The United Nations' human rights chief on Tuesday Dec. 27, 2022 decried increasing restrictions on women's rights in Afghanistan, urging the country's Taliban rulers to reverse them immediately. He pointed to “terrible consequences” of a decision to bar women from working for non-governmental organizations. (AP Photo/Ebrahim Noroozi, File)
Asien/Pazifik

Wo das Militär mitbestimmt

In vielen Staaten Asiens mischt sich die Armee in Regierungsgeschäfte ein. Die Folgen sind eine gespaltene Gesellschaft und eine bedrohte Zivilgesellschaft.

Überblick

Die Region Asien und Pazifik wird weitgehend von staatlichen Repressionen, dem Abbau demokratischer Strukturen und autoritärer Führung bestimmt. Wer für Menschenrechte eintritt oder sie verteidigt, wird oftmals bedroht oder bestraft. Vielerorts mischt sich das Militär in die zivile Regierungsführung ein. In fast allen Ländern Asiens setzen die Regierungen Polizei, Sicherheitskräfte und Militär ein, um zivilgesellschaftliche Kräfte einzuschüchtern und Proteste zu unterbinden. Unter der unmittelbaren Herrschaft des Militärs stehen Thailand, Pakistan und ‒ nach dem Militärputsch 2021 ‒ auch Myanmar.

Indonesien und Sri Lanka galten einige Jahre als Hoffnungsträger, machen nun aber teils eklatante Rückschritte. In der Pazifik-Region können zivilgesellschaftliche Organisationen noch relativ frei arbeiten. Aber auch dort werden Menschenrechte verletzt und zivilgesellschaftliche Organisationen in ihrer Arbeit behindert. In vielen Ländern nimmt der Staat die Spaltung der Gesellschaften in Kauf oder verfolgt diese gezielt, um Anhänger:innen gegen Andersdenkende zu vereinen. Religiöse, ethnische und sexuelle Minderheiten werden unterdrückt, verfolgt und kriminalisiert, demokratische Institutionen geschwächt und die Pressefreiheit missachtet. Mangelnde rechtsstaatliche Verhältnisse und ein Klima der Straflosigkeit bestimmen das Bild. Einzig Japan, Taiwan und einige Staaten im pazifischen Raum sind Ausnahmen.

Im Fokus

In Myanmar hat sich die Lage seit dem Militärputsch im Jahr 2021 weiter verschärft. Die Generäle unterdrücken die Zivilgesellschaft gewaltsam.

Das Militär agiert im rechtsfreien Raum und geht nach wie vor brutal gegen Regimegegner:innen vor: Mitglieder des Militärs töten gezielt Demonstrierende; seit Ausbruch der Proteste im Februar 2021 wurden 19.926 Menschen verhaftet. Inhaftierte berichteten von grausamer Folter. Rund 3.000 Menschen wurden ermordet. Nach 30 Jahren wurde 2022 erstmals die Todesstrafe vollstreckt ‒ darunter an zwei Aktivisten. Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit wurden ausgesetzt, Journalist:innen verfolgt und getötet sowie Meinungs- und Pressefreiheit massiv eingeschränkt.

Auch NGOs werden drangsaliert und können ihrer Arbeit kaum noch nachgehen. Im Oktober 2022 hat die Militärjunta ein Gesetz ohne Ausführungsbestimmungen erlassen, das zivilgesellschaftliche Organisationen verpflichtet, sich innerhalb von 60 Tagen zu registrieren. Viele Organisationen können sich aus politischen und Sicherheitsgründen nicht registrieren, da sie sonst die Militärjunta legitimieren und ihre Mitarbeitenden gefährden. Gründer:innen sowie Mitarbeitenden von nicht registrierten NGOs drohen Haft- und Geldstrafen. Zudem werden sie durch Hausdurchsuchungen und Hausarrest unter Druck gesetzt. Viele NGOs können daher in Myanmar bestenfalls im Verborgenen kommunizieren und agieren.

 

Die Philippinen blicken auf eine Wahl zurück, deren Ergebnis der Zivilgesellschaft kaum Hoffnung macht: Die Einschüchterungen gehen weiter.

Wahlsieger Ferdinand Marcos Jr., Sohn des früheren Diktators, setzt die Politik seines Vorgängers Duterte fort. Dessen Tochter Sara amtiert als Vizepräsidentin. Beide stehen für eine Politik, die Menschenrechte unterdrückt, Aktivist:innen einschüchtert und Täter:innen aus Polizei, Militär und Sicherheitsbehörden straflos davonkommen lässt. Auch der sogenannte „Krieg gegen die Drogen“, in dem laut philippinischer Menschenrechtskommission seit 2016 mindestens 27.000 Menschen außergerichtlich ermordet wurden, wird unter der neuen Regierung fortgeführt.

Unter dem Deckmantel, kommunistische Aufstände zu bekämpfen, geht der Staat massiv gegen die kritische Zivilgesellschaft vor, via „red-tagging“: Sie werden als Terrororganisationen diffamiert und dann besonders hart drangsaliert. Ein harsches Anti-Terror-Gesetz verankert diese Praxis seit 2020 auch rechtlich. Zudem ermöglicht es der Regierung, fundamentale Menschenrechte wie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit weiter einzuschränken. Besonders gefährdet sind Menschenrechtsverteidiger:innen, die zu Landrechten arbeiten. Viele von ihnen werden ermordet, verschleppt oder durch orchestrierte Verleumdungskampagnen in den Sozialen Medien eingeschüchtert.

Trotz massiver Demonstrationen musste die indonesische Zivilgesellschaft die Verabschiedung einer umstrittenen Strafrechtsreform hinnehmen.

Die Gesetzesverschärfung beinhaltet eine Reihe Paragraphen, mit denen der Staat massiv in Bürger- und Persönlichkeitsrechte eindringt. Zudem bergen diese ein erhebliches Missbrauchspotential, etwa um gegen politische Gegner:innen, Kritiker:innen oder unliebsame Berichterstattung in der Presse vorzugehen sowie Demonstrationen zu unterbinden. Durch eine Klage beim indonesischen Verfassungsgericht versucht eine Koalition aus zivilgesellschaftlichen Akteur:innen noch abzuwenden, dass die Strafrechtsreform im Jahr 2025 tatsächlich in Kraft tritt.

Die Menschenrechtslage in Kambodscha hat sich über die vergangenen Jahre stetig verschlechtert. Der Premierminister Hun Sen regiert seit 1985.

Auch vor der Parlamentswahl im Juli 2023 setzt Hun Sen die systematische Unterdrückung demokratischer Bestrebungen und zivilgesellschaftlicher Freiräume fort. Menschenrechte werden eingeschränkt, sobald die herrschenden Eliten ihre Macht infrage gestellt sehen. Die bis dahin größte oppositionelle Partei CNRP (Cambodian Rescue Party) wurde 2017 verboten, viele ihrer Mitglieder sind im Exil oder inhaftiert. Im Jahr 2022 hielten Kambodschas politisierte Gerichte eine Reihe von Massenprozessen gegen Mitglieder der politischen Opposition und Dutzende von Menschenrechtsverteidiger:innen ab. Derzeit gibt es mehr als 50 politische Gefangene. Auch freie Medien, Journalist:innen und die kritische Zivilgesellschaft werden in ihrer Arbeit behindert und zur Selbstzensur gezwungen. Andernfalls müssen sie befürchten, drakonisch bestraft zu weden. Im Februar 2023 wurde dem Nachrichtensender Voice of Democracy, einem der letzten unabhängigen Medien, die Lizenz entzogen.

Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger:innen, Kriminalisierung und Einschüchterung nehmen zu. Beispielsweise wurden Menschenrechtsorganisationen von der Polizei zum Verhör geladen, die im Januar 2023 mit der Veröffentlichung eines Rap-Videos an den Jahrestag eines Streiks im Jahr 2014 erinnert hatten. Damals war die Polizei massiv gegen Arbeiter:innen der Textilindustrie vorgegangen. Vier Menschen waren ums Leben gekommen. Die Polizei drohte mit harten rechtlichen Konsequenzen ‒ daraufhin sahen sich die Organisationen genötigt, das Video von ihren Webseiten zu nehmen.

Unter der Premierministerin Sheikh Hasina wurden die zivilgesellschaftlichen Spielräume in den vergangenen Jahren zunehmend eingeschränkt. 

Im Hinblick auf die geplanten Wahlen im Januar 2024 werden politische und gesellschaftliche Diskussionen eingeschränkt und behindert. Indigene Gemeinschaften und religiöse Minderheiten werden diskriminiert sowie sozial und wirtschaftlich ausgegrenzt. Immer öfter kommt es zu gewalttätigen Übergriffen seitens der Regierung. Religiöse und ethnische Minderheiten werden aus ihrer oft seit Jahrhunderten bewohnten Heimat vertrieben und damit ihrer Lebensgrundlagen beraubt.

Die Zivilgesellschaft nimmt den Digital Security Act, kurz DSA, weiterhin als die größte Gefahr für die Meinungsfreiheit des Landes wahr. Das Gesetz soll zwar Hate Speech verhindern. Es wird von der Regierung aber gezielt missbraucht. Mit Verweis auf das Gesetz werden Aktivist:innen und Journalist:innen angeklagt und verhaftet. Die Zivilgesellschaft kann Fehlinformation und Propaganda kaum mehr etwas entgegensetzen. Sie verliert die letzten Räume, um politische Entscheidungen demokratisch zu diskutieren.

Die restriktive No-Covid-Politik legte das öffentliche Leben in China für fast zwei Jahre lahm.

Bis Mitte Dezember 2022 galten im Land strenge Ausgangsregelungen und Zwangsisolierungen. Dennoch war es der Zivilgesellschaft möglich, sich auf bestimmten Feldern zu engagieren; etwa bei der Krisenbewältigung von Naturkatastrophen, im Umweltschutz und für soziale Belange. Ein Engagement für Menschenrechte, Demokratie und gute Regierungsführung sind aufgrund restriktiver  Gesetzgebungen und Rahmenbedingungen nicht möglich.

Ein Gesetz zur Regulierung der Arbeit ausländischer Organisationen etwa reglementiert auch deren Tätigkeit: Arbeit, die im strengen Bewertungsraster der Staatsführung als chinakritisch angesehen wird, ist kaum mehr möglich. Als massiv hinderlich beschreiben Aktivist:innen allein schon die strengen und umfangreichen administrativen und bürokratischen Vorgaben. Menschenrechtsverteidiger:innen, die sich trotzdem engagieren, werden eingeschüchtert, bedroht, überwacht und verhaftet. Besonders hart sanktionieren chinesische Behörden die Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung. Kritischer, unabhängiger Journalismus ist nicht möglich; die Zensur greift hart durch.

In Indien hat sich die Lage für alle Verteidiger:innen von Menschenrechten verschärft. Wer für diese Rechte eintritt, kann per Gesetz kriminalisiert werden.

Die Wucht des Gesetzes versteckt sich hinter einem auf den ersten Blick nüchternen Namen: Unlawful Activities Prevention Act ‒ es ist Indiens Gesetz zur Terrorismusbekämpfung. Selbst bei nur vermuteter Gefahr für die nationale Sicherheit kann der Staat „präventiv“ einschreiten. Die vage Definition von Terror und Gefahr lassen viel Auslegungsspielraum und werden missbraucht, um gegen Menschenrechtsverteidiger:innen vorzugehen. Indien ist ein sozial extrem ungleiches Land, Diskriminierung ist an der Tagesordnung, Religionsfreiheit wird verletzt, religiöse Minderheiten ‒ vor allem Muslim:innen ‒ werden genauso eingeschüchtert, verfolgt und gewaltsam bedroht wie kritische Organisationen. Die Verschärfung des Foreign Contribution Regulation Act (2020) ‒ des Gesetzes zur Regelung ausländischer Finanzierung ‒ schließlich bedroht die Arbeit und Existenz zivilgesellschaftlicher Organisationen: Sie müssen sich nicht nur in einem aufwändigen Prozess registrieren. Auch Geldtransfers werden stark beschränkt.

Nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 hat sich die Menschenrechtslage im Land extrem verschlechtert. Beteuerungen, diese Rechte zu wahren, entpuppten sich als Lippenbekenntnisse.

Demonstrationen werden mit Waffengewalt brutal aufgelöst, Menschenrechtsverteidiger:innen verprügelt, schikaniert, eingesperrt und getötet. Journalist:innen werden in ihrer Arbeit behindert. Wer Inhalte veröffentlicht, die dem Islam nach der Interpretation der Taliban widersprechen, wird bestraft. Besonders Frauen und Mädchen leiden unter den neuen Machthabern. Sie können am politischen, wirtschaftlichen und sozialen Leben nicht mehr teilhaben, keine weiterführende Schulen oder Universitäten mehr besuchen, kaum mehr Geld verdienen. Zivilgesellschaftliche Handlungsräume sind kaum noch vorhanden. Wer sie trotzdem sucht, muss mit drakonischen Abwehrreaktionen und Strafen rechnen oder geht ins Exil. Inhaftierungen, Folter, Schnellverfahren und Hinrichtungen sind die brutalen Machtmittel des neuen alten Regimes. Kurz vor Jahresende wiesen die Taliban alle Hilfsorganisationen an, Mitarbeiterinnen zu untersagen, zur Arbeit zu kommen. Begründung: Einige der weiblichen Angestellten hätten sich nicht an die Auslegung der islamischen Kleiderordnung für Frauen gehalten. Von dem Verbot sind rund 180 lokale und internationale NGOs betroffen.

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Atlas der Zivilgesellschaft 2023

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