epa10053817 Lebanese protesters shout slogans during a protest against the power and water shortage, the high cost of living and the low purchasing power of the Lebanese pound, in front of the Lebanese electricity company building in Beirut, Lebanon, 05 July 2022. Lebanon has been struggling with compounded crises for nearly two years, including the economic and financial crisis, the covid-19 pandemic and the explosion of the Beirut port. The World Bank says the economic crisis in the country is possibly among top three most severe crises episodes globally since the mid-nineteenth century. Photo: picture alliance/EPA/WAEL HAMZEH
Naher Osten und Nordafrika

Protest trotz Lebensgefahr

Zivilgesellschaftliches Engagement kann in der gesamten Region im Nahen Osten und Nordafrika gefährlich sein.

Überblick

In der Region Naher Osten und Nordafrika ließen repressive Regime auch im vergangenen Jahr wenig unversucht, um die zivilgesellschaftlichen Handlungsräume weiter zu beschneiden. Großereignisse wie die FIFA-Fußballweltmeisterschaft der Männer in Katar oder der Klimagipfel in Ägypten haben Regierungen genutzt um den Eindruck zu vermitteln, die Menschenrechtslage habe Fortschritte gemacht. Doch tatsächlich gehört die Region ‒ gemessen an der Anzahl der Länder mit geschlossenen Handlungsräumen ‒ zu den am stärksten eingeschränkten der Welt. Journalist:innen und Menschenrechtsverteidiger:innen werden häufig inhaftiert und oft gezielt getötet.

Nichtsdestotrotz hat sich in einigen Ländern der Region eine resiliente und gut vernetzte Zivilgesellschaft etabliert, die sich für Menschenrechte starkmacht. Im Iran entlud sich der Zorn auf die Machthaber monatelang in Demonstrationen, die bis 2023 andauern. Nach dem Tod der 22-jährigen iranisch-kurdischen Mahsa Amini in Folge der Verhaftung durch die Sittenpolizei im September 2022 protestieren Iraner:innen landesweit gegen das Regime. Sicherheitskräfte schlugen die Demonstrationen mit Gewalt nieder. Über 500 Menschen kamen bisher ums Leben. Mehr als 15.000 Menschen wurden verhaftet, teils gefoltert und über 100 Todesurteile verhängt. Auf internationalen Druck hin hat der UN-Menschenrechtsrat im November eine Resolution zur Einrichtung einer Untersuchungskommission verabschiedet. Sie soll Menschenrechtsverletzungen untersuchen, ganz besonders gegen Frauen und Minderjährige. Weiterhin stark in Anspruch genommen ist die Region durch die Aufnahme mehrerer Millionen Geflüchteter aus Syrien und Afghanistan. Katastrophal bleibt die Situation in Kriegsgebieten wie Syrien und Jemen, wo humanitäre Hilfe teilweise unterbunden wird.

Im Fokus

Für die Zivilgesellschaft hat sich die Lage nur auf den ersten Blick verbessert. NGOs, die aus Sicht der Regierung politisch arbeiten, werden nicht registriert.

Das NGO-Gesetz von 2019 erleichtert zwar die Bewilligung von Projekten registrierter NGOs. Doch die Regierung kann selbst entscheiden, welcher Organisation sie eine Freigabe erteilt. Auch die im Herbst 2021 von der Regierung  beschlossene Menschenrechtsstrategie brachte nur scheinbar Fortschritte. In Wahrheit liegt ihr Fokus auf Wirtschaftsthemen. Opposition und Zivilgesellschaft wurden nicht beteiligt. Die Notstandsgesetzgebung, die rechtsstaatlichen Kriterien widersprach, wurde ersetzt durch eine erweiterte Antiterrorgesetzgebung, die ähnliche Effekte hat: Die Zuständigkeit von Militärgerichten wurde erweitert, Prozessbeobachtung eingeschränkt. Gefährdet sind dabei all jene, die sich für die Menschenrechte einsetzen ‒ Individuen wie NGOs. Über das gesamte Jahr  wurden 60.000 politische Gefangene gezählt. Um gegen die langen Haftstrafen und die schlechte medizinische Versorgung zu protestieren, traten im Februar 2022 zwölf Aktivisten in den Hungerstreik. Einige von ihnen wurden freigelassen.

Der Libanon steckt tief in einer politischen und wirtschaftlichen Krise. Ursachen sind korrupte Behörden und ein politisches Machtvakuum.

Auch nach der Wahl im Mai 2022 blieb die Regierung im Amt, weil keine neue Regierung zustande kam. Laut der UN leben fast 80 Prozent der libanesischen Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Die Bevölkerung hat eingeschränkten Zugang zu Einkommen, Gesundheitsdiensten, Bildung und öffentlicher Versorgung. Stromausfälle sind die Regel und dauern teils bis zu 22 Stunden pro Tag. Proteste ‒ auch von Staatsbediensteten ‒ gegen die aktuelle Lage werden niedergeschlagen, Demonstrierende verprügelt, verhaftet und strafrechtlich verfolgt. Die zivilgesellschaftlichen Akteur:innen werden vom Staat wenig unterstützt und sehen sich weiteren Restriktionen ausgesetzt. Besonders NGOs, die mit palästinensischen Flüchtlingen arbeiten, werden durch eine restriktive Gesetzgebung in ihrer Arbeit eingeschränkt. Gleiches gilt für die Arbeit mit Geflüchteten aus Syrien.

Als Nachbarland Syriens beherbergt Jordanien rund 670.000 Syrer:innen, die dort in großer Armut leben.

Da Jordanien unter einer großen Wirtschaftskrise leidet, gibt es kaum Arbeit. Journalist:innen klagen über Einschränkungen, die ihre Arbeit teils unmöglich machen. Willkürliche Verhaftungen oder Bedrohungen lassen viele von ihnen verstummen. Nach einer Umfrage des Center for Defending Freedom of Journalists üben sich 90 Prozent der Journalist:innen in Selbstzensur. Religiöse Themen oder Hintergründe über das Königshaus sind Tabuthemen. 150 Aktivist:innen, die sich für Gleichberechtigung und Menschenrechte einsetzen, wurden verhaftet.

Israels Demokratie befindet sich in der vielleicht schwierigsten Phase seit der Staatsgründung. Zeugnis dafür ist die fünfte Parlamentswahl in drei Jahren.

Nach seinem Wahlsieg im November 2022 bildete der Ex-Premierminister Benjamin Netanjahu eine Regierung unter Beteiligung rechtsextremer Parteien. Eines ihrer Ziele ist die Entmachtung der Justiz. Sechs palästinensische NGOs wurden von Israel als „terroristisch“ eingestuft und verboten. Ihre Büros wurden durchsucht, verriegelt und verboten. Sie arbeiten heute trotzdem noch. Die israelische Armee setzt zudem Technologien wie das Gesichtserkennungssystem Blue Wolf,  die Smartphone-Spähsoftware Pegasus und  Spionagedrohnen ein ‒ auch, um palästinensische Menschenrechtsaktivist:innen zu überwachen. Im vergangenen Jahr saßen mehr als 4.400 politische Gefangene aus den Palästinensischen Gebieten in israelischen Gefängnissen, etwa 530 von ihnen ohne ordentliche Strafverfahren.

In den Palästinensischen  Gebieten fand die letzte reguläre Präsidentschaftswahl 2005 statt. Seitdem regiert Präsident Mahmud Abbas ‒ inzwischen ohne breiten Rückhalt in der Bevölkerung des Westjordanlands. Dort werden Menschenrechtsaktivist:innen auf Grundlage des sogenannten Cyber Crime Law verhaftet, wenn sie in Sozialen Medien nach Ansicht der Sicherheitsdienste Aussagen treffen, die „die nationale Sicherheit gefährden“. Auch Webseiten werden gesperrt. Seitdem die Hamas im Gazastreifen im Jahr 2007 die Macht übernommen hat, wurden 27 Todesurteile vollstreckt. Allein 2022 wurden fünf Menschen hingerichtet. Radikale Gruppierungen erstarken.

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