Es geschieht nicht alle Tage, dass bei einer Konferenz am Eröffnungstag eine Ministerin verabschiedet und am folgenden Tag ein neuer Minister begrüßt wird. Bei der ersten nationalen Meereskonferenz, die in Berlin am 6. und 7. Mai unter dem Motto „Lebendige Meere“ stattfand, übergab die anfangs noch amtierende Umweltministerin, Steffi Lemke, nach dreijähriger Amtszeit den Stab an ihren Nachfolger, Carsten Schneider.
Nord- und Ostsee – den deutschen Meeren geht es schlecht
„Wir haben die Meere verdammt mies behandelt“, sagte Steffi Lemke zum Abschied. Sie würden unter drei planetarischen Krisen leiden: Klimakrise, Krise des Artensterbens und Verschmutzungskrise. Sie seien zudem durch Kriege, geostrategische Absichten und Rohstoffausbeutung bedroht. Als einen Erfolg ihrer Amtszeit verbuchte sie, dass die „Jahrhundertaufgabe“ der Munitionsbergung in Nord- und Ostsee endlich angegangen worden sei.
Mit einem Seitenhieb auf mögliche Kürzungsabsichten im Klima- und Umweltbereich sagte sie, es sei gelungen, den Meeresnaturschutzfondsdauerhaft zu sichern. Bleibt es dabei, wird künftig bei den Versteigerungen von Offshore-Windenergieflächen der Meeresnaturschutz von Nord- und Ostsee mit einer Zustiftung von 400 Millionen Euro an die Deutsche Bundesstiftung Umweltgestärkt. Zudem hatte die alte Regierung das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz aufgelegt. Es soll dafür sorgen, natürliche Lebensräume wie Moore, Wälder, Wildnis, Auen, Meere und Küsten besser zu schützen und widerstandsfähiger zu machen. Dazu gehören auch der Erhalt und die Wiederherstellung von Salzmarschen und Seegraswiesen.
Globaler Süden im Abseits?
Markus Knigge vom Blue Action Fund wies darauf hin, dass das UN-Nachhaltigkeitsziel 14, „Leben unter Wasser“, das am geringsten finanzierte der 17 globalen Ziele sei. Besonders die stark vom Klimawandel bedrohten Inselstaaten sollten in ihrem Einsatz für Meeres- und Klimaschutz unterstützt werden, forderte er.
Ansonsten war auf aus entwicklungspolitischer Sicht war wenig auf dieser Konferenz zu hören. Wenn über Fischerei als Teil der sogenannten Blauen Wirtschaft diskutiert wurde, ging eseher um deutsche Konflikte um Krabbenfischerei und Grundschleppnetze im Wattenmeer als um die Zukunft der Millionen Menschen in der Kleinfischerei des Globalen Südens. Dabei sichert Letztere eine gesunde und erschwingliche Ernährung der lokalen Bevölkerung. Insbesondere die Leistung von Frauen in der handwerklichen Fischerei ist oft nicht sichtbar. Dabei ist ihre Arbeit bedeutsam für das Funktionieren der gesamten Wertschöpfungskette.
Schon um zu überleben, widersetzen sich also Küstenbewohner*innen im Globalen Süden der Ausbeutung und Verschmutzung der Meere. Die globale Dimension dieses Themas wurde bei der Berliner Konferenz in einem Side-Event aufgegriffen, das von Fair Oceans, Environmental Justice Foundation und Brot für die Welt organisiert wurde. Die Akteure erläuterten, dass Deutschland mitverantwortlich für illegale Fischerei und Überfischung sei und vor allem die handwerkliche Fischerei im Globalen Süden gefährdeten. „Die Kleinfischerei wird nicht alle Meeresprobleme lösen“, sagte Francisco Marí von Brot für die Welt. „Aber ihre Interessen müssen beim Meeresschutz berücksichtigt werden. Wir unterstützen lokale Aktionen in der Kleinfischerei damit ihre Forderungen gehört werden - gegenüber ihren Regierungen und auf internationaler Ebene etwa auf der UN-Meereskonferenz in Nizza.“
Starker Meeresschutz – eine globale Gemeinschaftsaufgabe
Einerseits wurde der Nutzen der Ozeane thematisiert, andererseits ihr Schutz. Dabei kam die Frage auf, wie das 30 x 30-Ziel des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) praktisch umgesetzt werden kann. 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen sollen unter Schutz gestellt werden, doch das würde bedeuten, veranschaulichte ein Teilnehmer, dass jeden Tag bis zum Jahr 2030 eine Fläche von der Größe der Schweiz als Meeresschutzgebiet ausgewiesen werden müsste. Bislang stehen acht bis neun Prozent der weltweiten Meeresflächen unter Schutz; unter dem sogenannten strengen Schutz nur ca. zwei bis drei Prozentder Weltmeere.
Seit Juni 2023 gibt es das UN-Hochseeschutzabkommen. Der Vertrag bedeutet einen historischen Durchbruch für den globalen Schutz und für eine nachhaltige Nutzung der Meeresbiodiversität auf Hoher See – also der Artenvielfalt, ihrer natürlichen Lebensräume und deren genetischer Vielfalt in Meeren außerhalb nationaler Hoheitsbefugnisse.
Nationalen und globalen Meeresschutz fest verankern
Der neuen Bundesregierung kommt nun die Aufgabe zu, den nationalen und globalen Meeresschutz in ihrer Agenda fest zu verankern. Dazu gehört auch ein Verhindern von Tiefseebergbau, denn durch ein neues Trumpsches Dekret könnte der Abbau von Rohstoffen in der Tiefsee – vorbei an der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) – an Fahrt gewinnen. Im Koalitionsvertrag ist zumindest von einer „vorsorglichen Pause“ für Bergbau auf dem Meeresboden die Rede.
Hoffnung macht das internationale Plastikschutz-Abkommen, das in Genf im August 2025 erneut verhandelt wird. Es würde alle Staaten verpflichten, die Vermüllung von Meeren und Umwelt zu beenden und damit die Grundlage für eine gesunde und saubere Meeresumwelt legen. Doch warnte der UN-Sondergesandte für die Ozeane, Peter Thomson in Berlin, dass die multilaterale Zusammenarbeit zunehmend unter Druck gerate:„Ich setze darauf, dass die neue deutsche Bundesregierung sich weiter ambitioniert auf internationaler Bühne für einen wirksamen Meeresschutz einsetzen wird.“ Und dabei hoffentlich den Stimmen im Globalen Süden mehr Gehör als bisher schenkt.
Ein Beitrag von Cornelia Wilß, Journalistin