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Weniger Autos, mehr globale Gerechtigkeit

Der Umstieg auf Elektromobilität ist ein wichtiger Baustein zur Erreichung der Pariser Klimaziele. Ein reiner Umstieg auf E-Autos reicht jedoch nicht aus für eine klimagerechte und ressourcenschonende Mobilitätswende. Diese muss mit einer Rohstoffwende zusammen gedacht werden, denn der Rohstoffabbau für unsere Autos ist häufig mit gravierenden Menschenrechts- und Umweltkonflikten verbunden.

Von Teresa Hoffmann am
Herkunft dt. Rohstoffimporte

Herkunft deutscher Rohstoffimporte

Quelle: Weniger Autos, mehr globale Gerechtigkeit (2021:8f)

Die Neuauflage der Studie „Weniger Autos, mehr globale Gerechtigkeit“, die heute von Brot für die Welt, Misereor und PowerShift veröffentlicht wurde, macht anhand zahlreicher Fallbeispiele die menschenrechtlichen und ökologischen Folgen des Rohstoffabbaus in Ländern des globalen Südens sichtbar und zeigt auf, wieso eine echte Mobilitätswende nur mit einer Rohstoffwende zusammen gedacht werden kann. In der verkehrs- und rohstoffpolitischen Debatte in Deutschland werden die sozialen, menschenrechtlichen und ökologischen Folgen des Rohstoffverbrauchs durch die deutsche Automobilindustrie unzureichend diskutiert und adressiert. Zwar hat die Debatte um Rohstoffe für die Mobilitätswende, wie zum Beispiel Lithium für Lithium-Ionen-Batterien, an Fahrt aufgenommen, doch fehlen bisher umfassende politische Lösungen. Diese stehen im Spannungsfeld einer notwendigen Antriebswende weg vom Verbrennungsmotor hin zum Elektroantrieb, die zur Erreichung der Klimaziele unabdingbar ist, und dem damit einhergehenden zunehmenden Rohstoffbedarf, der zu einer Verschärfung von Umwelt- und Menschenrechtskonflikten in Ländern des globalen Südens führen kann. Eine reine Elektrifizierung des Individualverkehrs ist bei einer Autoflotte von mehr als 48 Millionen PkWs – allein in Deutschland – aus entwicklungspolitischer Perspektive nicht ausreichend für eine klima- und rohstoffgerechte Mobilitätswende.

Wasserstress für den Lithiumabbau

Die deutsche Automobilindustrie ist hierzulande Hauptabnehmer von metallischen Rohstoffimporten. Den größten Teil davon machen Aluminium und Stahl aus. Mit der Elektromobilität wird allerdings die Nachfrage nach Metallen wie Lithium, Kobalt, Grafit und Nickel in den nächsten Jahren massiv ansteigen – mit gravierenden Folgen in den Abbauländern. Für den Lithiumabbau im so genannten Lithiumdreieck Argentinien, Chile und Bolivien, in dem etwa 58 Prozent der weltweiten Lithiumressourcen liegen, wird lithiumhaltiges Salzwasser an die Oberfläche gepumpt und verdunstet bis der gewünschte Lithiumgehalt erreicht ist. Die Entnahme hoher Mengen Wasser an einem der trockensten Orte der Welt beeinflusst den Wasserhaushalt und die chemische Zusammensetzung des gesamten hydrologischen Systems. Nach 25 Jahren Lithiumförderung im Salar de Atacama beobachten die Bewohner:innen, eine Absenkung des Grundwasserspiegels in diesem einzigartigen Ökosystem. Die Folge sind unter anderem versalzene Böden, Austrocknung von Lagunen und damit einhergehende Einschränkungen für die traditionelle Land- und Viehwirtschaft sowie die Bedrohung von einzigartiger Flora und Fauna. Die berechtigte Sorge der lokalen Gemeinschaften um die Wasserressourcen und somit ihre Existenzgrundlage wird bei den Entscheidungen über neue Lithiumprojekte, wie zum Beispiel im Salar de Maricunga, oder bei einer Ausweitung bestehender Konzessionen, nicht hinreichend berücksichtigt. Die in Chile geltenden Vorschriften zur Einhaltung des Mitwirkungs- und Konsultationsrechts von indigenen Gemeinschaften gemäß dem Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO-Konvention 169, 2008 von Chile ratifiziert) spielen nur eine untergeordnete Rolle.

Bereits jetzt stammt ein Großteil der Lithiumimporte in die EU aus der Region: Allein 78 Prozent kommen aus Chile. Die Region ist also zu einem strategisch wichtigen Rohstofflieferanten für die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft geworden. Damit die Mobilitätswende und die Erreichung der Klimaziele hierzulande nicht auf Kosten der Existenzgrundlagen der lokalen Bevölkerung in der Atacama-Wüste oder anderen Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen oder Umweltkatastrophen im Rohstoffsektor in Ländern des globalen Südens gehen, ist eine klima- und ressourcengerechte Mobilitätswende notwendig. Für diese benennt die Studie „Weniger Autos, mehr globale Gerechtigkeit“ drei Kernforderungen: das Ende des Verbrennungsmotors, die Senkung des Primärrohstoffbedarfs und die Einhaltung menschenrechtlicher und ökologischer Sorgfaltspflichten.

Ende des Verbrennungsmotors

Um die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens, den Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur auf deutlich unter 2 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu halten und möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, ist ein zügiges Ende des Verbrennungsmotors notwendig. Gemäß Berechnungen des Wuppertal-Instituts darf es in Deutschland schon ab 2025 keine Neuzulassungen für Autos mit Verbrennungsmotor geben. Zusätzlich müssen die Autos kleiner und leichter werden. Dazu braucht es steuerliche Anreize, massive Investitionen in den öffentlichen Personennahverkehr und das Schienennetz sowie ein Ende umweltschädlicher Subventionen, wie beispielsweise des Dieselprivilegs, so die Studie.

Drastische Senkung des Primärrohstoffbedarfs 

Dazu kommt: Als weltweit fünftgrößter Verbraucher metallischer Rohstoffe, übersteigt der Rohstoffverbrauch in Deutschland ein global gerechtes Maß bei Weitem. Deshalb wir von der künftigen Bundesregierung ein schnelles und tiefgreifendes Umsteuern. Die Autoproduktion sollte in die Kreislaufwirtschaft überführt werden, das bedeutet, dass Recycling und Langlebigkeit, insbesondere von Batterierohstoffen, priorisiert werden müssen. Statt in einen Wettbewerb um das größte Auto, muss die deutsche Autoindustrie endlich in einen Wettbewerb um die kleinsten und energiesparendsten Modelle treten, denn aktuell ist genau das Gegenteil der Fall.

Menschenrechtliche und ökologische Sorgfaltspflichten

Nahezu 100 Prozent der durch Bergbau gewonnenen Rohstoffe, die in Deutschland genutzt werden, werden importiert. Um die teils katastrophalen menschenrechtlichen, soziale und umweltbezogenen Folgen des Abbaus von Rohstoffen zu verringern, müssen Autokonzerne und andere rohstoffverbrauchende Unternehmen per Gesetz verpflichtet werden, Verantwortung entlang ihrer gesamten Rohstofflieferkette zu übernehmen. Das im Juni 2021 beschlossene deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ist ein wichtiger erster Schritt in diese Richtung, muss in der kommenden Legislaturperiode aber deutlich nachgebessert werden. Auch auf EU-Ebene muss die angekündigte Regulierung ambitionierte menschenrechtliche und umfassende umweltbezogene Sorgfaltspflichten mit zivilrechtlicher Haftungsregelung zügig eingeführt werden. Darüber hinaus könnte die europäische Batterien-Verordnung, die aktuell überarbeitet wird, einen wichtigen Schritt für eine nachhaltigere Mobilität darstellen. Dafür müsste die Verordnung aber für alle Batterietypen gelten und für alle darin benötigten Rohstoffe umfangreiche Sorgfaltspflichten festgeschrieben werden. Dann könnte diese sektorale Regelung ein Vorreitermodell für eine nachhaltigere Rohstoffpolitik sein.

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