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Ein Ort, von dem man sehr viel lernen kann

Maria fährt zu ihrem Einsatzplatz in der Provinz Kambodschas. Häuser ziehen vorbei. Meistens auf Stelzen, mit Wellblech. Manche mehr und manche weniger schön. So etwas hat sie noch nie gesehen. Nur auf Fotos und vielleicht in Filmen. Und so wirken die Bilder für sie auch: wie ein Film.

Von Klaus Ehrlich am

Die Bilder wirken wie ein Film

„Oder wie eine Ausstellung von vielen Bildern über ein Land, das ich nie bereist habe. Nie gesehen habe. Armut, Reichtum, Geschäft, Feld. Mehr Grün, als ich in den letzten Wochen sah, auch wenn größtenteils Häuser am Straßenrand sind", denke ich mir während meiner ersten Fahrt nach Prek Chrey. Prek Chrey, das ist eine Gemeinde an der Grenze zu Vietnam, in der mehr ethnische Vietnamesen als Khmer leben und der Hauptarbeitsort meiner Organisation.

„Es sieht alles so arm aus hier. Nicht wirklich schön. Hier möchte man eher nicht anhalten.“

Kaum gedacht, schon hielt der Bus. Aussteigen. Natürlich.

Doch jetzt, sechs Monate später, schäme ich mich für den Gedanken, den ich damals hatte.

In Prek Chrey wurde in den letzten Jahren so viel gearbeitet und es hat sich so vieles getan. Diese Gemeinde kann unglaublich stolz auf sich sein – und ist es auch. Warum?

Das hängt viel mit der Arbeit von KCD zusammen, meiner Organisation, über die ich jetzt ein wenig erzählen möchte.

KCD steht für Khmer Community Development und entstand aus einer Studentenorganisation heraus. Nach Prek Chrey kam KCD 2005 mit dem Ziel, die Zustände in der Gemeinde zu verbessern. Und so entstanden anfangs drei Projekte, die im Januar noch um ein viertes erweitert wurden.:

  • Die Gemeinde zu entwickeln - den Lebensstandard zu erhöhen, die Einkommen zu steigern, sich für die Gleichberechtigung einsetzen, die Gesundheit des Dorfes verbessern.
  • Den Frieden zu stärken -  Khmer und ethnische Vietnamesen einander näherzubringen, Konflikte zu reduzieren, Gemeinsamkeiten zu fördern, sprachliche Barrieren abbauen und überwinden.
  • Kinderrechte fördern - Kindern helfen, ihre eigene Stärke zu finden, Bildung zu fördern, Chancen zu schaffen.
  • Ein Ernährungsprojekt.

Seit dieser Zeit hat sich viel getan. Da ich größtenteils im Kinderrechtsprojekt arbeite, möchte ich ein wenig zeigen, was dort gemacht wurde.

Der Peace Club

Hierzu, wieder, ein Auszug meines Tagebuchs, das ich während der ersten Sitzung des Peace Clubs schrieb, an der ich teilnehmen durfte.

„40 Kinder. Lautes Lachen, lautes Khmer. Mittendrin ich. Ich verstehe nichts, aber das ist nicht schlimm. Zwischendrin übersetzen mir meine Mentoren, ein paar Sachen, aber manchmal vergessen sie es auch. Ich, die Beobachterin, allerdings in meiner Rolle kaum unauffällig, werde ich doch oft angestarrt. Aber auch das ist nicht schlimm. Ich erfahre so viel. Die Kinder, bzw. Jugendlichen organisieren sich selbst. Sie wählen ihre eigenen Anführer, besprechen ihre eigenen Aufgaben. Manche sind etwas mehr dabei und enthusiastischer als andere, aber das ist ja soweit normal. Sie haben viel Verantwortung, jährliche Berichte, Finanzplanung, das Organisieren von Meetings und Anwerben von Mitgliedern. Und dann noch die inhaltlichen Aufgaben. Das Ziel: Frieden. Bildung. Kinderrechte. Menschenrechte. Aufgaben, denen sich jeder Politiker stellen sollte. Doch hier in Prek Chrey sind es die Kinder, die sich an diesen weltbewegenden Aufgaben versuchen. Und man merkt – sie sind nicht nur erfolgreich, sondern auch wirklich stolz drauf.“

KCD hatte damals angenommen, dass sie, wenn sie den Jugendlichen eine Möglichkeit gibt, sich zu engagieren, diese nicht nur viele Erfahrungen sammeln und den Wert von Bildung verstehen, sondern auch ein Bewusstsein für Kinderrechte entwickeln und dadurch ihr eigenes Selbstbewusstsein steigern.

Dies ist auch genau so geschehen, doch ganz nebenbei entstand noch ein anderer Effekt: Das Selbstbewusstsein der Jugendlichen reflektierte auf die Gemeinde und führte dazu, dass die Eltern, die Lehrer, die lokalen Autoritäten und die Communityleader die Kinder und deren Forderungen ernst nehmen. Etwas, das vorher nicht möglich gewesen wäre.

Small teacher

Ein weiteres, konkretes Beispiel für den Erfolg des Projekts stellt für mich meine Freundin Chiva dar, eine Person, die mich sehr inspiriert und die ich sehr ins Herz geschlossen hab.

Chiva war etwa neun Jahre alt, als KCD nach Prek Chrey kam. Sie sah, wie sich die ersten Mitglieder veränderten und wie selbstbewusst die Jugendlichen wurden. Das motivierte sie, sich ebenfalls dem Peace Club anzuschließen und so wurde sie auch zu einem „small teacher“, einer Lehrerin für kleinere Kinder aus dem Dorf, an die sie ihr Wissen weitergab.

Chiva war stets sehr aktiv im Peace Club, hat kaum Treffen verpasst und war bei jeder Aktivität dabei. Durch ihre Erfahrungen erlangte sie ein starkes Selbstvertrauen, das auch ihre Schwester motivierte, dem Peace Club beizutreten.

Als sie jünger war, blieb sie auf ihrem Weg zum nächsten größeren Markt oft bei der High School stehen, die sich außerhalb von Prek Chrey befand. Sie träumte, sie würde dort zur Schule gehen können, wenn sie älter wird. Ein Traum, von dem sie wusste, dass er von ihrer Familie keine Unterstützung finden würde. Im Peace Club jedoch öffnete sie sich eines Tages und mit der Unterstützung und Beratung durch KCD fand sie auch die Stärke, ihre Eltern mit ihrem Wunsch zu konfrontieren.

Mit der Erlaubnis, jedoch ohne Unterstützung ihrer Familie ging sie jeden Tag in ihre neue Schule, auch wenn das bedeutete, um 3 aufzustehen um sich das eigene Essen zu kochen und frühzeitig loszufahren, da sie die 12 km bis zur Schule mit dem Fahrrad zurücklegte. Chiva jedoch war glücklich, dort lernen zu können. Als ihre Familie bemerkte, wie stark Chivas eigener Wille war und wie glücklich sie das machte, wandelte sich ihre Einstellung und so kochte dann morgens ihre Mutter für sie und unterstützte sie auch finanziell.

Heute lernt auch ihre kleine Schwester an der High School.

Im August 2017 hat Chiva das kambodschanische Abitur bestanden und die Schule beendet. Ihr sichtbares Streben nach höherer Bildung und ihr starkes Engagement hat sie für ein Stipendium für Gemeindeentwicklungswissenschaften an der Royal University of Phnom Penh, der ältesten und besten Universität Kambodschas, qualifiziert.

Letzte Woche fand an dieser Universität ein Markt statt, um die neue „Entwicklungs“-Fakultät zu zelebrieren. Chiva, natürlich, war nicht nur eine Freiwillige im Organisationsteam, sondern rannte in ihrer Position als „booth controll“ stets von einem Stand zum nächsten.

Und während ich sie da so beschäftigt rennen sah – ich half bei dem Markt ebenfalls aus und unterstützte eine weitere Freundin von mir an ihrem Stand – kam mir ein Gedanke. Was, wenn es KCD nicht gegeben hätte?

Chiva wäre nie im Peace Club gewesen, den es ohne KCD nicht gegeben hätte. Vermutlich hätte sie nie die Schule beendet, sondern wäre von ihrer Familie motiviert wurden, sich früh eine Arbeit zu suchen und zu heiraten und eine Familie zu grünen. Chiva hätte vermutlich nie ihre eigene Stärke entdeckt, nie geglaubt, dass sie zu all dem fähig wäre, was sie kann.

Manchmal, erzählte mir Chiva, fragte sie sich auch heute noch, wieso gerade sie es geschafft hat und wie es kam, dass sich ihr Leben so verändert hatte.

Sie ist sehr dankbar für KCD, was man nicht nur darin merkt, dass sie nun, da sie in Phnom Penh lebt und studiert, auch noch halbtags für die Organisation arbeitet. Man spürt es in Gesprächen mit ihr und wenn sie wieder in Prek Chrey ist und dort die Peace Club Meetings leitet, an denen sie früher selbst teilgenommen hat.

Sie ist ein Vorbild - nicht nur für die Kinder in Prek Chrey, die ihren Erfolg bewundern und so gelernt haben, dass auch sie es schaffen können, wenn sie sich nur genug anstrengen - sondern auch für mich. Sie arbeitet hart und versucht stets alles zu geben.

Und ist dabei einer der freundlichsten Menschen, den ich kennenlernen durfte.

Für mich verkörpert sie den Geist Prek Chreys und seiner Einwohner.

„In der Zukunft möchte ich meinen Geschwistern und den anderen Kindern in Prek Chrey helfen. Damit sie es leichter haben als ich. Vielleicht werde ich als Jugendberaterin arbeiten. Aber ich möchte helfen, Leben zu verändern, so wie meins verändert wurde.“

Es ist eine ganz besondere Gemeinde. Ein ganz besonderer Ort.

Ein Ort, von dem man sehr viel lernen kann.

 

Bilder und Text: Maria Seidler

 

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