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Finanzieller Spielraum statt Schuldenkrise

Die Corona-Pandemie treibt Länder des globalen Südens tiefer in eine Schuldenkrise. Um steigender Armut und Ungleichheit entgegenzutreten, brauchen Staaten ausreichend finanzielle Mittel. Die Bundesregierung muss sich daher für dreierlei stark machen: Schuldenerlasse, ein gerechtes globales Steuersystem und die Mobilisierung zusätzlicher finanzieller Mittel.

Von Ute Straub am
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Finanzieller Spielraum statt SchuldenkriseMit Ausbruch der Corona-Pandemie hat die Welt die gravierendste Rezession seit 90 Jahren erlebt. Deren wirtschaftlichen Folgen haben vor allem den globalen Süden mit voller Wucht getroffen. Mit Ausbleiben des Tourismus, sinkenden Rohstoffpreisen und dem Zusammenbruch weltweiter Lieferketten sind wichtige Einnahmequellen weggebrochen und haben zu hohen Produktionseinbußen, Arbeitslosigkeit und steigenden Armutszahlen geführt. Öffentlichen Kassen sind durch verminderte Steuereinnahmen und Kapitalflucht leergefegt. Doch während sich 2021 wohlhabendere Länder von der weltweiten Rezession weitgehend erholen, fehlt den öffentlichen Haushalten vieler Länder des globalen Südens der notwendige finanzielle Spielraum, um die wirtschaftlichen Folgen abzufedern oder Gesundheitssysteme zu finanzieren. Vielerorts blieb Regierungen nur eine zusätzliche Kreditaufnahme, auch wenn ihr Land bereits vorher kritisch verschuldet war. In Anbetracht dieser Situation warnt der Internationale Währungsfond IWF vor einer weiteren Schuldenkrise: Ohne entschlossenes Handeln drohe den ärmsten Ländern ein „verlorenes Entwicklungsjahrzehnt“.

 

Schuldenkrise durch Schuldenerlasse abwenden und private Gläubiger:innen einbeziehen

Bereits seit Jahren steigen die Schulden von Staaten mit niedrigem oder mittlerem Einkommen im globalen Süden beständig an. Doch mit Ausbruch der Corona-Pandemie ist die Zahl der kritisch verschuldeten Länder sprunghaft von 132 auf 148 angestiegen. Und auch die Lage in den Ländern, die bereits vor der Krise kritisch verschuldet waren, verschärfte sich weiter. Zeitnah mit Ausbruch der Pandemie hat die internationale Gemeinschaft erste Maßnahmen ergriffen und den betroffenen Ländern mit Schuldenmoratorien Luft verschafft. Doch dabei handelt es sich nur um einen Aufschub der Zahlungsverpflichtungen in die Zukunft und noch keine echten Schuldenerlasse.

Für einen erfolgreichen wirtschaftlichen Erholungsprozess und die Stärkung der Gesundheits- und Bildungssysteme brauchen die Länder aber tatsächliche Schuldenstreichungen. Zudem sind selbst die meisten Schuldenmoratorien bisher auf Länder mit niedrigstem Einkommen (jährliches Bruttonationaleinkommen von 935 US-Dollar oder weniger pro Kopf) beschränkt. Kritisch verschuldete Mitteleinkommensländer (jährliches Bruttonationaleinkommen von 936 bis 3705 US-Dollar pro Kopf) bleiben von den bisherigen Maßnahmen weitgehend ausgeschlossen. Außerdem werden multilaterale Gläubiger:innen wie die Entwicklungsbanken bisher genauso wenig in Mitverantwortung genommen wie private Gläubiger:innen. Aber dass öffentliche Haushalte auf Forderungen verzichten und private Gläubiger:innen weiter kassieren, ist nicht akzeptabel.

Wir fordern die Bundesregierung daher auf, sich stark zu machen für:

  • umfassende Schuldenerlasse für alle kritisch verschuldeten Länder, unabhängig davon, ob es sich um Länder niedrigen oder mittleren Einkommens handelt.
  • eine verpflichtende Einbindung privater Gläubiger:innen und multilateraler Entwicklungsbanken in die internationalen Entschuldungsinitiativen.
  • die Schaffung eines fairen und transparenten Staateninsolvenzverfahrens für hochverschuldete Staaten.

 

Gerechte Besteuerung multinationaler Konzerne

Aber Schuldenerlasse allein werden nicht ausreichen, sondern es braucht auch ausreichend eigene Einnahmen der Länder. Steuern bilden hier die wichtigste Säule der Einnahmen, die ein Staat braucht, um öffentliche Güter, wie etwa das Gesundheits- oder Bildungssystem, bereitstellen zu können. Doch viele Länder des globalen Südens sind massiv von Steuervermeidung und -hinterziehung durch multinationale Unternehmen und reiche Individuen betroffen, die sich beispielsweise durch Preismanipulation und Gewinnverschiebung vorhandene Lücken im internationalen Steuersystem zunutze machen.

Um neue und gerechte Regeln zur Besteuerung zu schaffen und durchzusetzen, braucht es die entsprechenden Institutionen. In anderen Bereichen wie Handel (WTO) oder Gesundheit (WHO) gibt es unter dem Dach der Vereinten Nationen (UN) bereits spezialisierte Organisationen, nicht aber im Bereich Steuern.

Die Bundesregierung muss sich daher:

  • für geeignete Maßnahmen einsetzen, um die Steuervermeidung von multinationalen Unternehmen zu bekämpfen, wie etwa eine verpflichtende länderbezogene Berichterstattung zu Umsätzen, Gewinnen und Steuerzahlungen von multinationalen Unternehmen.
  • für die Schaffung einer UN-Steuerkommission und einer UN-Konvention zu internationaler Steuerpolitik einsetzen.

 

Mobilisierung zusätzlicher finanzieller Mittel durch die Ausgabe von Sonderziehungsrechten

Und dann gibt es noch einen dritten wichtigen Hebel. Die UN schätzen, dass die Länder im globalen Süden 2,5 Billionen US-Dollar an zusätzlicher externer Unterstützung benötigen, um die gravierenden Folgen der Corona-Krise bewältigen.

Eines der geeigneten Instrumente, um diese Finanzierungslücke deutlich zu verringern, können Ausschüttungen von sogenannten Sonderziehungsrechten (SZR) des IWF sein. SZR sind ein vom IWF im Jahr 1969 eingeführtes Reserveguthaben, die von den Mitgliedstaaten in Hartwährungen wie US-Dollar oder Euro getauscht und für den Zahlungsverkehr verwendet werden können. SZR müssen nicht zurückgezahlt werden und ihre Verwendung ist an keine Konditionen geknüpft. In diesem Sommer hat der IWF erstmalig eine historisch hohe SZR-Summe im Wert von 650 Milliarden US-Dollar an seine Mitglieder ausgeschüttet mit dem Ziel, zur Krisenbekämpfung zusätzliche Liquidität zur Verfügung zu stellen und die wirtschaftliche Erholung in den krisengebeutelten Ländern anzukurbeln.

Das Problem dabei ist unter anderem, dass die Ausschüttung an die Einlagequoten der Mitgliedsländer beim IWF geknüpft ist. Das bedeutet: Ein Großteil der SZR landet in den ohnehin wohlhabenden Ländern, die bereits über ausreichend Mittel zur Krisenbekämpfung verfügen. Deutschland hat in diesem Zuge beispielsweise etwa 25 Milliarden SZR zugewiesen bekommen. Das entspricht mehr als fünf Prozent der gesamten SZR-Ausschüttung. Während andere Länder erste Schritte eingeleitet haben, um einen Anteil ihrer SZR zur Krisenbekämpfung in bedürftigeren Ländern umzuwidmen, hat in Deutschland die Bundesbank bisher ablehnend auf solche Anfragen reagiert, sondern darauf verwiesen, dass es sich bei den SZR um Währungsreserven der Bundesbank handele und die Verwendung für entwicklungspolitische Zwecke nicht zu den gesetzlichen Aufgaben der Bundesbank gehöre. Aus zivilgesellschaftlicher Sicht ist die Gesetzeslage in Bezug auf SZR allerdings eher vage und könnte auch durchaus anders interpretiert werden.

Wir fordern die Bundesregierung daher auf:

  • sich dafür einzusetzen, dass künftige SZR-Sonderausschüttungen nicht entsprechend der Einlagequote der IWF an Mitgliedsländer verteilt werden, sondern anhand des tatsächlichen Mittelbedarf der einzelnen Länder.
  • auf die Bundesbank einzuwirken, damit der deutsche Anteil SZR der aktuellen Ausschüttung für das ursprüngliche Ziel der Krisenbekämpfung in weniger wohlhabenden Ländern genutzt werden kann.

 

Dieser Text ist ein Beitrag in der Reihe #brotfürdiewahl im Vorfeld der Bundestagswahl 2021. Alle weiteren Beiträge finden Sie hier.

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