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EGMR-Urteil erschwert Zugang zu Asyl

Die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) hat gestern in einem für viele Beobachter*innen völlig überraschenden Urteil entschieden, dass Spanien in seiner Exklave Melilla Migrant*innen und Schutzsuchende ohne vorherige Anhörung und Prüfung ihrer individuellen Fluchtgründe nach Marokko zurückführen darf, wenn diese auf irregulärem Weg ins Land gekommen sind.

Von Nils Utermöhlen am
Hände greifen an einen Stacheldrahtzaun

Nach der von ungarischer Seite beschlossene Abriegelung des Grenzuebergangs Horgos-Roeszke lagern die zumeist aus Syrien, Irak und Afghanistan kommenden Fluechtlinge im Niemandsland. Viele der Fluechtlinge demonstrieren gegen Schliessung der Grenze. Foto: Fluechtlinge lassen sich in ihrem Protest vom Stacheldrahtverhau der urgarischen Grenzanlage nicht abhalten.

Sie widersprach damit einem bereits im Oktober 2017 von der siebenköpfigen Kammer des Gerichts erlassenen Urteil, wonach in dem Vorgehen der spanischen Behörden ein klarer Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) besteht.

Gegenstand des Verfahrens war die Beschwerde der aus Mali und Elfenbeinküste stammenden Flüchtlinge N.D. und N.T., die in der Nacht vom 13. August 2014 von marokkanischer Seite aus versucht haben, die mit mehreren Zäunen gesicherte Grenzanlage der spanischen Exklave Melilla zu überwinden. Bei Betreten spanischen Bodens wurden sie direkt von der Polizeieinheit Guardia Civil gestoppt und marokkanischen Sicherheitskräften übergeben, die sie dann nach Marokko zurückführten.

Mit Unterstützung des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und seiner Partneranwälte Carsten Gericke (Hamburg) und Gonzalo Boye (Madrid) haben sie dagegen 2015 vor dem EGMR Beschwerde gegen Spanien eingereicht und in einem ersten Urteil auch Recht bekommen. Die kleine Kammer des EGMR befand in seinem Urteil vom Oktober 2017, dass die Rückführung nicht rechtens war und die spanischen Behörden gegen Artikel 4 des Vierten Zusatzprotokolls (Verbot der Kollektivausweisung) der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen haben. Die Richter erkannten darüber hinaus einen Verstoß gegen Artikel 13 als gegeben an. Dieser beinhaltet das Recht auf effektive Rechtsmittel. Den Beschwerdeführern wurde durch die spanischen Sicherheitskräfte keine Möglichkeit gegeben, behördlich oder gerichtlich gegen ihre Ausweisung vorzugehen.

Dieses Urteil wurde nun durch die Entscheidung der Großen Kammer widerrufen, an die der Fall auf Antrag Spaniens verwiesen wurde. Nach dem Urteil der Richter*innen, hätten sich die beiden Männer selbst in eine rechtswidrige Situation begeben, indem sie in einer Gruppe mit anderen Flüchtlingen versucht haben die Grenze "illegal" zu überwinden. Unter dieser Voraussetzung könne Spanien nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass es keine individuelle Prüfung ihrer Schutzgründe oder einen effektiven Rechtsschutz gegen die Ausweisung gegeben habe. Nach Auffassung der Richter*innen hätten die beiden Männer beispielsweise an einem Grenzposten oder einer diplomatischen Vertretung um Visa oder internationalen Schutz bitten können. Dass dies Migrant*innen und Schutzsuchenden durch marokkanische Sicherheitskräfte regelmäßig verwehrt wird, wie die Anwälte einwendeten und wie auch diverse Medienberichte bestätigen, ließen die Richter als Einwand nicht gelten, schließlich könne das Verhalten marokkanischer Behörden nicht Spanien angelastet werden. 

"Gesetzlose Grenzzone"

Der ECCHR Kooperationsanwalt Boye erklärte in einer Pressemitteilung zum Ausgang des Verfahrens: „Der EGMR akzeptierte nicht nur Spaniens Konzept einer gesetzlosen Grenzzone, sondern schuf auch eine neue Doktrin: Wer sich in eine ungesetzliche Situation begibt, unterliegt nicht dem Schutz der in der Konvention anerkannten Rechte.“

Obwohl sich das Urteil des EGMR ausschließlich auf den Fall in Melilla bezieht, ist zu befürchten, dass sich andere europäische Länder wie beispielsweise Griechenland oder Kroatien in ihrer rigiden Abschottungspraxis  bestätigt sehen. Denn auch dort kommt es nach Medienberichten regelmäßig zu gewaltsamen Rückführungen von Flüchtlingen und Migrant*innnen, ohne dass ihnen die Möglichkeit gegeben wird ihr Recht auf Schutz geltend zu machen. Und das Urteil könnte darüber hinaus dem Trend einer weiteren europäischen Externalisierung der Migrationskontrolle Vorschub leisten, also der Kooperation mit Drittländern, die Flüchtlinge bereits weit vor europäischem Hoheitsgebiet daran hindern auch nur in die Nähe einer Grenze zu gelangen. 

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