Asien/Pazifik

Missbrauchte Gesetze

Auch im vergangenen Jahr nutzten viele Regierungen in Asien Gesetze, um ihre Kritikerinnen zu verfolgen.

Überblick

In der gesamten asiatisch-pazifischen Region hat CIVICUS im Jahr 2021 Angriffe auf die bürgerlichen Freiheiten dokumentiert. Von den 25 Ländern in der Region Asien werden vier ‒ China, Laos, Nordkorea und Vietnam ‒ als „geschlossen“ eingestuft. Zehn werden als „unterdrückt“ und sieben als „beschränkt“ bewertet. Der zivilgesellschaftliche Handlungsspielraum in Japan, der Mongolei und Südkorea gilt als „beeinträchtigt“. Nur ein Land hat laut CIVICUS eine offene Zivilgesellschaft: Taiwan ‒ Province of China (offizielle UN-Bezeichnung). Im pazifischen Raum ist das Bild positiver: Sieben Länder sind als „offen“ eingestuft, vier als „beeinträchtigt“, darunter Australien. Fidschi, Nauru und Papua-Neuguinea bleiben in der Kategorie „beschränkt".

Die Auf- und Absteiger

Im Raum Asien/Pazifik sind zwei Staaten herabgestuft worden, die Salomonen und Singapur. Der einzige Aufsteiger des Jahres stammt auch aus dieser Region, es ist die Mongolei.

Der Civicus-Monitor bewertete 2021 den Freiraum in der Mongolei um eine Stufe besser als „beeinträchtigt“. Im April verabschiedete das mongolische Parlament ein Gesetz zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern. Die Mongolei ist damit das erste Land in Asien, das ihnen einen eigenen Rechtsstatus gewährt und sie unter besonderen Schutz stellt. Es war das Ergebnis jahrelanger gemeinsamer Bemühungen der mongolischen Regierung, der Zivilgesellschaft und der UN.

Die Salomonen wurden 2021 von „offen“ auf „beeinträchtigt“ herabgestuft, unter anderem, weil die Regierung ihren Kurs fortsetzte, mit den im Zuge der Pandemie verabschiedeten Notstandsgesetzen Proteste zu unterbinden: Sie drohte mit harten Strafen. Zudem informierte die Regierung die Öffentlichkeit nur unzureichend und intransparent über den Verlauf der Pandemie.

Singapur wurde 2021 herabgestuft, weil die Regierung mehrere Gesetze instrumentalisierte, um gegen Kritikerinnen vorzugehen. Journalisten und Bloggerinnen wurden wegen Verleumdung angeklagt und zu hohen Geldstrafen verurteilt. Die Regierung untergrub die Versammlungsfreiheit, indem sie das „Gesetz über die öffentliche Ordnung“ aus dem Jahr 2009 gegen Aktivisten einsetzte, die zu friedlichen Versammlungen aufgerufen hatten. Viele Akteurinnen der Zivilgesellschaft befürchten zudem, dass das „Gesetz über ausländische Einmischung“ den zivilgesellschaftlichen Freiraum noch weiter einschränkt.

Wo Gesetze die Zivilgesellschaft einschränkten

Die am weitesten verbreitete Verletzung der Freiheitsrechte in der Region Asien war die Anwendung von Gesetzen, die die Vereinigungs-, Versammlungs- und Meinungsfreiheit einschränken. Zu solchen in 21 Ländern dokumentierten Gesetzen gehören jene zur nationalen Sicherheit und Terrorismusbekämpfung, zur öffentlichen Ordnung und zur strafbaren Verleumdung. Auf Grundlage dieser Gesetze kamen 2021 Menschenrechtsverteidiger in mindestens 19 Ländern der Region in Haft und wurden in elf Ländern strafrechtlich verfolgt.

In China wurden 2021 zahlreiche Personen unter Verweis auf weit gefasste und vage formulierte Straftatbestände wie „Untergrabung der Staatsgewalt“ und „Anzetteln von Streitigkeiten und Provokationen“ inhaftiert. Die Regierungspartei baut so ihre Vormachtstellung in Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft weiter aus ‒ und wirkt mitunter dank selbst aufgebauter bzw. gesteuerter Nichtregierungsorganisationen in die Zivilgesellschaft hinein. Parallel sorgen die in den vergangenen zwei Jahren verabschiedeten NGO-Gesetze dafür, dass unabhängige chinesische Organisationen nicht mehr frei agieren oder mit dem Ausland zusammenarbeiten können. In Hongkong wurde 2021 das drakonische „Nationale Sicherheitsgesetz“ verabschiedet, auf dessen Grundlage gleich zu Beginn des Jahres 55 Menschen verhaftet und 47 angeklagt wurden. Das Gesetz ist indes nur das sichtbarste Symbol einer Politik, mit der China den Status einer Sonderverwaltungszone unter­gräbt. So werden etwa Freiheitsrechte unterdrückt, Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Organisationen verboten oder zur Selbstauflösung genötigt und unerwünschte Anwaltskanz­leien geschlossen. Diese Politik reicht bis in die Universitä­ten, wo kritische Studierende und Lehrende entlassen und die Lehrmaterialien entsprechend den Vorgaben der Kommunis­tischen Partei geändert werden.

Nationale Sicherheits-­ und Antiterrorgesetze wie das repressive „Gesetz zur Verhinderung rechtswidriger Handlungen“ wurden 2021 in Indien von der Regierung missbraucht, um Menschenrechtsverteidiger aufgrund unbegründeter Anschuldigungen in Untersuchungshaft zu halten und ihnen eine Kaution zu verweigern. Das „Gesetz gegen Volksverhetzung“ wurde zur Verfolgung von Aktivistinnen und Journalisten eingesetzt. Indien gilt gemein­sam mit dem Jemen als drittgefährlichstes Land der Welt für Medienschaffende. Im Rahmen der Pegasus­-Affäre kam her­aus, dass mindestens 300 Mobiltelefone überwacht wurden. Mittels restriktiv angewendeter Verwaltungsrichtlinien wer­den zivilgesellschaftliche Organisationen in ihrer Arbeit mas­siv behindert. Das Gesetz, das den Erhalt ausländischer Mittel regelt, schränkt die Aktivitäten der Zivilgesellschaft stark ein. Bis zum Ende des Jahres 2021 wurde etwa 180 Nichtregierungsorganisationen eine Verlängerung ihrer Registrierung zum Erhalt ausländischer Mittel verwehrt.

In Kambodscha kamen 2021 restriktive Gesetze zum Einsatz, um Aktivistinnen zu verfolgen. Fundamentale Menschen­rechte werden systematisch verletzt. So wird die aufgelöste Oppositionspartei CNRP weiter gewaltsam daran gehindert, ihrer politischen Arbeit nachzugehen. Mindestens 60 Oppositionelle, Journalistinnen, Gewerkschafter, Umwelt­schutzaktivisten und Menschenrechtsverteidiger wurden wegen ihres friedlichen Einsatzes für Menschen­rechte, Umweltschutz und ihrer Meinungsäußerungen inhaftiert. Im November wurde ein Aktivist der Oppositions­partei getötet, nachdem er bereits ein halbes Jahr zuvor angegriffen und schwer verletzt worden war.

Wo Proteste niedergeschlagen wurden

In mindestens 14 Ländern wurden Demonstrierende festgenommen, und in mindestens zwölf Ländern gingen die Behör­den mit übermäßiger Gewalt gegen sie vor.

Nach dem Militärputsch im Februar 2021 folgten landesweite Mas­senproteste, auf die die Armee mit Gewalt antwortete. Zwischen Februar und November wurden nach Angaben der „Assistance Association for Political Prisoners“ 1.244 Aktivistinnen und Menschenrechtsverteidiger getötet, darunter auch viele Jugendliche. Knapp 10.000 Menschen wurden verhaftet, 300 anschließend zu Gefängnisstrafen ver­urteilt. Politische Gefangene wurden vermutlich misshan­delt oder gar gefoltert, und es gab Berichte über sexuelle Gewalt gegen Frauen im Gefängnis. Die Zivilgesellschaft wird über Beschränkungen im Zahlungsverkehr finanziell ausgetrocknet und durch Kontroll­maßnahmen in ihrer Arbeit behindert.

In Thailand wurden prodemokratische Anführerinnen wegen ihrer Reden bei Massenprotesten festgenommen und ange­klagt. Gegen Hunderte von Protestierenden ‒ darunter auch Kinder ‒ ermittelte die Justiz. Die Polizei wandte übermäßige Gewalt an und schoss mit scharfer Munition. Die Regierung nutzte etwa die Gesetze gegen Computerkriminalität und Volksverhetzung, um gegen NGOs vorzugehen und das Recht auf freie Meinungsäußerung im Netz zu beschneiden.

Wo Menschen eingeschüchtert wurden

Im vergangenen Jahr versuchten Regierungen in mindestens 14 Ländern der Region, Aktivistinnen, Journalisten und Kritiker zu schikanieren und einzuschüchtern, um sie zum Schweigen zu bringen.

China setzte die Verfolgung von Menschenrechtsverteidigern fort, indem die Regierung gezielt einige unter Beobachtung stellte und andere zwang, Peking im Vorfeld der Hundertjahrfeier der regierenden Kommunistischen Partei im Juli 2021 zu verlassen.

Auf den Philippinen wurden Aktivistinnen und Mitarbeitende von Nichtregierungsorganisationen als Kommunisten oder Terroristinnen verunglimpft. In der Folge kam es 2021 zu verstärkten Überwachungen, Bedrohungen sowie Verschwindenlassen und Tötungen. Dies geschah auch regelmäßig im Rahmen des „war on drugs“. Journalistinnen wurden wegen ihrer Berichterstattung schikaniert und falschen Anschuldigungen ausgesetzt ‒ darunter auch Maria Ressa, die mit dem Nachrichtenportal „Rappler“ für Meinungsfreiheit und gegen Falschinformationen ankämpft und dafür im Dezember mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.

Was sich zum Guten verändert hat

Der CIVICUS-Monitor hat auch dokumentiert, wo sich in der Region die Zivilgesellschaft erfolgreich zur Wehr gesetzt hat und positiv Einfluss nehmen konnte.

In Pakistan nahmen 2021 trotz Einschüchterungen und Drohungen Tausende Frauen im ganzen Land an Frauenmärschen teil, um den Internationalen Frauentag zu begehen.

Die anhaltende Kampagnenarbeit vieler Aktivistinnen auf den Philippinen hat dazu geführt, dass der Internationale Strafgerichtshof im September 2021 eine offizielle Untersuchung wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen den Präsidenten Rodrigo Duterte einleitete.

In Südkorea nahm die Regierung restriktive Änderungen des Mediengesetzes zurück wegen des Widerstands zivilgesellschaftlicher Gruppen und der Berichte in Medien.

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Atlas der Zivilgesellschaft 2022

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