Demokratien bieten Räume, um Interessen zu verhandeln und auszugleichen. Dass das jedoch oft mit sehr ungleichen Bandagen geschieht, zeigt das Hin und Her um die europäische Lieferkettenrichtlinie. Sie ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einer Weltwirtschaft, die Menschenrechte schützt, faire Konkurrenz fördert und die Umwelt schont. Nun steht ihre massive Entkernung zur Debatte. Finanzstarke Unternehmen und Verbände setzen sich systematisch für die Abschwächung ein. Sie finden damit erschreckend leicht Gehör bei hochrangigen Politiker*innen. In Wahrheit aber, schreibt meine Kollegin Carolin Puhl, begrüßen viele fortschrittliche Unternehmen und Wirtschaftsverbände die Richtlinie – nur sind sie weniger in die Verhandlungen in Brüssel eingebunden. Ähnlich ergeht es uns Vertreter*innen der Zivilgesellschaft. Der Blog von Carolin Puhl zeigt, was jede*r von uns tun kann. „Was bringt Zivilgesellschaft?“, haben wir bei Brot für die Welt die jüngste Sendung in der Reihe „Digitaler Salon“ genannt, in der meine Kollegin Silke Pfeiffer mit dem Studierendenpfarrer Lukas Pellio aus Cottbus über solche asymmetrischen Machtverhältnisse spricht und die ich Ihnen sehr ans Herz lege. Denn das Thema ist zentral, immer und überall: Nur starke Zivilgesellschaften können sich autoritären Tendenzen in den Weg stellen und die Stimmen derer in politische Prozesse einbringen, die weniger hörbar sind. Dass die Bundesregierung gerade in Zeiten, in denen autoritäre Regime weltweit zunehmen, den Etat für die Entwicklungszusammenarbeit deutlich kürzt, ist (auch) deshalb höchst problematisch. Denn Entwicklungszusammenarbeit bedeutet zu einem Gutteil Investitionen in demokratische Resilienz, darunter die Stärkung zivilgesellschaftlicher Akteure. Diese müssen ausreichend finanziert sein, um sich effektiv für demokratische, gerechtere und friedvollere Verhältnisse einsetzen zu können. Das gilt auch in Israel/Gaza. Ich bin erleichtert, dass die letzten lebenden israelischen Geiseln frei sind und das Sterben der Menschen in Gaza endlich ein Ende haben soll. Ob auf diese lebenswichtigen ersten Schritte in der Vereinbarung zwischen der israelischen Regierung und der Hamas die notwendigen weiteren folgen, ist derzeit so ungewiss wie voraussetzungsreich. Doch klar ist: Ein mittel- und längerfristiger Frieden ist nur denkbar, wenn auch zivilgesellschaftliche Kräfte auf beiden Seiten aktiv eingebunden werden. Es sind zivilgesellschaftliche Organisationen, die inmitten einer hoffnungslos erscheinenden Lage die Verständigung nicht abreißen ließen, die unter katastrophalen Bedingungen Menschen versorgen und die durch ihre Dokumentation die Grundlage für die notwendige Aufarbeitung von Menschenrechts- und Kriegsverbrechen schaffen.
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