„Wir sind nicht die Mehrheit“, sagt Lukas Pellio, Studierendenpfarrer aus Cottbus. Pellio engagiert sich im Bündnis Unteilbar Südbrandenburg für Zusammenhalt und gegen das Schweigen gegenüber rechter Gewalt. Umso wichtiger sei es, sich zu vernetzen – auch, um aufeinander aufzupassen. Neben ihm auf dem Podium sitzt Naly Pilorge von der kambodschanischen Partnerorganisation von Brot für die Welt Licadho. Wie sie und ihr Team mit der Angst angesichts täglicher Repressionen umgingen? Entscheidend sei der Moment gewesen, in dem sie sich klar gemacht habe, dass es nicht darum gehe, ob, sondern wann sie verhaftet werden würde. Dies habe ihr erstmal innere Ruhe verschafft.
Bei der Vorstellung des neuen Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt sind Pellio und Pilorge eingeladen, ihre Erfahrungen mit dem Publikum zu teilen. Die Veranstaltung ist der öffentliche Moment des zugleich stattfindenden Internationalen Partnertreffens Global Dialogue, zu dem Brot für die Welt vom 3. bis 5. Juni 2025 zivilgesellschaftliche Vertreter*innen aus 22 Ländern geladen hatte, darunter auch aus Deutschland. Was können wir dem zunehmenden weltweiten Autoritarismus und den Einschränkungen zivilgesellschaftlicher Handlungsräume entgegensetzen – so die zentrale Frage des Dialogs.
Unterschiedliche Ausmaße, ähnliche Muster
Deutschland ist nicht Kambodscha. Bei weitem nicht. Und doch wurde in den Gesprächen sehr deutlich, was auch in Ländern mit vermeintlich gefestigtem Rechtsstaat auf dem Spiel steht. Angriffe auf Aktivist*innen und Journalist*innen, zunehmend härteres Vorgehen der Polizei etwa bei Protesten rund um die Themen Klima oder Gaza, unverhältnismäßige Einschränkungen der Demonstrationsfreiheit und restriktives Gemeinnützigkeitsrecht stehen für Einschränkungen von wichtigen Freiheitsrechten in Deutschland.
Klar wird: Ob Indien oder Argentinien, Uganda oder Georgien – Menschen, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen, teilen Erfahrungen, die zwar unterschiedliche Ausmaße haben, aber doch sehr ähnlichen Mustern folgen. Die Anfeindungen von staatlicher wie auch von nichtstaatlicher Seite richten sich gegen Personen und Organisationen. Restriktive NGO-Gesetze und Finanzierungsstopps trocknen Organisationen aus, Straflosigkeit der Angriffe auf und Morde von Menschenrechtsverteidiger*innen schürt weitere Gewalt und die psychische und mentale Belastung der Aktivist*innen ist enorm.
Als Globale Zivilgesellschaft wirken
Umso wichtiger die Erfahrung, Teil einer globalen demokratischen Zivilgesellschaft zu sein. So abstrakt, banal oder offensichtlich dies klingen mag, für viele der Teilnehmenden am Global Dialogue ist dies eine ungeheuer bedeutende und kraftspendende Erfahrung, aus der kollektives Denken, gemeinsames Handeln und solidarische Praxis erwachsen können. Dazu gehört die Erkenntnis, als globale Zivilgesellschaft zum Megafon von Anliegen einzelner Menschen oder Organisationen werden zu können. Dazu gehört auch die Überzeugung, als globale Zivilgesellschaft gegen globale Ausbeutungsverhältnisse vorgehen zu können. Zentral bleibt auch die Verantwortung, als zivilgesellschaftliche Organisationen Zeugnis über Menschenrechtsverbrechen abzulegen. Die Erfahrung zeigt, welche Bedeutung dies für die Opfer und somit auf lange Sicht auch für Gerechtigkeits- und Heilungsprozesse von Gesellschaften hat.
Klar ist, internationale und derzeit unter Beschuss stehende Errungenschaften wie beispielsweise das Menschenrechtssystem der Vereinten Nationen müssen unbedingt verteidigt werden. Und gleichzeitig muss globale Zivilgesellschaft auch Veränderungen an den Stellen einfordern und vorantreiben, wo demokratische Systeme zu leeren Hüllen reduziert wurden, von denen die meisten Menschen nichts haben.
Momente des Zuhörens
Schmerz über verlorene Weggefährt*innen und Erschöpfung sind zwei sehr präsente Gefühlszustände während des Global Dialogue. Umso wichtiger die Momente des Zuhörens, des Teilens, der Stille, aber auch des Feierns der Früchte des gemeinsamen Engagements. „Möge der Schmerz sich in den Nährboden für ein anderes, besseres Leben verwandeln“, schließt eine Partnerin aus Mexiko.