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Voluntourismus: Reisetrend mit Kinderschutzrisiken

Urlaubsabenteuer und gleichzeitig etwas Gutes tun? Der sogenannte Voluntourismus – eine Mischung aus Freiwilligeneinsatz und Tourismus – macht es möglich. Doch kurzzeitige Freiwilligeneinsätze im Globalen Süden bergen Risiken für das Kindeswohl. Wir appellieren daher an die Politik, sich stärker für den Kinderschutz im Kontext des Voluntourismus einzusetzen.

Von Antje Monshausen am
Der Mitarbeiter einer Partnerorganisation erklärt zwei Freiwilligen lokale Anbaumethoden

Freiwillige von Brot für die Welt im Gespräch mit einem Mitarbeiter der sambischen Partnerorganisation KDF. Brot für die Welt bietet nur längerfristige Einsätze an, auf die die Freiwilligen eingehend vorbereitet werden.

Staatlich geförderte Freiwilligendienste sind oft mit einer langen Aufenthaltsdauer und intensiven Vorbereitungszeiten verbunden. Viele Reisende möchten sich lieber kurzfristig im Urlaub engagieren und ihre Ferienzeit nutzen. Sendeorganisationen und Reiseveranstalter richten ihre Angebote zunehmend nach diesen Wünschen aus und bieten flexible Freiwilligenarbeit als attraktives touristisches Produkt an. So können sich Freiwillige im Anschluss an eine Safarireise eine Woche in einem Umweltprojekt engagieren oder drei Wochen in einem Krankenhaus mitarbeiten. Die beliebteste Form des Voluntourismus sind Einsätze, bei denen Freiwillige direkt mit Kindern in Schulen, Kindergärten oder Jugendtreffs arbeiten.

Doch viele dieser Freiwilligenangebote bergen Risiken von Entwicklungs- und Bindungsstörungen bei den Kindern in den Projekten. Im schlimmsten Fall können die Freiwilligeneinsätze sogar gravierende Kinderrechtsverletzungen, wie sexuelle Ausbeutung nach sich ziehen. Außerdem steigt durch das zunehmende Interesse an Besuchen und der Mitarbeit in Waisenhäusern die ‚Nachfrage‘ von Kinderheimen nach Waisen. Dies birgt die Gefahr, dass Menschenhändler die Not von Eltern ausnutzen, die ihre Kinder –  in der Hoffnung auf ein besseres Leben – in Obhut geben. Trotz dieser immensen Risiken existieren keine verbindlichen Sorgfaltspflichten für die kommerziellen Anbieter von Voluntourismus-Angeboten, um Kinderschutz in den Einsatzstellen im Globalen Süden zu gewährleisten.

Marktanalyse von Voluntourismus-Anbietern bietet Grund zur Besorgnis

Dies verdeutlicht erneut eine aktuelle Marktanalyse der Kinderrechtsorganisation ECPAT Deutschland und Tourism Watch bei Brot für die Welt. Im Herbst 2023 wurden 50 Angebote von 25 unterschiedlichen Voluntourismus-Anbietern auf dem deutschen Markt untersucht. Neun von ihnen bieten immer noch kurzzeitige Freiwilligeneinsätze in Waisenhäusern an – trotz der bekannten Gefahren für die Kinder. Alarmierend ist auch, dass gerade einmal die Hälfte der analysierten Anbieter ein polizeiliches Führungszeugnis von ihren Bewerber:innen fordern. Zudem werden die Freiwilligen oft unzureichend vorbereitet: 24 Prozent der untersuchten Anbieter haben keine verpflichtenden Vorbereitungsseminare im Programm, in deren Rahmen die Freiwilligen zu Themen wie Kindeswohl geschult werden. Und wenn solche Seminare stattfinden, dauern diese meist nur ein bis zwei Tage. Noch bedenklicher ist die Tatsache, dass nicht einmal die Hälfte aller Anbieter einen Verhaltenskodex implementiert hat, welcher die Teilnehmenden verpflichtet, Regeln zum Kinderschutz während des Auslandseinsatzes einzuhalten.

Kinderschutz muss auf Voluntourismus ausgeweitet werden

Im Hinblick auf die mangelnde Selbstregulierung der Voluntourismus-Anbieter fordern ECPAT Deutschland und Brot für die Welt, den Geltungsbereich für den Kinderschutz auszuweiten. In Deutschland regeln das Bundeskinderschutzgesetz und das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz den Kinderschutz in Einrichtungen und Organisationen, die mit Kindern arbeiten. Doch diese gesetzlichen Grundlagen greifen nicht außerhalb der Kinder- und Jugendhilfe und gelten damit nicht für kommerzielle Voluntourismus-Anbieter. Darüber hinaus ist das Gesetz auf Aktivitäten in Deutschland beschränkt. Einrichtungen, die Freiwilligendienste im Ausland anbieten, sind deshalb nicht verpflichtet, den Hintergrund der Bewerber:innen zu überprüfen. Dass es auch anders geht zeigt Frankreich: Dort sind Hintergrundüberprüfungen im Voluntourismus seit 2021 gesetzlich verankert.

Waisenhaustourismus endlich regulieren

Um Kinder zu schützen, muss auch endlich der ‚Waisenhaustourismus‘ als Hochrisikobereich für Kinderrechtsverletzungen stärker reguliert werden. Sowohl in kommerziellen als auch in staatlich geförderten Freiwilligendiensten sind Besuche in Waisenhäusern im Globalen Süden eine gängige Praxis. Einige Länder setzen diesem gefährlichen Trend bereits politisch entgegen. Die australische Regierung hat beispielsweise die Smart Volunteering Campaign ins Leben gerufen, um unqualifizierte und kurzfristige Freiwilligenarbeit in Waisenhäusern zu reduzieren. Auch die Niederlande koordinieren unter der Federführung des Außenministeriums interministeriell verschiedene Maßnahmen zur Regulierung des ‚Waisenhaustourismus‘.

Kinderschutzkodex von The Code politisch unterstützen

Ein zentraler Referenzrahmen für Kinderschutz im Tourismus ist die Multi-Stakeholder-Initiative The Code. Diese knüpft eine Mitgliedschaft von Tourismusunternehmen an engmaschige Kinderschutzmaßnahmen, wie die Implementierung einer Kinderschutz-Policy. Voluntourismus-Anbieter, die Mitglied bei The Code sind, dürfen außerdem keine Einsätze in Waisenhäusern anbieten. Brot für die Welt und ECPAT Deutschland empfehlen, die Umsetzung der Standards des Kinderschutzkodex von The Code politisch zu unterstützen, indem der Kodex in politische Strategien zum internationalen Tourismus stärker verankert wird.

Ein Rückgang des Reisetrends Voluntourismus ist in den nächsten Jahren nicht zu erwarten. Doch eine stärkere Regulierung kann Menschenrechtsverletzungen mindern und das Kinderwohl stärken. Es bleibt zu hoffen, dass Deutschland der guten Praxis anderer Staaten folgt.

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