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Hilfe zur Selbsthilfe statt Geschenke

Josephine Tarus ist Projektkoordinatorin bei ADS North Rift. Die 57-­Jährige hat in Nairobi Soziologie und Organisationsentwicklung studiert und arbeitet seit 30 Jahren für die Partnerorganisation von Brot für die Welt. Im Interview erklärt sie, wie sich ihre Arbeit mit der Zeit verändert hat.

Von Online-Redaktion am
Josephine Tarus, Projektkoordinatorin bei ADS North Rift

Josephine Tarus, Projektkoordinatorin bei ADS North Rift

Frau Tarus, seit 2018 führen Sie im Westen und Nordwesten Kenias ein Projekt zur Ernährungssicherung und zur Anpassung an den Klimawandel durch. Sie arbeiten mit 14.000 Haushalten. Wie starten Sie solch ein Programm?

Zunächst wenden wir uns an die Bezirks­verwaltungen. Sie wissen, wo die Herausforderungen am größten sind. Und sie vermitteln uns die nötigen Kontakte. Vor Ort stellen wir unsere Herangehensweise dann auf einer öffentlichen Informationsveranstaltung vor und beant­worten dort auch die Fragen der Menschen. Wer möchte, wird in unser Projekt aufgenommen.

Wie sieht die konkrete Zusammenarbeit aus?

Zu Beginn ist das Wichtigste, dass die Menschen ihre eigene Situation besser verstehen. Dafür bieten wir Workshops an mit dem Ziel, dass die Menschen ihre größten Probleme, aber auch ihre Potentiale identifizieren.  

ADS North Rift wurde 1984 gegründet. Kennen Sie die Probleme der Menschen da nicht inzwischen?

Das dachten wir anfangs auch. Schließlich waren wir vom Fach und meinten zu wissen, was die Menschen brauchen. Wir beschäftigten Spezialistinnen und Spezia­listen für unterschiedliche Themen: Ernährung, Wasser, Bildung, Gesundheit, Hygiene... Fachteams zogen von Dorf zu Dorf, um die Probleme der Menschen zu lösen. Wir stellten Saatgut bereit, bohrten Brunnen, richteten Wasserleitungen ein und leisteten soziale Arbeit. Aber als wir nach einigen Jahren die Wirkung unserer Projektarbeit untersuchten, stellten wir ernüchtert fest: Die Menschen hatten immer noch dieselben Probleme wie vorher. Es war frustrierend. Wir hatten so viel investiert, waren aber auf der Stelle getreten.

Woran lag das?

Wir fanden heraus, dass wir zwei fundamentale Fehler begangen hatten: Erstens haben wir die Menschen gar nicht gefragt, was sie eigentlich brauchen, sondern unsere eigenen Annahmen getroffen. Zweitens haben wir die Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner entmündigt. Wir haben sie schwach gemacht, indem wir ihnen Dinge geschenkt haben, ohne dass sie selbst etwas dafür tun mussten. Dadurch signalisierten wir, wenn auch ungewollt: „Ohne uns schafft ihr es nicht.“

Und beides haben Sie inzwischen geändert?

Wir haben uns um 180 Grad gedreht. Wir treten nicht mehr als Expertinnen und Experten auf, als Allwissende, sondern als Lernende. Besonders am Anfang des Prozesses stellen wir vor allem Fragen. Wir bringen die Menschen dazu, ihr Leben, ihre Gemeinschaft und ihre finanzielle Situation zu reflektieren und ihre Erkenntnisse gemeinsam festzuhalten. Auf diese Weise finden sie heraus: Was läuft gut bei uns ‒ und was wollen wir ändern?

Wie unterstützen Sie die Menschen, wenn es um die Lösungen geht?

Wir versuchen aufzuzeigen, wie die Dinge miteinander zusammenhängen. So kann es zum Beispiel sein, dass ein Fluss, der für die Wasserversorgung der Menschen eine große Bedeutung hat, austrocknet. Der Grund: Am Ufer wachsen Eukalyptusbäume, die sämtliches Wasser aus der Erde ziehen. Hier bietet es sich an, die Bäume zu fällen und mit etwas Abstand zum Ufer andere Sorten zu pflanzen. Zentral ist es außerdem, effiziente Anbaumethoden anzu­wenden, über seine Finanzen Bescheid zu wissen und die eigenen Rechte als Bürgerinnen und Bürger zu kennen. Wo wir selbst über das nötige Wissen verfügen, vermitteln wir es in Workshops. In anderen Fällen laden wir Fachleute ein oder ermuntern die Projektteilnehmenden dazu, sich gegenseitig über ihre Erkenntnisse auszutauschen. Wir mögen also mehr Erfahrung in manchen Dingen haben oder auch Fachwissen, das wir teilen. Aber ob sie eine bestimmte Lösung umsetzen wollen, entscheiden die Menschen selbst. Sie sind die Experten für ihr eigenes Leben, nicht wir.

Wie würden Sie Ihre Rolle stattdessen beschreiben?

Wir sind wie Hebammen. Die Mutter muss ihr Kind aus eigener Kraft gebären. Eine Hebamme kann ihr die unglaub­liche Anstrengung der Geburt nicht abnehmen. Aber sie kann ihre Hand halten und sagen: „Das machst du gut.“ Sie kann sie unterstützen, ihr zur Seite stehen.

Haben Sie ein konkretes Beispiel?

Nehmen wir eine Gemeinde, die herausgefunden hat, dass ein Regenwassertank dem Dorf sehr nützen würde. Früher hätten wir vielleicht einen Plastiktank gekauft und ihn ins Dorf gebracht. Heute ermuntern wir die Menschen dazu, ein Loch auszuheben und den Tank selbst zu bauen. Wo die nötigen Fähigkeiten fehlen, unterstützen wir sie, diese zu erlernen. Und wir bieten nach wie vor materielle Unterstützung, aber in deutlich reduzierter Form. Wir stellen zum Beispiel Zement und andere Materialien zur Verfü­gung. Aber maximal die Hälfte. Den Rest müssen die Men­schen selbst beschaffen.

So sparen Sie Ressourcen, die Sie an anderer Stelle einsetzen können?

Ja, aber noch wichtiger ist, dass die Menschen die Verantwortung über ihr Leben wiedererlangen. Welche Mutter würde ein Kind, das sie auf die Welt gebracht hat, im Stich lassen? Welche Dorfgemeinschaft würde ein Projekt, das ihr aus eigener Kraft gelungen ist, nach kurzer Zeit vernachlässigen? Wenn früher eine Pumpe oder eine Straße kaputtgingen, haben die Menschen gewartet, dass wir kamen und sie in Ordnung brachten. Heute sieht das anders aus: Die Straße, die Pumpe, der Tank ‒ es sind ihre Erfolge, ihre Babys. Und Eltern wollen schließlich nichts lieber, als dass ihre Babys groß und stark werden.

 

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