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Urbanisierung - Megatrend unseres Jahrhunderts

Das World Urban Forum (WUF) ist eine alle zwei Jahre stattfindende riesige internationale Konferenz mit Hunderten von Veranstaltungen und Tausenden von Teilnehmer*innen. Alles dreht sich um den Megatrend dieses Jahrhunderts – Urbanisierung: die Verstädterung der Welt. In diesem Jahr fand das 10. WUF in Abu Dhabi statt. Was hat WUF10 gebracht?

Von Dr. Luise Steinwachs am
WUF10 Logo

Vom 8. bis 13. Februar 2020 fand die von UN-Habitat organisierte Megakonferenz WUF10 auf Einladung des Emirats Abu Dhabi in dessen Hauptstadt statt. Das World Urban Forum findet in den Jahren zwischen den offiziellen UN-Konferenzen von UN-Habitat statt. Diese wurden bisher im Abstand von jeweils 20 Jahren organisiert – zum letzten Mal in Quito im Oktober 2016. Die 2016 verabschiedete New Urban Agenda (NUA) bildet seither die international verhandelte Grundlage für städtische Entwicklung in den UN-Mitgliedsstaaten. Am Entwicklungsprozess dieser Agenda war auch die internationale Zivilgesellschaft über verschiedene Mechanismen beteiligt. Was bisher allerdings fehlt, ist ein dauerhafter Beteiligungsmechanismus von Zivilgesellschaft bei UN-Habitat, wie es ihn etwa beim Welternährungsrat (CFS) gibt oder auch einen mit Stimmrecht verbundenen Mechanismus im Dreiparteiensystem (Regierungen, Arbeitnehmer, Arbeitgeber) der Internationalen Arbeitskonferenz, dem höchsten beschlussfassenden Organ der Internationalen Arbeitsorganisation ILO.

Das 10. World Urban Forum (WUF10) war daher vorrangig ein Raum für fachlichen Austausch und Vernetzung, die gleichzeitig die Umsetzung der New Urban Agenda und der Agenda 2030 befördern sollen. Die Referenz auf die Sustainable Development Goals war allgegenwärtig, und sie ist neben der NUA die Richtschnur für zukünftige Entwicklungen. Das Spektrum der Veranstaltungen war fast unübersehbar und reichhaltig in seiner Thematik und den unterschiedlichen Formaten. Die Konferenz hat allerdings keinlerlei Mandat für Regierungsverhandlungen oder Beschussfassungen.

Informelle Siedlungen und "neue Nachbarn"

Thematisch vorherrschend waren Veranstaltungen, die sich auf Fragen des Wohnens und der räumlichen Organisation von Stadt und den dort lebenden Communities bezogen. Die große Problematik von wachsenden informellen Siedlungen mit schlechten Lebensbedingungen und ohne ausreichende Infrastruktur war dabei zentral. Eine Milliarde Menschen leben derzeit in informellen Siedlungen. Wenn nicht aktiv Verbesserungen wirksam werden, sind es am Ende der Agenda 2030 drei Milliarden. Von den 40% der Bevölkerung Afrikas, die in Städten leben, wohnen 50 – 60% in sogenannten "slums", informelllen Siedlungen mit extrem schlechten Lebensverhältnissen. Zu allererst geht es daher zumeist um die Sicherheit des Wohnraumes an sich und den Schutz vor Zugriff durch Behörden (Vertreibung) oder private Akteure (Landnahme für profitablen Häuserbau). Der Ruf auch lokaler Regierungen nach privatem Geld für die Verbesserung der Lebensverhältnisse führt nicht selten zu Vertreibung der Menschen, die in informellen Siedlungen leben, und einem dann folgenden „up-grading“ durch den profitablen Bau teurer Wohnhäuser. Hier wäre eine deutlich politischere Diskussion auf dem WUF10 zu wünschen gewesen.

Es geht um Menschenrechte!

Die relative Schwachheit kritischer Perspektiven kann auch auf die fehlende Mitsprache von Zivilgesellschaft im Kontext von UN-Habitat zurückgeführt werden, denn die Selbstorganisation zivilgesellschaftlicher Positionen im politischen Kontext führt zu mehr Klarheit und damit Durchsetzungsmacht von Forderungen und Perspektiven. So findet zum Beispiel im Rahmen der Global Platform for the Right to the City eine Diskussion darüber statt, welchen Stellenwert und welche Reichweite eine menschenrechtsbasierte Perspektive, die sich auf die verbindlichen Abkommen wie den UN-Sozialpakt bezieht, hat, um die Menschenrechte auch in der Stadt durchzusetzen.

Relevant ist dies ebenso für die sehr präsente Diskussion von städtischer räumlicher Entwicklung im Kontext von Migration und Flucht. Zahlreiche Veranstaltungen widmeten sich der (temporären) Integration von migrantischen Communities, den möglicherweise auftretenden Konflikten, der Schaffung öffentlicher Räume für Kommunikation und gemeinsame Gestaltung. Die Frage danach, was Stadt überhaupt ist, wurde spätestens da augenfällig, als es um teilweise seit mehreren Generationen existierende Flüchtlingslager ging, die sich längst in „Städte“ verwandelt hatten, aber eben meist bei fehlender öffentlicher Verantwortung für Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildungsangebote. Auch hier muss die eher technische Diskussion unbedingt durch die politische Auseinandersetzung ergänzt werden, denn letztendlich geht es - neben der Forderung nach umfassender Partizipation - um die Durchsetzung der Menschenrechte als internationale Verpflichtung.

Dies trifft auch für die Thematik der Ernährung in der Stadt zu. Erstaunlich war die schwache Präsenz der Welternährungsorganisation FAO. Bei der Veranstaltungsreihe „One UN“ auf dem WUF war sie gar nicht vertreten. Lediglich einige wenige am FAO-Ausstellungsstand organisierte kleine Gesprächsrunden brachten diese Thematik in das WUF ein. Umso wichtiger wird es sein, den städtischen Fokus in die Debatte um Ernährungssysteme (food systems), die derzeit vor allem im Welternährungsrat CFS geführt wird, einzubringen und auf eine stärkere Verbindung von UN-Habitat und CFS zu dringen.

Das WUF muss politischer werden

Auch wenn Abu Dhabi als einladende Stadt und die Vereinigten Arabischen Emirate als einladendes Land viel Unterstützung und Finanzierung für die Gesamtveranstaltung WUF10 bereitgestellt haben, hat die Abwesenheit bzw. Nichtexistenz lokaler Zivilgesellschaft die Lebendigkeit eines kritischen politischen Diskurses auf dem WUF deutlich beeinträchtigt. Das 2022 in Katowice stattfindende WUF11 ermöglicht hoffentlich kritischere und mutigere Diskussionen mit politischer Relevanz für eine nachhaltige Entwicklung menschlicher Siedlungen weltweit, denn das ist das Kernmandat von UN-Habitat.

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