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Busgeflüster

Tiflis platzt aus allen Nähten. Stine ist vom Verkehr in der georgischen Hauptstadt ziemlich überrascht: Einerseits Dauerstau und -chaos, andererseits super-moderne Busse mit WLAN, USB-Ports an jedem Sitzplatz und einem extrem günstigen, einfachen Ticketsystem.

Von Freiwilligendienst Nord-Süd am

Ein seltener Moment der Ruhe: So unbedrängt kann man auf dieser Straße normalerweise nicht stehen. Aber die Rustaveli Avenue, die Hauptverkehrsader vonTiflis, bekommt ein "Upgrade" der ohnehin schon exzessiven Weihnachtsbeleuchtung.

Ich sitze im Bus auf dem Weg zur Arbeit. Es ist nicht einfach irgendein Bus, es ist ein dunkelblauer MAN, der mit mir an Bord durch die Straßen der georgischen Hauptstadt Tiflis kriecht und sich seit gefühlten Ewigkeiten kaum voranbewegt hat. Er ist vollkommen modern ausgebaut und eingerichtet, bietet reichlich Platz, um zu sitzen oder auch sicher zu stehen, hat eine ausklappbare Rampe und Platz für einen Rollstuhl, sowie extra markierte großzügige Sitze für Menschen mit eingeschränkter Mobilität. Man kann ebenfalls sein Handy oder sonstige Geräte während der Fahrt an einem der unzähligen USB-Ports, mit welchen die einzelnen Sitzbänke ausgestattet sind, mit Strom versorgen. Dies ist sehr praktisch, nicht nur weil viele Bewohner der Stadt täglich viel Zeit in diesen Bussen auf dem Weg zur Arbeit oder nach Hause verbringen, sondern auch für den Fall, dass der Strom zuhause mal wieder versagt. Darüber hinaus werden die Busse, die das Tifliser Stadtbild seit 2016 ergänzen, mit komprimiertem Erdgas (CNG) betrieben und sind daher für weniger gesundheitsschädliche Abgase und Lärm verantwortlich.

Als ich zum ersten Mal eins der rund 140 Gefährte dieses Modells in der Stadt kurz nach meiner Ankunft im August erspähte, war ich mehr als überrascht: Ich war schockiert. Wie kann es sein, dass ein Land des sogenannten globalen Südens über bessere Busse verfügt als meine Heimatstadt? Und diese dann auch noch zu einem unschlagbaren Preis anbieten kann (beliebig viele Fahrten innerhalb von eineinhalb Stunden kosten umgerechnet ca. 17 Cent)?? Selbst die vielen digitalen Anzeigetafeln an den Bushaltestellen schienen die abfahrenden Busse meist pünktlich anzuzeigen, während das Ticketsystem basierend auf kreditkartengroßen Chipkarten, mit denen man in den Fahrzeugen und an Metrostationen einchecken und damit seine Fahrten abrechnen kann, schien zu einfach und effektiv um war zu sein. Es dauerte aber dann auch nicht all zu lange, bis ich auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wurde. Die blauen Busse, die ebenso wie die vielen neuen Outdoor Fitness Oasen in der Stadt in der Farbe der momentan regierenden Partei „Georgian Dream“ angestrichen wurden, sind nämlich bei Weitem nicht die einzigen Teilnehmer am Tifliser Straßenverkehr. Das weit ausgebreitete öffentliche Verkehrsnetz der Stadt wird neben zwei Metro-Linien, vier Seilbahnen und einer Reihe Minibusse (Maschrutky), von kleineren gelben Bussen komplettiert. Diese lärmen und rütteln nicht nur so sehr, dass man die Musik in seinen Kopfhörern oft auf volle Lautstärke stellen muss um etwas zu hören, sie stoßen auch in einer Tour alles vernebelnde tiefgraue Abgaswolken aus. Darüber hinaus, gibt es immer noch eine Menge Einwohner, die sich lieber auf ihre Privatfahrzeuge oder auch eins der unendlich vielen günstigen Taxis (eine innerstädtische Fahrt kostet selten über zwei Euro) für den Arbeitsweg verlassen. Leider werden nur sporadisch ihre Verkehrstüchtigkeit und Feinstaub-Emissionen geprüft. Kein Wunder, dass die Stadtluft in Tiflis als eine der verunreinigsten der Welt gilt.

Aber es ist nicht mal unbedingt die Qualität des öffentlichen Nahverkehrs und die dadurch verursachte Luftverschmutzung, die mir in meiner Anfangszeit in Tiflis zu schaffen macht. Es ist vor allem die Menge, die schiere Anzahl an Menschen, die sich in Busse, Taxen und Privatfahrzeuge quetschen, um möglichst schnell von A nach B zu kommen und dabei meist früher oder später in den Verkehrsmassen stecken bleiben. Während Georgien Migration und der nationale „Brain Drain“ zu schaffen macht, platzt die Hauptstadt aus allen Nähten. Der durch fehlende ökonomische Möglichkeiten bedingte ländliche Exodus verschärft diese Situation nur noch mehr. Von den rund 3.7 Millionen in Georgien lebenden Menschen haben ca. 1.5 Mio. in und unmittelbar um Tiflis herum ihren Wohnsitz. Seit wenigen Wochen bin auch ich wieder eine von ihnen. Nach der dreiwöchigen Orientierungsphase in der Stadt, verbrachte ich zwei Monate im Nordosten des Landes und erlebte dort den starken Kontrast zwischen dem Leben auf dem Land gegenüber dem in Tiflis. Um dort erstmal hinzugelangen, nutzte ich oft eins der geteilten Taxis mit denen man per festgesetzten Preis bequem und schnell die Strecke hinter sich bringen konnte. Der soweit einzige und doch erhebliche Nachteil dieser Art von öffentlichen Verkehrsmittel war jedoch, dass man nie genau wusste, wann ein Auto voll besetzt und damit abfahrbereit werden würde. So wartete ich mal nur zwei Minuten, manchmal aber auch knappe zwei Stunden. Ansonsten lässt sich der Rest des Landes bequem per Maschrutka oder auch Zug bereisen. In und um meinen Arbeitsplatz war ich allerdings auf meinen Gastvater und einige Kollegen angewiesen, die mich zur Arbeit und nach Hause fuhren. Ohne lange Staus auf den Landstraßen ließen sich die sieben km Arbeitsweg innerhalb von zehn Minuten überwinden. Als ich dann zurück in den Großstadtdschungel kehrte, fühlte ich mich soweit bereit für die neuen alten Herausforderungen. Doch nun sitze ich in diesem modernen Bus im Stau mit der Gewissheit, mindestens 20 Minuten zu spät zu meinem ersten Arbeitstag zu kommen. Heute brauche ich für keine sechs km fast eine Stunde. Auf Google Maps kann man sich, was öffentliche Nahverkehrsverbindungen und deren Zeiten angeht, gerade in der Rush-Hour (ca. 9-12 Uhr morgens sowie 16-20 Uhr abends) nur selten verlassen. Deshalb werde ich jetzt wohl auf die Metro zurückgreifen müssen. Diese ist zwar meist bis zum Rand gefüllt und auf dem Weg zur Arbeit muss umgestiegen werdem, aber immerhin sind die Tunnel soweit staufrei und gehupt wird hier auch wesentlich seltener.

Durch meine Arbeit bekam ich in der letzten Woche die Chance an einer Konferenz zum Thema Luftverschmutzung in Georgien teilzunehmen. Neben den unterschiedlichen Strategien zum Messen und Vermindern der Abgase und des Staubs in Tiflis, konnten hier auch verschiedene Organisationen ihre Bedenken und Ideen loswerden. Dabei sollen in Zukunft öffentliche Verkehrsmittel durch eine wachsende Bus-Flotte und separierte Bus-Spuren schneller, verlässlicher und rundum attraktiver gemacht werden und auch die unzähligen Taxis in der Stadt strenger kontrolliert und reguliert werden. Darüber hinaus soll ein neues, smarteres Ampelsystem ausgeklügelt werden, gezielt aufgeklärt werden, und auch die Tage der gelben Umweltsünder sind gezählt. Ab kommendem Februar werden diese allesamt durch weitere moderne (diesmal grün-weiße) Busse ersetzt, die dann auch über WLAN verfügen sollen. Allerdings handelt es sich hierbei neben ein paar wenigen Elektro- und einigen Gas-betriebenen Busse, auch um viele neue Diesel-Motoren. Inwiefern diese die Luftverschmutzung, sowie das tagtägliche Verkehrschaos an allen Knotenpunkten der wachsenden Stadt bekämpfen können, bleibt fraglich.

Text: Stine Dau

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