Frau Oviedo, wir lesen in Deutschland viel darüber, wie brutal die Migrationsbehörde ICE in den USA Migrant*innen verhaftet – aber wir erfahren kaum etwas darüber, wie es den Abgeschobenen nach ihrer Rückkehr nach Mittelamerika ergeht. Sie sprechen tagtäglich mit Betroffenen. Was berichten diese?
Sie berichten von großer Not und Verzweiflung. Viele Abgeschobene wissen nicht, wohin sie gehen sollen. Sie landen auf der Straße, weil sie keine Bleibe und kein Geld haben. Etliche mussten Kinder oder Frau in den USA zurücklassen. Andere kommen direkt vom Flieger in Haftanstalten, wo sie geschlagen und gedemütigt werden. Einige wurden auch verschleppt und sind verschollen; ihre Familien wissen nicht, ob sie überhaupt noch leben.
Die zentralamerikanischen Regierungen unterstützen die Abschiebungen?
Ja. Panama, El Salvador, jüngst auch Honduras und Guatemala sind mit den USA gegen viel Geld den Deal eingegangen, nicht nur die eigenen Landsleute, sondern auch Abgeschobene aus anderen Staaten, darunter Syrien, Georgien oder Russland, in eigens dafür gebaute Haftzentren aufzunehmen. Etwa im berüchtigten Hochsicherheitsgefängnis Cecot, dem sogenannten „Zentrum zur Bekämpfung des Terrorismus“ in El Salvador. Costa Ricas Präsident Rodrigo Chaves Robles hat das so begründet: Man tue dem Nachbarn im Norden einen Gefallen. Wörtlich sagte er: „Die Vereinigten Staaten behandeln uns sehr gut, und wir sie auch, denn wir sind enge Partner (…). Wir helfen unserem wirtschaftlich mächtigen Bruder im Norden, der uns ruinieren würde, wenn er uns in der Freihandelszone mit Steuern belegen würde – was ich allerdings nicht glaube – und außerdem wird Liebe mit Liebe vergolten.“
Stichwort Liebe: Wie nimmt die Bevölkerung der einzelnen Länder die Rückkehrenden auf?
Oft werden Abgeschobene von den Einheimischen beschimpft, auch rassistisch. Sie werden kriminalisiert und wie Menschen zweiter Klasse behandelt. US-Präsident Trumps Narrativ über vermeintlich kriminelle Migrant*innen und seine Hass-Reden gegen Flüchtlinge haben sich auch in Costa Rica, El Salvador oder Panama durchgesetzt. In Costa Rica, wo ich lebe, zeigen viele Menschen keinerlei Empathie mehr gegenüber Geflüchteten: Sie sehen sie als Feinde, die weder das Recht auf Schutz noch – im Falle einer Klage – auf einen fairen Prozess haben. Vor allem die Regierungschefs von Panama, El Salvador und Costa Rica instrumentalisieren Rückkehrer*innen für ihre national-populistische Politik und stellen sie als Sicherheitsrisiko dar. Die Leute applaudieren. Und das, obwohl die Betroffenen in allen Fällen, die ich bislang begleitet habe, internationalen Schutz benötigten. Und nie straffällig geworden waren.
Können die abgeschobenen Migrant*innen nicht zu ihren Familien und in ihre Heimatorte zurückkehren?
Das geht nur bedingt. Denn einige Abgeschobene kommen aus Afrika, Asien, Nahost und hängen jetzt irgendwo zwischen Mexiko und Panama fest. Ihnen droht die Inhaftierung in einem der eigens für Migrant*innen gebauten, geschlossenen Zentren. Aber auch Lateinamerikaner*innen, die in ihr eigenes Land oder in andere Länder Mittelamerikas abgeschoben werden und die nicht in einem Gefängnis gelandet sind, können nicht immer zu ihren Familien oder in ihre Dörfer zurück. Laut einer aktuellen Studie lebte das Gros der Abgeschobenen bereits zwischen sechs und zehn Jahren in den USA. Sie hatten dort familiäre Wurzeln geschlagen, ihre Jobs, ihre Freunde, oft auch Familie. Von ihrem Heimatort haben sie sich entfremdet. Kehren sie dorthin zurück, schlägt ihnen oft Neid, Ablehnung und Häme entgegen. Oder der Vorwurf, gescheitert zu sein. Frauen berichten von Stigmatisierung und häuslicher Gewalt. Etliche Rückkehrer*innen werden vom Organisierten Verbrechen wie etwa den Maras in El Salvador oder Narcos in Honduras erpresst: Zahlst du nicht, komm ich zu dir nach Hause. Auch wirtschaftlich geht es ihnen schlecht – der Grund ihrer Flucht gen Norden hat sich ja nicht verändert: Armut und Perspektivlosigkeit im eigenen Land, um nur zwei Punkte zu nennen. Sprich: Rückkehrer*innen finden oft weder Halt noch einen Job in ihrer alten Heimat. Viele versuchen erneut, in die USA zu migrieren.
Auch die remesas, also die Auslandsüberweisungen der US-Migrant*innen an ihre Verwandte im Herkunftsland, bleiben nach einer Abschiebung aus …
Ja, viele Familien in Mittelamerika können nur dank dieser Überweisungen aus den USA überleben. In El Salvador, Guatemala, Honduras oder Nicaragua machen sie fast ein Viertel des BIPs aus. Dennoch ist dieser Rückgang der remesas nichts Neues – auch Trumps Vorgänger Biden ließ Migrant*innen ausweisen. Trump hat es aber geschafft, sich als Macher darzustellen, der sein Wahlversprechen erfüllt, nämlich Migrant*innen abzuschieben. In Lateinamerika haben wir eine eigene Auslegung für seine MAGA-Bewegung gefunden: Make aliens go away.
Wirkt sich diese fremdenfeindliche Stimmung auch auf die Zivilgesellschaft aus, die sich für Migrant*innen einsetzt?
Ja. In El Salvador, Costa Rica oder Honduras werden Menschenrechtsaktivist*innen schikaniert und eingeschüchtert. Vielen Organisationen wurden die Mittel gekürzt oder ganz gestrichen. Mit der Folge, dass NGOs Betroffene nicht mehr so gut wie früher psychisch begleiten, rechtlich beraten und mit dem Wichtigsten versorgen können. Oder sie werden selbst kriminalisiert und attackiert, wie etwa humanitäre Helfer*innen im Darién-Gap. Dieser sumpfige und bergige Dschungel zwischen Kolumbien und Panama ist eine der am meisten frequentierten und gefährlichsten Fluchtrouten der Welt. Umso wichtiger ist, dass wir von CEJIL Migrant*innen beraten, sie vertreten, mit ihnen und für sie um ihre Rechte kämpfen.
Funktioniert Trumps Kurs der Abschreckung?
Nur auf den ersten Blick. 2024 haben geschätzt 300.000 Menschen aus Südamerika sowie Afrika, Asien, Nahost oder Ost-Europa den Darién durchquert. Bis Juni 2025 waren es 3.000. Das heißt aber nicht, dass weniger Migrant*innen aus diesen Weltregionen unterwegs wären. Sie nutzen jetzt nur eine andere, noch gefährlichere Route übers Meer – beispielsweise über die kolumbianische Insel San Andres bis nach Nicaragua. Auch viele Mittelamerikaner*innen wollen weiterhin in die USA fliehen. Jetzt droht Trump, Migrant*innen künftig nach Afrika abzuschieben.
Das Interview führte Martina Hahn.


