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Jugend nimmt Nepals Zukunft in die Hand

Nach den jüngsten Unruhen in Nepal wuchs die Angst vor neuer Gewalt. Doch nun zeigen mutige Jugendliche, dass Frieden möglich ist – mit Unterstützung des Zivilen Friedensdiensts von Brot für die Welt stärken sie den Zusammenhalt in ihrem Land.

Von Leon Schettler am
Inter-religiöse und inter-generationelle Mahnwache für sozialen Zusammenhalt in Nepal in Palhinandan RM, Lumbini Provinz, am Internationalen Friedenstag, 21.9.2025

Inter-religiöse und inter-generationelle Mahnwache für sozialen Zusammenhalt in Nepal in Palhinandan RM, Lumbini Provinz, am Internationalen Friedenstag, 21.9.2025

 

Am 8. September 2025 versammelten sich Zehntausende Jugendliche der sogenannten „Gen-Z-Bewegung“ friedlich zu einem Protest in Kathmandu. Die wenige Tage zuvor verhängte Sperrung von sozialen Medien durch den inzwischen abgesetzten Premierminister Khadga Prasad Oli brachte das Fass zum Überlaufen. Die „Gen-Z-Bewegung“ forderte ein Ende der Korruption und die Absetzung der Regierung. Als die Polizei mit Gewalt gegen die Demonstrierenden vorging, entlud sich der Zorn vieler Nepalesinnen und Nepalesen.

Die Protestierenden steckten mehr als 20 Regierungsgebäude und das Hilton Hotel in Brand. Premier Oli und fast alle Minister*innen traten zurück. Oligarchen wurden verprügelt und öffentlich gedemütigt. Gefängnisse wurden gestürmt und Insassen befreit. Am Abend übernahm die Armee die Kontrolle und verhängte Ausgangssperren. An beiden Tagen zusammen starben mindestens 70 Personen, mehr als 2.110 wurden verletzt.

Armut und ökonomische Instabilität als Treiber

2006 hatte der zehnjährige Bürgerkrieg in Nepal geendet. 2015 brachte die neue Verfassung Bürgerrechte, Geschlechtergleichstellung und das Ende der Kastendiskriminierung. Die Wirtschaft blieb aber schwach. Armut und Jugendarbeitslosigkeit prägen das Land. Jährlich verlassen rund 800.000 Nepales*innen ihre Heimat, um im Ausland unter prekären Bedingungen zu arbeiten.

Nepal in der Konfliktfalle?

In den letzten zehn Jahren gelang es den führenden Parteien nicht, eine stabile Koalition zu bilden. Die großen Nachbarn Indien und China, aber auch die USA versuchten mit hohen finanziellen Summen, Einfluss auf die Politik des Landes zu nehmen. Die Bevölkerung nahm die politische und ökonomische Elite zunehmend als selbstsüchtig wahr. Protzige Posts ihrer Familienangehörigen sorgten für Entrüstung in den sozialen Medien. Wie Weltbank-Experte Paul Collier bereits 2007 analysierte, ist ein armer und bereits von einem Bürgerkrieg heimgesuchter Staat besonders gefährdet, erneut in einen bewaffneten Konflikt zu geraten. Eine beunruhigende Prognose auch für das heutige Nepal.

Deutsche Unterstützung in der Friedensarbeit

Seit 2007 ist der Zivile Friedensdienst (ZFD) – getragen von Brot für die Welt, der GIZ, Peace Brigades International und Kurve Wustrow – in Nepal aktiv. ZFD-Fachkräfte und lokale Partnerorganisationen haben in dieser Zeit Hunderte Witwen und Opfer sexualisierter Gewalt in ihrer Arbeit gegen das Vergessen unterstützt. Zehntausende Frauen, Dalits (die unterste soziale Schicht in Nepal) und Angehörige ethnischer Minderheiten haben durch den ZFD von ihren Rechten erfahren. Davon, dass Frauen gleiche Rechte haben wie Männer; davon, dass Diskriminierung aufgrund von Kastenzugehörigkeit wie im Falle der Dalits Unrecht bedeutet. Viele von ihnen begehren heute dagegen auf und verteidigen ihre Rechte, Menschenrechte, auf lokaler Ebene. Hunderte Friedensaktivist*innen wurden durch den ZFD in gewaltfreier Kommunikation und Konfliktbearbeitung geschult. So hatte auch der ZFD einen Anteil an der sozialen Mobilisierung der Jugend in Nepal.

Ein vorsichtiger Neuanfang

In den Tagen nach der Gewalt herrschten Trauer und Ratlosigkeit. Sprecher*innen der Gen-Z-Bewegung distanzierten sich von Vandalismus. Viele Jugendliche beteiligten sich freiwillig an den Aufräumarbeiten und organisierten Mahnwachen. Beherzt trat die Gen-Z-Bewegung in Dialog mit der Militärführung und Staatspräsident Chandra Poudel. Mittels einer Online-Umfrage unter etwa 2.000 ihrer Anhänger*innen nominierte die Bewegung für die Übergangsregierung Sushila Karki, die ehemalige Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs. Mit Erfolg: Am 12. September 2025 legte Karki ihren Amtseid als erste Premierministerin Nepals ab. Sie versprach, die Korruption entschieden zu bekämpfen. Für die Opfer der Gewalt ordnete sie Staatstrauer an. Für die Aufarbeitung der unverhältnismäßigen Polizeigewalt setzte sie eine Kommission ein.  

Wie geht es weiter?

Wie von der Gen-Z-Bewegung gefordert, löste der Staatspräsident die Nationalversammlung auf. Neuwahlen müssen spätestens im März 2026 stattfinden. Juristisch war dieses Vorgehen umstritten. Andererseits wurden Versuche verschiedener populistischer Kräfte, das Chaos für einen umfassenden Verfassungscoup zu nutzen, vereitelt. Einmal mehr haben in Nepal Besonnenheit und der Wunsch nach nationalem Zusammenhalt die Oberhand gewonnen. Wenn sich das Parteienspektrum jetzt erneuert und verjüngt, eröffnet das eine neue Chance für das Land. Zugleich hat der Protest der Gen-Z-Bewegung eine zerstörerische Macht der Sozialen Medien offenbart. Die Algorithmen haben negative Nachrichten, Wut, Spaltung und Hass vervielfacht.

Warum Deutschlands Engagement jetzt zählt

Der Zivile Friedensdienst hat in den vergangenen 15 Jahren in Nepal Vertrauen und verlässliche Partnerschaften aufgebaut. Schon seit Jahren fördert der ZFD die kritische Auseinandersetzung von Jugendlichen mit dem Internet. Vom ZFD ausgebildete Mitarbeitende von Gemeinderadios geben Bürger*innen eine Chance, lokale Entwicklungsbedarfe und Kritik an Behörden konstruktiv zum Ausdruck zu bringen. So werden viele lokale Konflikte friedlich gelöst, ehe sie das gesellschaftliche Klima vergiften könnten. Viele ZFD-Partner trainieren Bürgermeister*innen von Städten und Gemeinden in Konfliktsensitivität und Dialog und tragen so dazu bei, dass die neue dezentrale und föderale Struktur Nepals von Bürger*innen als funktionierend wahrgenommen wird. Aus einer Projektregion des ZFD im Tiefland, wo in der Vergangenheit hinduistische und muslimische Gruppen häufig miteinander und auch mit der Staatsmacht aneinandergeraten waren, wurden während der Gen-Z-Proteste keine Ausschreitungen gemeldet. Am Internationalen Friedenstag 2025 veranstalteten Frauen, Jugendliche und religiöse Führer dort Mahnwachen für den Frieden.

Solche Friedens-Kapazitäten sind heute wichtiger denn je für Nepal. Die Zukunft dieses Landes liegt in den Händen aller seiner Menschen. Deutschlands fortgesetztes Engagement für Frieden und Menschenrechte – durch den ZFD und andere Instrumente der Entwicklungszusammenarbeit – vermag hier einen Unterschied zu bewirken. Die Forderungen nach Gerechtigkeit und Reform in Nepal dürfen nicht verpuffen, sondern müssen in dauerhafte Strukturen überführt werden. Das schafft das soziale und politische Vertrauen, das für wirtschaftliche Investitionen und Kreativität notwendig ist. Eine umfassende Studie des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik, heute IDOS, analysierte Erfahrungen aus 28 Ländern und zeigte, dass diejenigen Post-Konflikt-Gesellschaften, die mehr internationale Unterstützung erhalten haben, seltener einen Rückfall in Bürgerkrieg erleben. Zivilgesellschaftliche Konflikttransformation erfordere vergleichsweise geringe finanzielle Mittel, sei aber unbedingt lohnend und sinnvoll.

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