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Digitaler Wandel aus der Perspektive des globalen Südens

Unsere neue Publikation beleuchtet die entwicklungs- und menschenrechtspolitischen Auswirkungen der Digitalisierung im Globalen Süden. Gemeinsam mit der Diakonie Katastrophenhilfe analysieren wir die Herausforderungen in den Bereichen Ökonomie, Nachhaltigkeit, Tourismus, Frieden, Zivilgesellschaft, Migration, Geschlechtergerechtigkeit, soziale Sicherheit, Landwirtschaft und Humanitäre Hilfe.

Von Sven Hilbig am
Straßenumzug

Szenen vom Dasara-Umzug auf den Straßen von Mysore

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Projektpartner ICRA - Institute for Cultural Research & Action

Der digitale Wandel schreitet unaufhörlich voran. Nahezu weltweit ist das Internet verbreitet, Technologiekonzerne und digitale Plattformen gewinnen immer mehr an Macht. Innovationen und sinkende Kosten im Bereich moderner Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) beschleunigen den Wandel noch. Im Globalen Norden, insbesondere in Europa, lösten die anfängliche Euphorie darüber längst Skepsis und Debatten über eine notwendige Gestaltung und Regulierung der Digitalisierung ab. Dazu stellt sich immer häufiger die Frage, ob digitale Schlüsseltechnologien wie Künstliche Intelligenz (KI) auch ethischen Maßstäben entsprechen müssen. Im Globalen Süden hingegen findet herrscht angesichts des digitalen Wandels nach wie vor Optimismus. Zahlreiche Regierungen und Unternehmen in den Entwicklungs- und Schwellenländern sehen die Digitalisierung als Chance für eine aufholende Entwicklung.

Staatliche und zum Teil nichtstaatliche Akteure aus der Entwicklungszusammenarbeit konzentrieren sich in erster Linie darauf, Projektpartner im Süden bei der Anwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien in ihrer Arbeit zu unterstützen. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem digitalen Wandel, dagegen schieben sie nicht an Dabei warnt selbst die Weltbank in ihrem im Jahr 2016 veröffentlichten Berichts ‚Digital Dividends‘ davor, Risiken und negative Folgen des digitalen Wandels in der Entwicklungszusammenarbeit außer Acht zu lassen (World Bank 2016). Sie rät ausdrücklich davon ab, dass sich die Entwicklungszusammenarbeit auf eine reine Verbreitung und Anwendung der Informations- und Kommunikationstechnologien konzentriert. Stattdessen bedürfe es einer breit angelegten digitalen Entwicklungsstrategie, in deren Mittelpunkt die Schaffung von passenden analogen Rahmenbedingungen stehen sollte.

Zehn Arbeitsbereiche, zehn Herausforderungen

Die Publikation ‚Die Ambivalenz des Digitalen‘ beleuchtet die entwicklungs- und menschenrechtspolitischen Auswirkungen der Digitalisierung, insbesondere im Globalen Süden. Sie stellt zehn unterschiedliche Themen dar, bei denen sich die Abteilung Politik bei Brot für die Welt sowie die Schwestermarke Diakonie Katastrophenhilfe im Bereich Humanitäre Hilfe mit dem digitalen Wandel auseinandersetzt. Kaum eine politische Fragestellung kommt heute ohne den Aspekt der Digitalisierung aus. Diese Publikation will die Diskussionen über Chancen und Risiken der Digitalisierung um den entwicklungspolitischen Blick bereichern. Sie will nicht den Eindruck erwecken, schon auf alles eine Antwort zu haben. Aber wir wollen die aus unserer Sicht notwendigen Fragen stellen.

Weltwirtschaft

Der Aufbau einer eigenen Industrie sowie die Integration in den Weltmarkt und dessen Wertschöpfungsketten galten lange Zeit als Königswege für eine erfolgreiche Entwicklung. Doch die aufgrund der Digitalisierung verursachten Veränderungen in den Produktionsprozessen stellt das zunehmend in Frage. Die Zweifel wachsen, ob die Digitalisierung die in sie gesetzten Erwartungen an ein Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum sowie zur Bekämpfung der Armut in den Ländern des Globalen Südens leisten kann. Der Beitrag ‚Makroökonomische Veränderungen aufgrund der Digitalisierung‘ erläutert dies anhand von drei Entwicklungen: Rückverlagerung von Produktion, Crowdworking und Digitalisierung von Lieferketten.

Nachhaltigkeit

Obwohl die digitale Revolution jedes der 17 Sustainable Development Goals (SDGs) beeinflusst, findet sie in der Agenda 2030 kaum Erwähnung. Dirk Messner, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung zu Globalen Umweltveränderungen (WBGU), fordert deswegen im Interview eine tiefgreifende Kurskorrektur bei der Umsetzung der Agenda 2030. Seiner Ansicht nach sei es dringend erforderlich, die Digitalisierung im Sinne der Nachhaltigkeitsziele zu gestalten.

Tourismus

Nur wenige Branchen werden durch die Digitalisierung so schnell und drastisch umgestaltet wie der Tourismus. Online-Plattformen wie Trip Advisor oder Uber sind zum marktbestimmenden Vermittler zwischen Reisenden und Dienstleistern wie Hotels oder Taxis geworden. Für kleine touristische Anbieterinnen und Anbieter im Globalen Süden hat diese Entwicklung zwei Seiten. Einerseits können Reisende aus Deutschland eine abgelegene Lodge in den peruanischen Anden online entdecken und buchen. Andererseits zeigen neuste Untersuchungen, dass größere Hotels ihre Angebote erfolgreicher auf internationalen Buchungsplattformen platzieren können als kleine Anbieter. Der Beitrag ‚Tourismus 4.0: Online-Plattformen stellen traditionelle Geschäftsbeziehungen auf den Kopf‘ zeigt diese Schwierigkeiten für kleine Tourismusanbieter und wo Regulierungsbedarf besteht.

Frieden

Seit einigen Jahren verändern autonome Waffensysteme grundlegend den Charakter bewaffneter Konflikte. Was von der internationalen Rüstungsindustrie als die Zukunft der Kriegsführung angepriesen wird, stößt bei Brot für die Welt und vielen anderen auf deutliche Kritik. Mit autonomen Waffensystemen könnte die Schwelle, Konflikte militärisch auszutragen, sinken. Der Artikel ‚Killer Roboter – wenn Maschinen töten‘ stellt dar, wo und wie autonome Waffensysteme zur Anwendung kommen und mit welchen Prinzipien des humanitären Völkerrechtes sie in Konflikte geraten. Der Autor fragt, ob und wie diese Entwicklung noch aufgehalten werden kann.

Zivilgesellschaftliches Engagement

Internationale Zusammenarbeit sozialer Bewegungen und zivilgesellschaftlicher Organisationen ist ohne moderne Kommunikationsmittel nicht mehr vorstellbar. In Ländern mit eingeschränkter Pressefreiheit ist das Internet heute für viele Menschen eine unentbehrliche Quelle für unabhängige Informationen. Andererseits häufen sich die Berichte über Missbrauch bei der Überwachung durch den Staat. In Togo und dem Iran beispielsweise werden bei Wahlen sowie im Rahmen von Protesten digitale Dienstleistungen oder das Internet einfach abgeschaltet. Außerdem nutzen mehr und mehr Staaten das Internet zur Kontrolle und Überwachung sozialer Netzwerke. Der Beitrag ‚Digitalisierung – Chancen und Herausforderungen für zivilgesellschaftliches Engagement‘ zeigt Chancen und Risiken der digitalen Kommunikationsräume und ihre Bedeutung für die weltweite Zivilgesellschaft.

Migration

Der Einsatz IT-gestützter Systeme kann Menschenleben Leben retten. Der gegenwärtige Ausbau digitaler Überwachungstechnologien durch die EU hingegen will vor allem Schleppern und Menschenhändlern das Geschäft verderben, wie der Beitrag ‚Totale Kontrolle: Europas digitale Außengrenzen‘ zeigt. Durch biometrische Datenerfassung soll die Grenzkontrolle vorangebracht werden. Mit der Erhebung sogenannter „Pre-Frontier-Daten“ verschieben sich die digitalen Grenzen Europas weit außerhalb der geografischen Grenzen. Bereits in Küstenregeionen wie beispielsweise Tunesien, Algerien oder Libyen beobachtet die EU so Menschen, um sie auf ihrem Weg nach Europa aufzuhalten.

Geschlechtergerechtigkeit

Die Digitalisierung eröffnet Frauen weltweit neue Zugänge zu Informationen, Dienstleistungen und neuen beruflichen Möglichkeiten. Das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Frauen häufig nur beschränkten Zugang zu genannter Informations- und Kommunikationstechnologie haben. Der Artikel ‚Die Digitalisierung verstärkt die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern‘ erklärt die Ursachen der geschlechtsbedingten digitalen Kluft und warum die Frage nach der Gestaltung der Digitalisierung eine Gender-Dimension hat.

Soziale Sicherheit

Weltweit kommen 2,5 Milliarden Menschen Sozialhilfeprogramme zugute. In zunehmenden Maße werden biometrische Technologien wie Irisscanner oder Gesichtserkennung zur Überprüfung der Identität eingesetzt und Informationssysteme vom Zivilregister bis hin zu Strafverfolgungsdatenbanken integriert. Auch für Unternehmen sind solche Daten interessant. Sie nutzen diese, um ihre Geschäfte effizienter zu gestalten, zur Betrugsbekämpfung und Kostensenkung. Welche Risiken das jedoch für die Menschen bedeutet, die ihre biometrischen Daten zur Verfügung stellen müssen, erklärt Magdalena Sepúlveda, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungsinstitut der Vereinten Nationen für soziale Entwicklung und Mitglied der unabhängigen Kommission für die Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung (ICRICT), im Interview ‚Digitale Technologien in der sozialen Sicherheit - Datenschutz nur für Reiche?‘.

Landwirtschaft 4.0

Bei der weltweiten Überwindung von Hunger und Armut werden große Hoffnung auf die Digitalisierung in der Landwirtschaft gesetzt. Der Artikel ‚Digitale Landwirtschaft: Mit Algorithmen den Hunger bekämpfen?‘ blickt skeptisch auf die gegenwärtige Entwicklung einer Landwirtschaft 4.0. Für die arme bäuerliche Bevölkerung im Globalen Süden besteht die Gefahr, dass die selektiven Beratungsangebote von Agrotech-Unternehmen lediglich dazu dienen, ihre Geschäftsmodelle auf den Markt zu bringen. Das würde häufig zu einer Einschränkung agrarökologischer Anbaumethoden führen.

Humanitäre Hilfe

Der digitale Wandel macht auch vor der Humanitären Hilfe nicht halt. Eine steigende Zahl von Nichtregierungsorganisationen nutzt neue Technologien zur besseren und schnelleren Reaktion auf Krisen. Der Beitrag ‚Digitalisierung in der Humanitären Hilfe am Beispiel von Geldleistungen und Gutscheinen‘ schildert verschiedene Anwendungsfelder digitaler Techniken. Ein Projekt der Diakonie Katastrophenhilfe aus dem Sudan zeigt die Möglichkeiten der schnellen Unterstützung durch digitale Zahlungsmittel. Zugleich skizziert der Artikel, wie Risiken wie mangelhafter Datenschutz bei Missbrauch genau die Menschen gefährdet, die unterstützt werden sollen.

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Lachender Junge

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