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Ein Freispruch für die Seenotrettung

Seit 2017 haben die italienischen Behörden gegen Teile der Crew der Iuventa und anderer Rettungsschiffe wegen mutmaßlicher Schlepperei ermittelt, was zum bisher größten Prozess gegen Seenotretter:innen in der EU führte. Das zuständige sizilianische Gericht hat den Fall Mitte April abgewiesen. Insgesamt nimmt die Kriminalisierung von Helfer:innen und Geflüchteten in Europa stark zu.

Von Christine Meissler am
Iuventa Seenotrettungsschiff

Nach knapp sieben Jahren wurde jetzt der Prozess eingestellt.

Kriminalisierung der Helfer:innen

Das Verfahren drehte sich um zwei Rettungseinsätze der Iuventa der deutschen NGO Jugend Rettet. Bei den beiden Einsätzen im September 2016 und im Juni 2017 nahm die Crew der Iuventa in lybischen und internationalen Gewässern 404 Schiffbrüchige an Bord. Die italienische Staatsanwaltschaft warf den angeklagten Seenotretter:innen – vier deutschen Crew-Mitgliedern der Iuventa und weiteren Crew-Mitgliedern von Save the Children und Médecins sans frontière vor, in „krimineller Absicht“ Ausländer zum Zweck der „irregulären Einreise“ transportiert zu haben. Grundlage dafür war eine angebliche Kooperation mit lybischen Schlepperbanden. Neben hohen Haftstrafen (bis zu 20 Jahren) drohten bis zu 15.000 Euro Geldstrafe für jede nach Italien gebrachte Person. Insgesamt wurden mit der Iuventa in den Jahren 2016 und 2017 nach Angaben von Jugend Rettet mehr als 14.000 Menschen gerettet. Im August 2017 beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft Trapani das Schiff, mit dem als eines der ersten im Sommer 2016 die zivile Seenotrettung im Mittelmeer aufgenommen wurde – nachdem Italien und die EU ihre Rettungsmissionen eingestellt hatten.

Verleumderische Anklage der Schlepperei

Nach fast zwei Jahren im Vorverfahren kam die Staatsanwaltschaft im Februar 2024 zu dem Schluss, dass die Anschuldigungen unglaubwürdig seien, der Sachverhalt kein Verbrechen darstelle und das Schiff wieder freizugeben sei. Die Hauptbelastungszeugen der italienischen Polizei sollen enge Kontakte zur rechtsextremen Szene haben und konnten sich während des Verfahrens nicht mehr an ihre vorherigen Aussagen erinnern. Im April 2024 hat der Richter dann alle Anklagepunkte fallen gelassen, den Angeklagten konnte nichts vorgeworfen werden.

Mehr als 30.000 gestorben oder vermisst

Anschuldigungen und Klagen gegen Seenotretter:innen sind ein schwerer Angriff auf zivilgesellschaftliche Akteur:innen, die die Grundrechte von Geflüchteten und Migrant:innen verteidigen und lebensrettende humanitäre Hilfe leisten. Die Ermittlungen und die Anklage gegen die Iuventa Crew waren der Auftakt der Verleumdungskampagne gegen die zivile Seenotrettung im Mittelmeer, die ein härteres Durchgreifen gegen Rettungsmaßnahmen rechtfertigen sollten. Dabei demaskiert der Versuch der Kriminalisierung der Seenotrettung vor allem auch die Planlosigkeit und Unterlassung der europäischen Staaten und der EU. Es wird angenommen, dass inzwischen mehr als 30.000 Menschen im Mittelmeer auf dem Weg nach Europa gestorben sind oder vermisst werden.

Eine Umkehr?

Als bisher größter Prozess der Seenotrettung hätte eine Verurteilung große Wirkung auf zukünftige Rechtsprechungen gehabt. Auch wenn das Verfahren nun eingestellt wurde, ist keine große Kehrtwende zu erwarten. Die italienische Regierung wird weiter die Rettungseinsätze gegen NGOs erschweren beziehungsweise verhindern und somit Menschenleben gefährden. Seit Februar 2023 müssen zivile Schiffe nach einer Rettung sofort den zugewiesenen Hafen anlaufen und dürfen keine weitere Rettungsaktion durchführen. Bei Verstößen drohen 10.000 Euro Strafe und das Festsetzen für mindestens 20 Tage. Im Jahr 2023 wurden die zivilen Schiffe an 300 Tagen am Auslaufen gehindert.

Das Sterben im Mittelmeer wie die Kriminalisierung von Helfer:innen und Geflüchteten werden auch nach dem Urteil weitergehen. Europäische Justiz wird humanitäre Hilfe für Geflüchtete weiter wie Schlepperei einstufen. Besonders hohe Strafen drohen Geflüchteten, denen Beihilfe zur illegalen Einreise anderer Geflüchteter vorgeworfen werden kann. Doch durch das Urteil fühlen sich viele Seenotretter:innen auch bestärkt. Die Einstellung des Verfahrens und die große Solidaritätswelle haben ihnen Mut gemacht.

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