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Kürzung von Entwicklungsgeld ist Bumerang

Am 13. November berät der Haushaltsausschuss den Bundesetat für 2026. Im aktuellen Entwurf sind die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe stark zusammengestrichen. Das hätte massive Folgen für den Globalen Süden, aber auch für Deutschland, mahnt Anja Esch. Sie leitet die Lobbykoordination bei Brot für die Welt.

Von Online-Redaktion am
Hausbau auf Fidschi

Frau Esch, Sie warnen, dass uns die für 2026 geplanten Budgetkürzungen für Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe eines Tages wie ein Bumerang selbst treffen könnten. Warum?

Weil Klimawandel und Gesundheitsrisiken vor keiner Grenze haltmachen. Eine Analyse der Weltbank macht das sogar an konkreten Zahlen fest. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass wir für jeden US-Dollar, den wir jetzt nicht in Entwicklung, Nachhaltigkeit und Resilienz investieren, eines Tages vier Dollar für humanitäre Nothilfe oder Katastrophenhilfe zahlen müssen. Kurz: Einsparungen heute führen zu Krisen und damit auch zu hohen Kosten und Ausgaben morgen.

Können Sie das an einem Beispiel festmachen?

Nehmen Sie die globale Gesundheitsversorgung. Wird in der Entwicklungszusammenarbeit gespart, steht auch weniger Geld für Impfprogramme oder Pandemieprävention zur Verfügung. Das hat gravierende Folgen. Und diese Konsequenzen schnellen zurück zu uns – wie ein Bumerang.

Wie viel Geld will die Bundesregierung streichen?

Der Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) soll 2026 gegenüber 2022 um fast 30 Prozent auf 9,9 Milliarden Euro abgesenkt werden. Die Mittel für humanitäre Hilfsmaßnahmen im Ausland, die das Auswärtige Amt (AA) finanziert, wurden bereits im Haushalt 2025 von 2,2 Milliarden Euro im Jahr 2024 auf rund eine Milliarde Euro gekürzt. Damit liegen sie auf dem niedrigsten Wert seit zehn Jahren. Stand heute zeichnet sich auch im Haushalt 2026 keine Kehrtwende ab.

Unterschätzt Berlin, wie wichtig die internationale Zusammenarbeit auch für uns ist?

Diesen Eindruck kann man gewinnen. Ich verstehe, dass die Regierungskoalition unter Druck steht und nach Einsparmöglichkeiten sucht. Diese jedoch bei Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfsmaßnahmen einzufordern, ist das falsche Signal. Zusammengenommen machen beide Etatbereiche nur 2,5 Prozent des Haushaltes aus. Kürzungen hier tragen also nicht nennenswert zur Konsolidierung bei. Umso gravierender wären die Folgen weiterer Einsparungen – Kürzungen kosten am Ende Menschenleben!

Heute mehr denn je?

Ja, leider. Die Mittel aus Deutschland sind noch wichtiger geworden, seit die US-Regierung US-AID gestrichen hat und damit eine Finanzierungslücke von 54 Milliarden US-Dollar hinterlässt. Deshalb ist es wichtig, dass Deutschland und andere Geber ihr Ambitionsniveau hochhalten. Immerhin hat sich die Bundesregierung verpflichtet, die 17 Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und die Agenda 2030 der Vereinten Nationen umzusetzen. Momentan fehlen zur Erreichung dieser Ziele jedoch insgesamt mehr als vier Billionen US-Dollar pro Jahr.

Betreffen die Kürzungen des deutschen Etats für Entwicklungszusammenarbeit nur das Jahr 2026?

Nein. Die schwarzrote Regierungskoalition will die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit auch darüber hinaus, nämlich bis 2029, dramatisch absenken. Setzt sie ihre Pläne im Bundestag und Bundesrat durch, würde der Entwicklungsetat nur noch einen Anteil von 1,6 Prozent am Gesamthaushalt betragen.

Um bei Zahlen zu bleiben: Deutschland hat sich verpflichtet, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungsleistungen auszugeben. Tatsächlich steuern wir auf eine Quote von nur 0,4 Prozent zu. Wie begründet die Regierung das?

Die Bundesregierung hat das 0,7 Prozent-Ziel dieses Jahr bei der Entwicklungsfinanzierungskonferenz in Sevilla zwar erneut bekräftigt. Doch im Koalitionsvertrag liest man davon nichts. Das 0,7 Prozent-Ziel, die sogenannte ODA-Quote – ODA steht für Official Development Assistance – wird dort nicht mehr erwähnt. Schlimmer noch: Es heißt im Koalitionsvertrag sogar, dass es „eine angemessene Absenkung der ODA-Quote“ brauche, um den Haushalt zu konsolidieren.

Tatsächlich aber fehlen dem Land Mittel angesichts der vielen Aufgaben und Herausforderungen, vor denen wir stehen. Wo könnte die Regierung denn ansonsten sparen oder woraus könnte sie mehr Mittel schöpfen?

Wir sehen etliche Möglichkeiten, wie der Staat mehr Einnahmen generieren könnte. Für mehr Steuergerechtigkeit etwa würde sorgen, wenn die Superreichen bei der vermögensbezogenen Besteuerung stärker herangezogen werden. Potenzial sehen wir auch beim Abbau klima- und umweltschädlicher Subventionen. Diese belaufen sich auf 65 Milliarden Euro pro Jahr, hat das Umweltbundesamt berechnet. Die Bundesregierung muss also den Etat für Entwicklungszusammenarbeit und die Mittel für humanitäre Hilfe gar nicht antasten.

Machen Sie dafür auch öffentlich mobil?

Ja. Am 10. November. Dann werden wir gemeinsam mit anderen Entwicklungs- und Hilfsorganisationen über unsere Kampagne #Luftnachoben gegen die Kürzungen protestieren und auf die Folgen hinweisen; verabschiedet werden soll der Bundeshaushalt ja Ende November. Wir haben übrigens einen riesigen Bumerang dabei.

 

Das Interview führte Martina Hahn.

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