Interview

Schweigen ist keine Option

Die Investigativjournalistin Marcela Turati erhält für ihre mutige Arbeit die Theodor-Heuss-Medaille.

Von Anne-Katrin Mellmann am
Journalistin Marcela Turati

Marcela Turati, Investigativjournalistin

Wie ist das Leben für Journalisten in Mexiko?

Für Lokaljournalisten ist es besonders gefährlich, weil sie häufig über Korruption oder Kriminalität berichten müssen. Sie können sich nicht verstecken, wenn sie in Gefahr geraten. Allgemein gilt: Wer als Journalist besonders kritisch ist, wird auf vielen Ebenen dafür bestraft, zum Beispiel auf Social-Media-Kanälen. Unser eigener Präsident stigmatisiert kritische Journalisten in seiner täglichen morgendlichen sogenannten Pressekonferenz. Journalisten werden umgebracht, bedroht, eingeschüchtert oder man lässt sie verschwinden. Manche ziehen die Konsequenz, sich eine andere Arbeit zu suchen. Es ist so abschreckend, dass immer wenige junge Menschen diesen Beruf wählen.

Frau Turati, warum lassen Sie nicht die Finger von Ihrem Beruf?

In meiner Arbeit begleite ich Opfer verschiedener Formen von Gewalt, vor allem Angehörige von Verschwundenen. In Mexiko sind Zehntausende Menschen verschwunden. Ich fühle mich ihnen verpflichtet. Das Thema ist sehr wichtig. Für Journalisten ist Schweigen keine Option.

Wer schützt Sie?

Netzwerke von Journalisten, Menschenrechtsverteidiger:innen. In Mexiko gibt es zwar einen sogenannten Mechanismus zum Schutz von Journalisten, aber der funktioniert nicht. In manchen Fällen bewirkt er sogar das Gegenteil, weil Journalisten durch ihn erst exponiert werden.

Was ist mit der Gesellschaft? Stellt sie sich nicht schützend vor Journalisten in dem Bewusstsein, dass sie wichtig für die Demokratie sind?

Die Angriffe auf uns und die Journalistenmorde sind Normalität geworden. Manche meinen, in einem Land, in dem Politiker und Polizisten ermordet werden, ist es auch normal, dass Journalisten sterben. Viele verstehen nicht, warum Journalisten ermordet werden. Wenn das geschieht, sind wir Journalist:innen oft die einzigen, die auf die Straße gehen um dagegen zu protestieren. Niemand steht uns bei. 

Wie genau engagiert sich Ihr von Brot für die Welt gefördertes Projekt „Quinto Elemento Lab“?

Wir haben es mit vier Journalist:innen zu einem Zeitpunkt gegründet, als die Verfolgung durch die Regierung sehr stark war. Wir haben einen Raum geschaffen, der es ermöglicht, Journalist:innen zu unterstützen, die zu schwierigen Themen arbeiten, damit sie weitermachen können und sie niemand zum Schweigen bringt. Wir stellen finanzielle Mittel bereit, begleiten in allen Bereichen, die für eine Veröffentlichung notwendig sind. Aber vor allem helfen wir mit unserem Netzwerk, damit die Recherchen auch wirklich an die Öffentlichkeit gelangen und eine Wirkung erzielen. Wir recherchieren auch selbst. In meinem Fall haben wir eine Website erstellt, auf der es um Verschwundene geht.

Warum heißt Ihr Projekt „Quinto Elemento Lab“ - also Labor des Fünften Elements?

Als die Erde entstand, waren da die vier Elemente (Erde, Feuer, Wasser, Luft), und das fünfte Elemente gab den Funken. Und Labor, weil wir gern experimentieren, Formate entwickeln, auf andere Weise recherchieren und Geschichten erzählen.

Bedeutet es Schutz, dass Sie Unterstützung aus dem Ausland erhalten, unter anderem von Brot für die Welt?

Nein, im Gegenteil. Aktuell gibt es Angriffe auf alle, die Unterstützung erhalten, vor allem, wenn sie aus dem Ausland kommt. Es ist eine regelrechte Verfolgung. Das sieht man gut in den Pressekonferenzen des Präsidenten Andrés Manuel Lopéz Obrador: Wenn ihm Recherchen nicht gefallen, stellt er die Journalist:innen an den Pranger und ihre Unterstützer gleich dazu, auch wenn es sich um ausländische Regierungen handelt. 

Als bekannt wurde, dass viele Journalist:innen in Mexiko mit der Überwachungssoftware Pegasus ausgespäht wurden, stand auch Ihr Name auf der Liste. Sie haben Ihre gesamte Kommunikation abgefangen. Womit hatten Sie provoziert?

Alle Gründer:innen von „Quinto Elemento Lab“ wurden ausgespäht. Ich schrieb außerdem für ein kritisches Nachrichtenmagazin und recherchierte den Fall der verschwundenen Studenten von Ayotzinapa. Vermutlich war letzteres entscheidend. Außerdem interessierte sich die Generalstaatsanwaltschaft für mich, weil ich über das Massaker von San Fernando im Jahr 2010 recherchierte, bei dem 72 Migrant:innen vom Drogenkartell Los Zetas ermordet wurden.

Und die aktuelle Regierung, die einem anderen politischen Lager angehört, macht weiter…

Ja, es geht weiter. Sie ermitteln gegen mich und andere wegen Mitgliedschaft in einer Gruppe der  organisierten Kriminalität, die sich auf Entführung und Erpressung spezialisiert hat. Mit diesem Vorwurf wurden die Ermittlungen eröffnet und unter diesem Vorwand verlangten sie die Herausgabe meiner gesamten Kommunikation - wen ich angerufen und wen ich getroffen habe. Sie ermitteln gegen mich so wie gegen das Kartell „Los Zetas“, die eigentlichen Verbrecher. Die aktuelle Regierung hat das nicht gestoppt. Überall sitzen dieselben Funktionäre wie unter der Vorgängerregierung. Und diese Regierung nutzt weiterhin die Spähsoftware Pegasus. Es hat sich nichts verändert. 

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