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Für mehr Nachhaltigkeit nach der Wahl

Wenn die nächste Bundesregierung die Agenda 2030 der Vereinten Nationen als Leitlinie ernst nehmen will, muss sie national die Weichen stellen und international stärker Verantwortung übernehmen. Dafür braucht sie aber auch Parlament und Zivilgesellschaft an ihrer Seite.

Von Johannes Grün am
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Wir haben es satt Demonstration am 18.1.2020 in Berlin

Die Flut-Katastrophe in Deutschland. Brände in Südeuropa und Sibirien. In Madagaskar eine Hungersnot nach mehreren Dürrejahren. Im Sommer 2021 rückt die Klimakrise täglich mit all ihren grauenhaften Folgen ins Zentrum der Aufmerksamkeit, aber nicht ins Zentrum des politischen Handelns. Dort überlagern akute Krisen hier und Symptom-Debatten dort die eigentlich relevanten Fragen und kumulieren mitunter im Satz, 2015 dürfe sich nicht wiederholen.

Dabei ist das genaue Gegenteil richtig: 2015 sollte sich dringend wiederholen! Wir brauchen ein neues, stärkeres Engagement für nachhaltigere Politik. Vor sechs Jahren wurden international die Weichen gestellt für eine Transformation, die heute noch dringender ansteht als seinerzeit. Wir erinnern uns: 2015 wurden gleich drei richtungsweise Abkommen verabschiedet. Beim Klima-Abkommen von Paris einigte sich die Weltgemeinschaft im Dezember völkerrechtlich verbindlich darauf, die maximale Erderwärmung gegenüber der vorindustriellen Epoche auf 2 Grad begrenzen und alles unternehmen zu wollen für eine maximale Erwärmung um 1,5 Grad. Bereits im Juli 2015 hatte in Addis Abeba die dritte internationale Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung stattgefunden. Das Ergebnis war ein Umsetzungs- und Finanzierungsrahmen für eine Nachhaltige Entwicklung. Und mit der Agenda 2030 verabschiedeten die 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen im September einstimmig 17 Nachhaltigkeitsziele mit insgesamt 169 Zielvorgaben für eine sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltige Entwicklung. Die Laufzeit der Agenda ist auf 15 Jahre angesetzt. Bis 2030 soll sich die Welt gemäß der Agenda so umgestalten, dass die Menschheit die ökologischen Grenzen nicht weiter über- und die sozialen nicht unterschreitet. Doch dafür müssen die politisch Verantwortlich endlich die entscheidenden Weichen stellen.

Raus aus der Nische

Die Weltlage zeigt: Eine ernsthaft betriebene Nachhaltigkeitspolitik als übergreifender Ansatz wäre notwendiger denn je. Aber in Deutschland fristet sie nach wie vor ein Nischendasein. Die im März verabschiedete überarbeitete deutsche Nachhaltigkeitsstrategie hat außerhalb der Fachszene ebenso wenig Aufmerksamkeit erfahren wie der zweite Bericht der Bundesregierung über die Umsetzung der Agenda 2030 in und durch Deutschland im Juli bei den Vereinten Nationen. In den Wahlprogrammen zur Bundestagswahl taucht die Agenda 2030 nur vereinzelt auf. Die Union bezeichnet die Agenda 2030 als „Leitbild für gerechte Globalisierung“. Die FDP verweist auf die Nachhaltigkeitsagenda als „Chance für mehr Freiheit“. Bündnis 90/Die Grünen wollen die deutsche Politik an den Nachhaltigkeitszielen (SDGs) ausrichten. Die SPD nennt die Agenda 2030 und das Pariser Klimaabkommen als die „wichtigsten multilateralen Abkommen der vergangenen Jahre“. Konkrete Maßnahmen beschränken sich jedoch in fast allen Programmen auf den Bereich der internationalen Politik und der Entwicklungszusammenarbeit, wobei die Grünen einen „Nachhaltigkeits-TÜV“ für Gesetzesvorhaben einfordern.

Die Widersprüche offenbar machen

Dabei wäre eine stärkere Verzahnung der nationalen und internationalen Nachhaltigkeitspolitik dringend notwendig. Dazu gehören auch die entsprechenden Strukturen: Eine Aufwertung der Beauftragten in den einzelnen Ministerien, eine bessere Koordination, die die Widersprüche deutscher Politiken offenbar macht. Ein Beispiel: Dass in Deutschland noch über 50 Milliarden Euro umweltschädliche Subventionen ausgegeben werden, konterkariert unsere Klimaschutzmaßnahmen. Und wenn der Exportweltmeister Deutschland Futtermittel importiert, für die im Ausland eine Fläche von der Größe Bayerns benötigt wird, um damit unsere Massentierhaltung am Laufen zu halten, dann passt das nicht zur Förderung der Bio-Landwirtschaft auf der anderen Seite.

Regierung, Parlament, Zivilgesellschaft

Eine große Chance läge darin, die Agenda 2030 nicht nur zu einer Regierungsagenda, sondern auch in deutlich stärkerem Maße zu einer Parlamentsagenda werden zu lassen. Dazu würde eine jährliche Regierungserklärung samt Debatte im Bundestag genauso gehören wie die Aufwertung des Parlamentarischen Beirates für Nachhaltige Entwicklung zu einem ordentlichen Bundestagsausschuss. Die deutsche Gesetzgebung braucht eine verpflichtende Nachhaltigkeitsprüfung! Last but not least: Wer die kritische Zivilgesellschaft erst reichlich spät einbezieht, wie leider auch in der aktuellen Kommentierung des Berichtes durch Deutschland bei den Vereinten Nationen, der stellt sich notwendigen Debatten nur bedingt.

Globalisierung im pandemischen Zeitalter

Die Auswirkungen der Covid19-Pandemie haben zweierlei gezeigt. Erstens: Alles hängt mit allem zusammen, und das ist kompliziert. Die vielgescholtene Komplexität der Agenda 2030 trägt dieser Kompliziertheit und Verwobenheit allerdings Rechnung. Diese Interdependenz wird in einer globalisierten Welt nicht von heute auf morgen verschwinden, aber die Sollbruchstellen einer heißdrehenden Hyperglobalisierung sind deutlich geworden. Externe Schocks treffen in diesem Wirtschaftsmodell die Ärmsten und Verletzlichsten zuerst und zuvorderst. Wer Nachhaltigkeit in ihren drei Dimensionen ernsthaft implementieren will, der muss das Prinzip, niemanden zurückzulassen, „to leave no one behind“, als Lackmustest ernstnehmen. Das gilt umso mehr, wenn wir am Beginn eines „pandemischen Zeitalters“ stehen. Die zweite Lehre aus den Folgen der Pandemie ist: Nach traurigen Jahren für den Multilateralismus zeigt eine globale Bedrohung, wie unverzichtbar internationale Kooperation ist. Ob Vereinte Nationen, ob WHO, ja sogar gegenüber der WTO werden wieder Hoffnungen, Wünsche, Ansprüche formuliert, nach Jahren des Abgesanges und der Club-Governance. Die Pandemie hat neben allen Verwerfungen auch ein Momentum geschaffen. Wenn eine neue Bundesregierung das nicht nutzt, national wie international, gehen mehr als nur vier Jahre verloren.

 

Dieser Text ist ein Beitrag in der Reihe #brotfürdiewahl im Vorfeld der Bundestagswahl 2021. Alle weiteren Beiträge finden Sie hier.

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