Interview

Repression und Tote bei Protesten in Peru

Im Dezember wurde Präsident Castillo durch den Kongress von seinem Amt enthoben. Zuvor hatte er versucht, den Kongress aufzulösen, nachdem er seit seinem Amtsantritt 2021 ständigen Angriffen der Opposition ausgesetzt war. So gipfelte die politische Krise in breiten Protesten der Bevölkerung, mehrheitlich in Unterstützung von Castillo. Francisco Cueva von unserem Partner ARARIWA dazu im Interview

Von Jonatan Pfeifenberger am
Protest Peru Unterdrückung

"Weg mit der Putschregierung" und "Neuwahlen für die Demokratie" sind Forderungen von Protestierenden in Juliaca, Peru

Lieber Herr Cueva, in Peru kommt es seit der Amtsenthebung von Präsident Pedro Castillo seit vielen Wochen landesweit zu Protesten. Diesen wird von staatlichen Einsatzkräften teils mit großer Gewalt begegnet. Wie sehen Sie als Direktor von ARARIWA, einer Partnerorganisation von Brot für die Welt, die aktuelle politische Situation?

Die Verhängung des Ausnahmezustands durch die Übergangspräsidentin Dina Boluarte, die gewaltsame Unterdrückung der Proteste und massive Menschenrechtsverletzungen haben bisher bereits zu 50 Toten in der südlichen Andenregion geführt. Die Empörung der am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen hat sich dadurch noch weiter verstärkt, gerade im ländlichen Raum. Ein beträchtlicher Teil der Landbevölkerung hält sich derzeit wegen der Proteste in den großen Städten im Süden wie Cusco, Puno, Arequipa und der Region Apurímac auf. Viele Delegationen reisen gerade zudem in die Hauptstadt Lima.

Die Regierung hat bisher nur mit Ablehnung auf die Forderungen der Protestierenden reagiert. Unterstützt wird die Repression auch von einer breiten konservativen Koalition, die neben öffentlichen Institutionen auch die einflussreichen Medien und das Militär kontrolliert.

Trotz deren Unterstützung zeigt sich in der Bevölkerung eine große Ablehnung gegenüber der amtierenden Regierung von Boluarte. Sie wird laut einer aktuellen Umfrage nur von 19 % der Peruaner:innen unterstützt, der Kongress sogar von nur 9 %. Rund 65 % identifizieren sich mit den Protesten und 50 % meinen, dass Militär und Polizei unverhältnismäßig Gewalt angewendet haben.

Erschwert der Ausnahmezustand die Arbeit von ARARIWA und wenn ja, wie?

Wie haben unsere Präsenz in den Gegenden, die militarisiert wurden und wo die Bevölkerung aufgrund der Repression gefährdet ist, aufrechterhalten. Wir unterstützen die Proteste soweit wir können. Wir haben die lokalen Verwaltungsstrukturen ermutigt, präsent und aktiv zu bleiben. Beeindruckend ist auch die untereinander abgestimmte und rotierende Mobilisierung der Gemeinden für die Organisation von Protesten.

Die Projektarbeit von ARARIWA wie der Aufbau von Kapazitäten, die technische Beratung und die Verbreitung unserer inhaltlichen Agenda ist durch die ständige Mobilisierung der Bevölkerung und die Gefahr der gewaltsamen Repression von Veranstaltungen derzeit aufgrund des Ausnahmezustands stark eingeschränkt.

Wie sind die Zielgruppen der Projektarbeit von ARARIWA durch die aktuelle Situation betroffen?

Sie sind durchgehend dem Risiko willkürlicher Verhaftungen und Aggressionen ausgesetzt, wenn sie ihr Recht auf Protest wahrnehmen. Sie haben zudem Schwierigkeiten an ihre benötigten Mittel für den Eigenbedarf und die Produktion ihrer Waren zu kommen und ihre Produkte dann auch auf die Märkte zu bringen. Außerdem sind die Preise für lebensnotwendige Güter durch die Straßenblockaden gestiegen.

Welche Lösung für die derzeitige Lage sehen Sie und was erhoffen Sie sich für die Zukunft?

Der Wunsch eines Großteils der Bevölkerung ist die Schaffung von Räumen für einen Dialog, in dem sie ihre wichtigsten Forderungen der Proteste vorbringen können: der Rücktritt von Präsidentin Boluarte, die Vorverlegung der Wahlen auf 2023 und ein Referendum, das über die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung entscheidet.

Der Verlust der Legitimität der politischen Klasse und der Institutionen macht es notwendig, auf die Unterstützung des Systems der Vereinten Nationen und der OAS zu zählen, um einen von allen Parteien akzeptierten Verhandlungstisch zu gestalten.

Das Szenario, das ich persönlich erwarte, sind vorgezogene Wahlen noch in diesem Jahr oder spätestens im April 2024 sowie die Wahrung der Autonomie des Wahlsystems, das gerne von der extremen Rechten kontrolliert werden möchte.

Als schwierig, aber nicht unmöglich blicke ich auf einen Rücktritt von Präsident Boluarte und die sofortige Ausrufung verfassungsmäßig vorgeschriebener Wahlen.

Lieber Herr Cueva, vielen Dank für die Eindrücke und das Gespräch!

Francisco Cueva ist Direktor von ARARIWA, einer Partnerorganisation von Brot für die Welt in Peru

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