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Schwierige Fragen der Entwicklungszusammenarbeit

Es gibt es Vieles, was Entwicklung in Afrika zu einem sehr mühsamen und langsamen Prozess macht. Neben Korruption und schlechter Regierungsführung sind es vor allem internationale wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Dies lässt sich am Beispiel Nigeria gut verdeutlichen.

Von Prof. Dr. h. c. Cornelia Füllkrug-Weitzel am

Trump, AFD und Co. wollen Entwicklungsmittel kürzen. Sie bedienen sich populärer Zweifel, am Sinn von Entwicklungszusammenarbeit: „Was hat sie denn gebracht in all den Jahrzehnten?“ und „die Regierenden sind doch allesamt korrupt und die Afrikaner haben das Arbeiten nicht erfunden“. Tatsächlich gibt es Vieles, was Entwicklung in Afrika zu einem sehr mühsamen und langsamen Prozess macht. Korruption und schlechte Regierungsführung sind sicher wichtige Faktoren. Daneben sind es vor allem internationale wirtschaftliche Rahmenbedingungen: Sie führen dazu, dass trotz des hohen Finanzierungsbedarfes im öffentlichen und sozialen Sektor seit Jahrzehnten zig mal so viel mehr Mittel aus Afrika rausgeholt worden sind, als an Entwicklungshilfe geleistet wurde. Internationale Nahrungsmittel-, Roh- und Mineralstoffkonzerne, Handelskonzerne, Banken, Exporteure und Händler von Rüstungsgütern haben extrem gut an Afrika verdient in den letzten Jahrzehnten.

Schwache Regierungen können sich international kaum gegen unfaire Handelsbedingungen etc. wehren, um die eigenen Märkte zu stützen und Wertschöpfung zu schaffen. Korrupte Regierungen sind gegen entsprechende Zahlung willig, das Land und seine Ressourcen zu verschleudern. Davon profitieren internationale Investoren, Händler, Banken. Einige von ihnen haben die Unwilligkeit afrikanischer Politiker, nicht ihrem Volk, sondern nur sich selbst zu dienen, durchaus zu ihren eigenen Gunsten bedient und gepflegt. Zur Korruption braucht es immer zwei.

Daneben oder on top gibt es noch viele andere Faktoren, die dazu führen, dass Entwicklungsprozesse nicht so von statten gehen, wie erhofft und Programme nicht durchgeführt werden können. Klimawandel wäre so einer, oder Gewaltkonflikte. Letzteres lässt sich gut am Beispiel Nigerias verdeutlichen, das ich gerade bereist habe. Partner, die wir dort unterstützen, haben von einigen Schwierigkeiten berichtet:


Gewalt verhindert Zugang für Helfende

„Die politische Instabilität beeinflusst unsere Arbeit in vielfacher Hinsicht“ erzählt uns Nehemia, ein Mitarbeiter von RURCON. Gemeint sind die Gewalttaten von Boko Haram im Nordosten Nigerias und die Überfälle von „Fulani“ genannten Nomadenstämmen, die auf Rachefeldzug in Regionen des Nordens und des Middle Belt sind. Eine mangelhafte Landnutzungspolitik und der Bevölkerungsdruck haben dazu geführt, dass Kleinbauern das Land bebauen, das traditionell zu bestimmten Jahreszeiten als Korridor und Weidegrund für die durchziehenden Nomaden frei gehalten wurde.


„Es gibt im Norden viele no-go Areas, in denen wir unsere Aktivitäten und Maßnahmen mit der Bevölkerung schlicht nicht mehr fortführen können.“ Das beginnt mit der Sicherheitslage in den von Gewaltüberfällen heimgesuchten Gebieten. Es geht weiter damit, dass bei den Überfällen sämtliche Felder und Gerätschaften zerstört, die Tiere abgeschlachtet, zerstreut oder weggeführt wurden. Soziale Einrichtungen, Schulen, Gotteshäuser – alles niedergebrannt. Viele Männer wurden getötet, die Frauen und Kinder sind geflohen, die Dorfgemeinschaften zerstreut. Mit ihnen sind die Mitarbeitenden von lokalen und internationalen NGOs, selbst viele Mitarbeitende von Kirchen und kirchlichen Einrichtungen, wie Krankenhäuser, geflohen. Selbst die Kirchen haben zu einigen Regionen im Nordosten Nigerias seit Monaten keinerlei Kontakt mehr. Wie groß das Maß der Zerstörung an sozialer Infrastruktur und Landwirtschaft ist, weiß keiner. Unser Partner CHAN (Christian Health Association of Nigeria) geht davon aus, dass mindestens 40 christliche Krankenstationen im Nordosten zerstört wurden. Viele andere gibt es gar nicht: die Kirchen sind in diesen schwer erreichbaren Gebieten der Pfeiler des Gesundheitswesens.

Doch aufgrund der Zerstörung in den Gewaltregionen sind die vom Partner eingesetzten ca. 180 Mitarbeitenden im Gesundheitsbereich jetzt arbeitslos. Ihnen fehlen die Einnahmen aus den Gesundheitsstationen, die sonst ihre Stellen finanzieren. Soll man sie jetzt entlassen, die über Jahre eine gute Aus- und Fortbildung erhalten haben? Mit wem wird dann die Arbeit fortgesetzt, wenn es wieder möglich ist?

Und soll man sie entlassen, obwohl sie unter schwierigsten Bedingungen und Gefahren in Treue zu ihrer professionellen und ihrer christlichen Ethik im Nordosten Dienst geleistet haben, als alle Internationalen schon längst die Gegend verlassen haben? Das ist ein generelles Problem in der Entwicklungszusammenarbeit und Humanitären Hilfe, denn  welcher Spender oder welche Regierung möchte für eine solche „Hängepartie“, für Mitarbeiter, für die temporär keine Arbeit da ist, Geld ausgegeben sehen? Überlässt man diese Sorge freilich den lokalen Partnern, kann es für sie zur institutionellen Krise führen, die evtl. zu ihrem Niedergang führt. Das wiederum schwächt die ohnehin eher schwache Zivilgesellschaft noch weiter.

Ca. 1,8 Mio. Menschen in Nigeria gelten als „Intern Vertriebene“ (IDPs) d.h. sie haben die Gewaltregionen verlassen und irgendwo im Land Zuflucht gesucht. Weitere 200.000 Menschen haben auf ihrer Flucht die Landesgrenzen verlassen und leben derzeit vorübergehend in Nachbarländern. Sie leben zerstreut irgendwo, keiner hat einen Überblick darüber. Sie alle sind mittellos und auf Unterstützung angewiesen. Die erhalten sie primär von selbst armen Verwandten, Gastfamilien und – Kommunen, denn Nigeria durchläuft gegenwärtig eine gewaltige Wirtschaftskrise mit galoppierender Inflation und extrem hoher Arbeitslosigkeit. Nur Wenige haben Zuflucht in Camps gefunden, erhalten dort aber von der Regierung buchstäblich nichts. Und das obwohl die Regierung von der Staatenwelt bei der Geberkonferenz in Oslo in diesem Jahr mit 670 Millionen Euro durchaus viele Mittel für humanitäre Hilfe zugesagt bekommen hat. Doch ob und wann die Hilfe bei den Menschen ankommt, steht in den Sternen. Und wiederum: wie darauf reagieren?


Die Vertriebenen in den Camps sich selbst überlassen, weil die Regierung eigentlich genug Geld für sie von der Völkergemeinschaft zugesagt bekommen hat? Oder die Partner der Entwicklungszusammenarbeit ermuntern, mit Capacity-Building und finanzieller Unterstützung unsererseits – nicht nur in den Camps, sondern auch in den Gastgemeinden – den Vertriebenen beizustehen? Beizustehen mit materieller Unterstützung, aber auch mit Traumaheilung? Obwohl das mit langfristiger Entwicklung nichts zu tun hat, sondern humanitäre Hilfe ist? Langsam aber sicher so also zu einer Veränderung der Arbeits-Prioritäten beizutragen, obwohl jeder weiß, dass langfristige Entwicklungs-und Friedensbemühungen die beste „Versicherung“ und Prävention gegen Gewalt und humanitäre Krisen sind?

Versöhnungs-und Friedensarbeit als Grundlage für Entwicklung

Die Friedensarbeit unserer christlichen Partnerorganisationen leistet eigentlich genau dazu einen hervorragenden Beitrag. Immer mehr Interreligiöser Dialog-, Jugend-, oder Mediations- und Versöhnungsprogramme werden von uns gefördert. Das ist in Nigeria extrem wichtig. Aber auch sie bringen die Entwicklung nicht weiter, sondern verhindern eine weitere Zerstörung bisheriger Entwicklungserfolge. Sie schaffen überhaupt erst mal wieder die Voraussetzungen für Entwicklung. Ist Entwicklungszusammenarbeit deshalb sinnlos oder erfolglos? Wohl kaum! Populistische Parolen verbreitet nur, wer blind für Realitäten ist.

 

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