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EU-Fischereireform - auf Fang in fernen Gewässern

Fisch ist in vielen Küstenstaaten der Welt für die lokale Bevölkerung ein proteinreiches Grundnahrungsmittel. Auch in den reichen Ländern Europas werden Fisch und andere Meerestiere als gesunde Nahrungsmittel immer stärker nachgefragt. Doch die einheimischen Gewässer stillen den wachsenden Appetit schon lange nicht mehr. Die Hälfte der EU-Importe stammt aus Gewässern des Globalen Südens.

Von Francisco Marí am
Handwerkliche Fischerei in Westafrika

Die handwerkliche Kleinfischerei in Westafrika beklagt, dass die Fischgründe vor den Küsten leer gefischt sind und viel zu wenig Fisch zur Versorgung der Bevölkerung zur Verfügung steht. Der soeben veröffentlichte EU-Vorschlag für eine bessere Umsetzung der europäischen Fischereipolitik (GFP) will dem Rechnung tragen und für mehr Gerechtigkeit auf den Weltmeeren sorgen. Tut er das auch?

Reformwillen und Reformstau

In einem Grünbuch hatte die EU-Kommission 2009 selbstkritisch Vorschläge zu einer „umfassenden, tiefgreifenden Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik und ein neues Engagement des Fischereisektors“ gefordert. Ein großer Wurf war gefragt, „der die eigentlichen Ursachen für den Teufelskreis anpackt, in dem die europäische Fischerei seit mehreren Jahrzehnten gefangen ist“. Die angestrebte Wende wurde mit der Verordnung der gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) festgezurrt. Sie regelt seitdem, kurz gesagt, wer wann wo wie viel in EU-Gewässern fangen darf und das gilt auch auf den Weltmeeren, wenn unter der Flagge eines Mitgliedslandes der EU gefischt wird.  

Im Blick auf die Gestaltung der EU-Fischereipolitik mit Drittstaaten ist die sogenannte Externe Dimension eine tragende Säule. Brot für die Welt und Fair Oceans in Deutschland sowie dem europäischen Netzwerk CFFA und dem Partnerverband der handwerklichen Fischerei in Afrika CAOPA gingen die damals festgelegten Maßnahmen für eine gute Fischereipolitik aus Perspektive der Kleinfischerei im Globalen Süden nicht weit genug. Und heute? Bemängelt wird, dass sich längst nicht alle Fischereiaktivitäten von EU-Unternehmen und Fangschiffen den Nachhaltigkeitskriterien der EU-Fischereipolitik unterwerfen müssen.

Den Vorwurf, dass die EU-Flotten zu Ernährungsunsicherheit und Ausbeutung beitragen würden, wollen die Macher:innen der Reform entkräften. Partnerschaft und Nachhaltigkeit sollten als Leitmotive gelten, um Abkommen mit Drittstaaten zukünftig fairer zu gestalten. Das wichtigste Instrument sind in der EU-Fischereiverordnung die Kapitel zur Externen Dimension. Sie bilden die Grundlage für die EU-Kommission, Zugangsabkommen für die EU-Fernfangflotte unter anderem mit afrikanischen Küstenländern abzuschließen. Diese Vereinbarungen werden Nachhaltige Fischerei-Partnerschaftsabkommen (SFPAs) genannt. Die EU-Flotte darf ihre Netze in der sogenannten 200-Seemeilenzone der Partnerländer nur noch dann auswerfen, wenn überschüssige Bestände ausgemacht werden. Der sogenannte Überschuss, den ein Land nicht selbst befischen kann, muss wissenschaftlich belegt sein. Es gilt dabei das Prinzip, dass die an Dritte freigegebenen Fangarten nicht überfischt sein dürfen und nicht dringend für die Ernährung der Bevölkerung gebraucht werden. Leider beziehen sich die Ergebnisse der Untersuchungen immer nur auf die Seegrenzen von Einzelstaaten. Viele Fangarten jedoch, die für die Küstenbevölkerung als Nahrung wichtig sind – bestimmte Sardinellen- und Makrelenarten etwa – sind sogenannte wandernde Arten. Das hat Folgen für die Ernährungssicherheit: Fische halten sich nicht an Seegrenzen und laichen zum Beispiel in weit entfernt gelegenen Gebieten, dort wo diese Arten gute Bedingungen für die Aufzucht haben. Sie wandern dann erst wieder ab einer gewissen Mindestgröße in die ursprünglichen Fanggebiete ein. Wenn sie auf ihren Wanderungen aber die Seegrenzen mehrerer Länder passieren, besteht die Gefahr, dass die Arten in den jeweiligen Küstengewässern weggefischt werden und die Bestände in der Folge zurückgehen. Zusätzlich stehen dann zu wenig Fischmengen in den Nachbarländern zur Verfügung, wo sie für die Nahrungssicherung vielleicht wichtiger sind. Unsere größte Sorge gilt dabei den hohen Fangquoten für Fangschiffe in Mauretanien, obwohl in den mauretanischen Gewässern eigentlich ausreichend Fisch vorhanden ist. Wenn aber dort zu viel abgefischt wird, fehlt der Fisch in der ganzen Region, zum Beispiel in den Nachbarstaaten Senegal, Gambia oder Guinea. Brot für die Welt und seine Partner in Brüssel und Westafrika setzen sich daher dafür ein, dass die wissenschaftliche Bestandserhebung regional über Staaten hinweg stattfindet, bevor Fischwärme für den Fang durch EU-Flotten in einzelstaatlichen Abkommen freigegeben werden. Leider überwiegt das Eigeninteresse Mauretaniens, in dem weder eine nennenswerte Kleinfischerei noch größerer Fischkonsum existiert.

Zum Glück allerdings sehen nur wenige Abkommen den Fang von Arten vor, die zur Ernährung der afrikanischen Bevölkerung dienen. Der erlaubte Fang durch die EU-Trawler in Mauretanien von bis zu jährlich 200.000 Tonnen der nährreichen kleinen Schwarmfischarten (Sardellen, Makrelen, Hering) wird an Bord eingefroren, in westafrikanischen Häfen verkauft und dort zur Verarbeitung und Ernährung genutzt.

Bei den allermeisten anderen Fischereiabkommen mit Drittländern handelt es sich hauptsächlich um Vereinbarungen zum Fang von Thunfischbeständen und verwandten Arten, vor allem im Ostatlantik und im Indischen Ozean. Auf diese Bestände haben die EU-Trawler ein Anrecht über die internationalen EU-Thunfischquoten. Da auch der Thunfisch sich nicht an Seegrenzen hält, sichern die Abkommen, dass die Fangschiffe auch in den Gewässern der Partnerstaaten ihre Quote abfischen können, ohne das Seerecht zu verletzten. Dafür erhalten die Partnerstaaten eine Kompensation. Hier besteht die Sorge, dass beim Thunfischfang mit Netzen zu viel Beifang die Bestände dezimiert. Kritisiert wird aber auch, dass zu wenig vom Wert des wertvollen Thunfischs als Wertschöpfung (Anlandung, Verarbeitung) im Partnerland übrigbleibt. Eine Ausnahme ist die Côte d’Ivoire, wo der angelandete Thunfisch gleich in einer Dosenfabrik in Abidjan verarbeitet wird und hunderte Arbeitsplätze und Einkommen schafft. Nicht ganz so edle Thunfische werden von Frauen vor Ort in Stücken geräuchert und weiterverkauft.

Wohin geht die Reise?

Die Fischereiabkommen mit Entwicklungsländern sollen beiden Seiten Vorteile bringen. Im Gegenzug für die Fangrechte gewährt die EU den Partnerländern eine finanzielle Gegenleistung aus Steuermitteln, neben einem geringeren Beitrag der Schiffseigner. Einen Teil dieser Mittel müssen die Partnerstaaten in den Fischereisektor investieren, beispielsweise in den Ausbau von Fischereihäfen und Markt- oder Verarbeitungsstätten. In einer kürzlich veröffentlichten Evaluierung der gemeinsamen Fischereipolitik der EU  wird betont, dass 33 Prozent der geleisteten Unterstützung zwischen 2015 und 2020 letztlich dem lokalen Fischereisektor zugutekamen. Dies umfasst eine Vielzahl von öffentlichen Fördermaßnahmen, darunter den Ausbau von Anlandeplätzen für die Fangboote der Kleinfischerei für Kühlung und Fischverarbeitung, das Bereitstellen von Sicherheitsausrüstung für die Fischer, Anreize wie Darlehen oder Zuschüsse für die Modernisierung oder Anpassung handwerklicher Flotten.  Nach Auffassung der ehemaligen Europaparlamentsabgeordneten Isabella Lövin, die den Evaluierungsprozess als Berichterstatterin für die Externe Dimension begleitet hat, sei die gemeinsame Fischereipolitik heute besser auf die Ausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit der EU abgestimmt und der Geldfluss zur Unterstützung der Partnerländer sei transparenter geworden. Wie schätzen aber Partnerorganisationen von Brot für die Welt die Reformerfolge der EU-Fischereipolitik ein?

Im Mai 2023 reisten Delegierte aus der afrikanischen Kleinfischerei auf Einladung von CFFA und Brot für die Welt nach Stockholm und Brüssel. Im Mittelpunkt stand der Austausch mit Fachleuten sowie Mitgliedern des Europäischen Parlaments zur Frage, wie die Bilanz über die Fischereiabkommen und deren Umsetzung aus der Perspektive des globalen Südens ausfällt. Gaoussou Gueye, Präsident von CAOPA, legte den Finger in die Wunde, als er beklagte, dass niemand aus der Kleinfischerei in den Ländern, mit denen die EU die Fischereiabkommen abgeschlossen hat, wisse, was eigentlich mit den Geldern, die für den Fischereisektor bestimmt seien, genau gemacht werden würde, ganz zu schweigen darüber, ob die unterstützten Maßnahmen wirksam seien. Weder Vertreter der handwerklichen Fischer noch der Zivilgesellschaft seien an der Planung dieser Maßnahmen beteiligt noch an ihrer Durchführung und noch weniger an ihrer Bewertung, argumentierte Gueye. Es müsse sichergestellt werden, dass ein Teil dieser Mittel zur Unterstützung der handwerklichen Fischerei verwendet werde; praktische Maßnahmen könnten zum Beispiel die Ausbildung von Kapitänen auf den Pirogen im Hinblick auf die Sicherheit auf See sein oder die Unterstützung von Ko-Management-Initiativen.

Auch die Unterstützung der Frauen, die auf allen Stufen der Wertschöpfungskette der handwerklichen Fischerei in Afrika vertreten sind, ist noch mangelhaft. Ihre Arbeits- und Lebensbedingungen auf den Anlandestellen und Verarbeitungsplätzen sind oft katastrophal. Die sektorale Unterstützung der EU in Verbindung mit Entwicklungsprojekten könnte die Situation von Frauen und ihren Familien verbessern, indem Frauen endlich an den Fischverarbeitungsstätten den Zugang zu Trinkwasser, Strom, Abwassersystemen und sanitären Anlagen erhielten und sie bei der Anschaffung solarbetriebener Kühlschränke und neuer rußfreier Öfen zur Verarbeitung des Fischs unterstützt werden würden.

Ein anderes Problem wurde in Brüssel als wichtige Herausforderung dargestellt. Die Fischereiabkommen mit der Europäischen Union seien in puncto Transparenz zwar als hoch einzustufen, sagte eine Delegierte. Doch in vielen Ländern würden grundlegende Informationen darüber, wie viele industrielle Fischereifahrzeuge aus anderen Ländern Lizenzen erhalten oder besitzen, welche Mengen Fisch sie fangen dürfen und wie viel sie bezahlen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit behandelt.

Joint-Ventures - auch ohne Abkommen auf Fischfang in Afrika

Es geht hier um die sogenannten Joint-Ventures, afrikanisch-europäische Gemeinschaftsunternehmen, die überall an der Küste Westafrikas eine Blüte erleben. Unternehmen, die scheinbar zu 51 Prozent einem einheimischen Investor aus dem Süden gehören, werden in Wirklichkeit von ausländischen Schiffseignern (EU, China, Südkorea) dominiert. Der Schiffseigner lässt sein Schiff auf ein sogenanntes Gemeinschaftsunternehmen umschreiben. Das bedeutet, ein ausländisches Fangschiff kann dann unter der Flagge eines afrikanischen Landes dieselben Rechte auf Fangquoten erwerben wie die Kleinfischer zum Beispiel in Ghana, Senegal oder Guinea. Dieses „Ausflaggen“ wird vor allem von China, Südkorea und Russland betrieben, doch auch europäische Unternehmen aus Spanien, Frankreich und Griechenland flaggen ihre Schiffe um. Sie fischen dann unter den oft wenig nachhaltigen Fangregeln der afrikanischen Staaten und können kaum überwacht werden. Wenn die Europäische Union in ihren Fischereiabkommen die Gründung von Joint Ventures fördern wolle, so „fordern wir die Schaffung eines Regelungsrahmens für Joint Ventures, der für alle Schiffe ausländischer Herkunft gilt und sicherstellt, dass diese Gemeinschaftsunternehmen transparent arbeiten, nicht mit der handwerklichen Fischerei konkurrieren und zu den Entwicklungszielen des betreffenden Landes beitragen“ (Raissa Nadege Leka Madou, CAOPA, Cote d’Ivoire).

Umsetzung verbessern statt neue Fischereiverordnung

Aus Sicht der Zivilgesellschaft und der Kleinfischerverbände dürfen die Erfolge der Bestimmung zur Externen Dimension in der EU-Fischerverordnung bei einer Neuformulierung nicht verwässert werden. Dazu gehört, dass es nur bei Fischüberschuss Fanglizenzen gibt, dass ein Teil der Kompensation in den Fischereisektor investiert werden muss und dass die Regeln für EU-Schiffe auch für alle anderen Fangboote gelten.  

Die Tendenz in Brüssel ist, auch alle anderen Artikel in der EU-Grundverordnung, die die Fischerei innerhalb der EU selbst betreffen, nicht neu zu verhandeln, sondern daranzugehen, die guten Ansätze der 2013-Reform endlich auch an Nord- und Ostsee, im Nordatlantik und vor allem im Mittelmeer umzusetzen. Die Externe Dimension ist dabei ein gutes Beispiel. Daher fordern Brot für die Welt und seine Partner, eine bessere Umsetzung der Verordnung zu erwirken, die an den oben beschriebenen Stellschrauben dreht, statt die gesamte EU-Fischereiverordnung neu zu verhandeln. Es geht um Transparenz bei den Unterstützungsleistungen für die Kleinfischerei und mehr Mitbestimmung in den gemeinsamen Ausschüssen der Fischereiabkommen, die die Ausgestaltung der Fangbedingungen für EU-Fangschiffe regelmäßig überprüfen.

Cornelia Wilß (Passage-Agentur für WeltThemen) hat die Verfassung dieses Blogs mit Recherchen und Textbeiträgen unterstützt.

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