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Soziale Sicherheit bei Klimaschäden und Verlusten

Zur Bewältigung der enormen Schäden geht es zunächst um eine gerechte Lastenteilung zwischen Ländern, die in unterschiedlichem Maße zum Klimawandel beigetragen haben. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie sich das Recht von Staaten auf Kompensation in Rechte der Menschen übersetzen lässt, die von Schäden direkt betroffen sind. Soziale Sicherheit kann hier einen wichtigen Beitrag leisten.

Von Nicola Wiebe am
Der Klimawandel bedroht Lebensräume in Bangadesch.

Der Anstieg des Meeresspiegels bedroht bereits jetzt Lebensräume in Bangadesch.

 

Wissenschaftler:innen schätzen die zu erwartenden Klimaschäden in Entwicklungsländern für 2030 auf 290 bis 580 Milliarden US-Dollar, für 2050 bereits oberhalb von einer Billion US-Dollar. Dabei trifft es auch und gerade die Länder, die den Klimawandel kaum zu verantworten haben Gemeinsam mit vielen Partnerorganisationen weltweit fordert Brot für die Welt deshalb Klimagerechtigkeit und die Finanzierung eines Kompensationsfonds für die Schäden, die bereits entstanden sind oder unvermeidbar eintreten werden. Dieser „Loss and Damage“-Fonds soll nach dem Verursacherprinzip finanziert und an die Länder ausgezahlt werden, die besonders verwundbar und negativ vom Klimawandel betroffen sind.

Doch wie kann das Recht eines Staates auf Kompensationszahlungen in ein Recht betroffener Individuen übersetzt werden? Wie lässt sich sicherstellen, dass einzelne Menschen relevante Unterstützung erhalten? Extreme Hitze und damit einhergehende Krankheiten bedrohen die Gesundheit vieler Menschen. Wirbelstürme, Fluten oder Dürren fordern Menschenleben. Äcker und Ernten werden vernichtet, Bauern und Bäuerinnen müssen die landwirtschaftliche Produktion umstellen oder aufgeben. Wie lassen sich solche Schäden und Verluste individuell auffangen?

Soziale Sicherungssysteme können einen Beitrag leisten          

Soziale Sicherungssysteme, deren positive Wirkung wir aus früheren Krisen bereits kennen, könnten dazu beitragen, die katastrophalen Folgen des Klimawandels zu mildern. Menschen mit sozialer Absicherung und Länder mit sozialen Sicherungssystemen sind besser durch die Pandemie gekommen und konnten sich anschließend wirtschaftlich schneller erholen. Fast alle Länder weltweit haben während der Pandemie zumindest ein Programm der sozialen Sicherheit genutzt oder neu aufgelegt, wenn auch mit sehr unterschiedlicher Reichweite. Soziale Sicherungssysteme könnten mit ihren verschiedenen Instrumenten auch Beiträge zum Umgang mit Schäden und Verlusten in der Folge des Klimawandels leisten.

Zu sozialer Sicherheit zählt das Recht auf präventive und kurative Gesundheitsdienstleistungen, aber auch auf finanzielle Existenzsicherheit, beispielsweise beim Verlust einer Ernte durch eine Dürre oder der gesamten wirtschaftlichen Existenzgrundlage in einem Wirbelsturm. Hinterbliebenenrenten können bei einem Todesfall die finanziellen Härten für die Familie abfedern. Eine verlässliche, einklagbare soziale Absicherung kann die Geschädigten bei der Überwindung der Krise so unterstützen, dass eine dauerhafte Verarmung vermieden und neue Wege möglich werden.

Soziale Sicherungssysteme reduzieren die Verwundbarkeit von Menschen bereits im Vorfeld und unterstützen die Anpassung an den Klimawandel. Eine Möglichkeit sind „Cash Plus“- Programme: Sozialtransfers und Beratungsleistungen erlauben Menschen, kleine Investitionsrisiken einzugehen, beispielsweise veränderte landwirtschaftliche Anbaumethoden oder alternative Einkommensquellen zu testen. Auch Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik wie Arbeitsvermittlung, Umschulung oder Weiterbildung sind klassische Instrumente, die dazu beitragen, dass Menschen nicht zurückgelassen, sondern neu integriert werden. In Programmen der öffentlichen Beschäftigung könnten außerdem direkt Maßnahmen wie der Bau von Dämmen oder Bewässerungsanlagen für betroffene Gemeinden umgesetzt werden.

Gut durchdachte Soziale Sicherungssysteme könnten dabei nachhaltiger als projektbezogene Ansätze oder humanitäre Einsätze nationale Entwicklungsziele voranbringen. Sie sind darüber hinaus in der Lage, zur sozial-ökologischen Transformation beizutragen. Entstehen beispielsweise durch den Abbau klimaschädlicher Subventionen oder Arbeitsplätze soziale Härten, so könnten diese durch progressiv ausgestaltete Sozialleistungen kompensiert werden. Das würde gesellschaftliche Umverteilung fördern und eine gerechtere Transformation ermöglichen.

Reaktionsfähige Sicherungssysteme sind notwendig

Voraussetzung dafür sind starke und kohärente nationale Soziale Sicherungssysteme, die auf die enormen kollektiven Risiken vorbereitet sind, die der Klimawandel mit sich bringt. In vielen Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen sind die Systeme jedoch noch extrem schwach, die Reichweite unzureichend und die Leistungen gering. Es ist deshalb notwendig, in den Auf- und Ausbau Sozialer Sicherungssysteme zu investieren, die in der Lage sind, alle Einwohner:innen eines Landes zu erreichen und mit klimawandelbezogenen Krisen umzugehen. Mittel aus dem „Loss and Damage“-Fonds und weiteren Finanzierungsinstrumenten der Klimafinanzierung sollten dafür vorausschauend eingesetzt werden. Beispielsweise könnten Mechanismen für eine schnelle Ausweitung oder bedarfsgerechte Anpassung von Programmen vorbereitet werden. Auszahlungen könnten bereits dann erfolgen, wenn Frühwarnsysteme eine Dürre für wahrscheinlich halten. Es sollte eine Koordinierung mit dem Katastrophenrisikomanagement und den humanitären Sektoren stattfinden. Mechanismen zur Finanzierung von Katastrophenrisiken müssen eingerichtet werden.

Die zu erwartenden Schäden des Klimawandels sind gravierend. Eine gerechte, globale Lastenteilung muss jetzt beginnen, damit die besonders negativ betroffenen Staaten systemische Lösungen entwickeln können. Dann können Kompensationsleistungen einen relevanten Unterschied machen und neue Chancen eröffnen –  für jede:n Einzelne:n und für eine gesellschaftliche Transformation, die niemanden zurücklässt.

 

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Kleinbäuerin Claudine Hashazinyange mit Avocados vom Baum ihres Schwiegervaters.

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