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Peru: Frauenrechte und Agrarökologie stärken

Peru ist mit über 250.000 Corona-Infizierten und 8.000 Corona-Toten der dritte Hotspot in Lateinamerika. Die Erfolgsgeschichte der agrarökologischen Schule des feministischen Zentrums Flora Tristán hält der Pandemie auch nach 100 Tagen Quarantäne noch stand. Bäuerinnen aus dem peruanischen Hochland lernen hier ihr Recht auf wirtschaftliche Teilhabe, Gesundheit und ein Leben ohne Gewalt umzusetzen

Von Tina Kleiber am
Marktstand von APPEQ in Huasao

Produzentinnen von APPEQ trotzen der Krise

Viele Projekte ländlicher Entwicklung wollen die Situation von Kleinbäuerinnen und ihren Familien verbessern. Doch oftmals heißt es nach ein paar Jahren, dass die machistischen Traditionen so stark seien, dass Machtverhältnisse nicht aufgebrochen werden könnten. Anders bei der agroökologischen Schule des feministischen Zentrums Centro de la Mujer Flora Tristán aus Peru, das in der Provinz Quispicanchi tatsächlich Geschlechtergerechtigkeit befördert. Dem kleinen von Elena Villanueva geleiteten Team gelingt es, technische Beratung mit sozialen Fragen zusammenzudenken. Konkret heißt das, die Frauen zu befähigen, die Veränderungen in Landwirtschaft und Familie in Eigenregie vorzunehmen. Wo Bäuerinnen bisher als Hausfrauen betrachtet wurden, die „nur mithelfen auf dem Feld und im Stall“, sind Lerngruppen entstanden und 80 Produzentinnen, die in ihren Haushalten mit Gemüse und Salat die Ernährung verbessern und vervielfältigen. Gemeinsam haben sie die Erzeugergemeinschaft APPEQ gegründet, die Produkte dreimal wöchentlich an eigenen Marktständen verkauft und damit Einkommen schafft – selbst in der Pandemie.

„Krise als Chance“ – das ist leichter gesagt als getan

In 3300 Metern Höhe erleben die Quechua-Gemeinden der Provinz Quispicanchi, die nahe der alten Inkastadt Cusco liegen, unmittelbar die Auswirkungen des Klimawandels: Extreme Temperaturen, Blitzkälte, Hagel, Trockenheit. Diese Erfahrung trug dazu bei, dass sich die Frauen zusammengeschlossen und die Nutzung ihrer Landstücke grundlegend verändert haben. „Wir mussten etwas tun, damit der Hunger nicht über uns kommt“, so Felícitas Quispe, 43 Jahre alt, die ihre Gemeinde Huasao mobilisierte, um nach Auswegen aus der Klimakrise zu suchen. In Peru gibt es rund 700.000 Kleinbäuerinnen, die wie Felicitas unter schwierigen Bedingungen in ihren Gemeinden die Ernährung sichern. Ihre Arbeitstage sind hart und lang und dennoch sind Mangelernährung, Analphabetismus und Armut – gerade aufgrund die Abhängigkeit von Zwischenhändlern - weit verbreitet. Der peruanische Staat vernachlässigt bäuerliche Arbeit, obwohl sie entscheidend ist für den Erhalt der Biodiversität und fördert stattdessen die agroindustrielle Produktion. Die Männer aus Huasao arbeiten längst nicht mehr im Mais- und Kartoffelanbau, weil der Verdienst im Bau- oder Transportwesen in Cusco oder weiter weg, besser ist. Dadurch konnten die Frauen die Nutzung der Gemeinschaftsflächen übernehmen.

Sichtbarkeit, Selbstbewusstsein und eigenes Einkommen machen den Unterschied

Mit Hilfe der Beratung des Centro Flora Tristán lernen sie Gewächshäuser für den Gemüseanbau anzulegen, Biodünger und Insektenschutz selbst zu produzieren, an den Klimawandel angepasste Sorten zu finden und die Bewahrung des lokalen Saatguts zu schätzen. Ein wichtiger Aspekt in der Begleitung der Lerngruppen ist auch die Weitergabe des Gelernten an andere Frauen. Multiplikation ist nicht nur ein Schlagwort, sondern es gibt extra Material und Anleitung wie die Vermittlung von Wissen gelingt. Doch Diversifizierung und Pflanzenschutz allein reichen nicht aus, um das Leben der jungen Quechua-Frauen dauerhaft zu verbessern. Auch innerfamiliäre Gewalt, gesundheitliche Folgen von Überarbeitung und fehlender Respekt gegenüber den Bäuerinnen müssen bedacht werden.

Von Pflanzengesundheit zu Frauengesundheit

Beraterin Jeannette Yuripanqui ist pragmatisch und witzig wie sie die Gruppe von der Vormittagsübung zum ökologischen Schutz von Pflanzen und Böden kurzerhand überleitet zum nachmittäglichen Thema der Selbstfürsorge, die jede Bäuerin für sich lernen muss. Um Respekt, Sexualität und Familienplanung thematisieren zu können, gibt es ein Quechua-sprachiges Theaterstück. Mit viel Spaß und Gekicher wird sich dem Thema sexuelle Gesundheit und Gewalt in kleinen Gruppen genähert. „Nein heißt nein“ und „Schläge sind kein Liebesbeweis“, das gilt in unseren Gemeinden genauso wie in der Stadt, erläutert Yuripanqui. Aufmerksamkeit bekamen die Produzentinnen aus Quispicanchi für ihre ganzheitliche Arbeit zu Agrarökologie, Frauenrechten und Klimaanpassung vor allem beim Besuch der Agrarministerin in Cusco 2019. “Quispicanchi ist wie ein Anzuchtbeet hin zu einer regionalen und nationalen Frauenbewegung für neue Modelle der Ernährungssouveränität, der Produktion und des Konsums“, so Villanueva. “Die agro-ökologischen Schulen von FloraTristán – von denen es auch noch eine im amazonischen Tiefland gibt – schaffen Raum für persönliche und kollektive Stärkung und Entwicklung“

Sensibilisierung der Männer

Damit diese Revolution in Haus und Hof friedlich verlaufen konnte, wurden auch die Partner der Frauen von Anfang an mit einbezogen, erklärt Villanueva: „Die direkte Arbeit mit den Männern, in diesem Fall den Ehemännern der Produzentinnen, ist wichtig, um Veränderungen in der Rollenaufteilung und das gängige Verständnis von Männlichkeit zu hinterfragen. Zu erreichen, dass die Männer den Wert der Produktion und der Versorgungs- und Sorgearbeit der Frauen anerkennen und verstehen, dass sie dafür Mitverantwortung übernehmen müssen, heißt Nachhaltigkeit in gerechteren Geschlechterbeziehungen zu erreichen, wo Macht geteilt wird.“

Agrar-ökologische Transformation braucht Geschlechtergerechtigkeit

Auch in der peruanischen Agrarökologie haben Männer das Sagen. Lukrative Produkte wie Kaffee und Kakao werden hauptsächlich von ihnen vermarktet. Der Fokus der Frauen liegt auf der Familienernährung. Das Fortbestehen der kleinbäuerlichen Landwirtschaft und eine Bewegung hin zur Geschlechtergerechtigkeit sind keine Selbstläufer. Dies zeigt sich in der Covid-19 Pandemie besonders deutlich. Erst nach intensivem Drängen von Gewerkschaften und Frauenorganisationen schaffte die Regierung eine Soforthilfe für kleinbäuerliche Familien im Wert von 760 Soles (€190) auf. Viele Frauen erreicht diese Hilfe jedoch nicht, obwohl sie es sind, die ihre Familien ernähren, denn sie sind als solche nicht registriert. Deshalb setzen sich Flora Tristán und andere Frauenrechtsorganisationen dafür ein, dass bei der Vergabe der Hilfe, die lokalen Frauenverbände einbezogen werden.

Nach 100 Tagen Quarantäne: Gendersensible Post-Covid-19 Budgets

Damit sich diese Benachteiligung nicht ständig wiederholt, fordert das Centro Flora Tristán in der Pressemitteilung zum Tag der Kleinbäuer*in die Beteiligung der Frauen an Budgetentscheidungen, Maßnahmen zur Überwindung der Ungleichheit sowie einen gleichberechtigten Zugang zu Krediten, Beratung, Forschung und Technologie. Dies gilt vor allem für die Aufstellung von Post-Covid-19 Budgets zur Reaktivierung der Landwirtschaft. Organisierte Bäuerinnen setzen sich dafür ein, dass ihr Beitrag zur Ernährungssouveränität, Erhalt der Biodiversität und Anpassung an den Klimawandel endlich berücksichtigt und Benachteiligung entgegengewirkt wird.

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Lachender Junge

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