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Schutzzonen im Nordosten Kambodschas

Brot für die Welt hat momentan über 30 Partnerorganisationen in Kambodscha, welche finanziell und personell unterstützt werden. Eine davon ist „Save Cambodia’s Wildlife“.

Ein Bericht von Martin, der seit August 2017 hier einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst absolviert.

Von Klaus Ehrlich am

„Save Cambodia’s Wildlife“ (SCW) befasst sich mit Fragen des Umweltschutzes und der Umwelterhaltung und führt Programme zur Umwelterziehung und Beratung von Gemeinden durch. Neben dem Hauptbüro von SCW in Phnom Penh gibt es momentan noch drei weitere Bueros in den Provinzen Kratie, Stung Treng und Ratanakiri, wo die aktuellen Projekte stattfinden. Ich arbeite bis jetzt überwiegend im Hauptbüro, konnte mir aber auch schon einige Einblicke von unserer Projektarbeit direkt vor Ort verschaffen und werde in den kommenden Monaten dauerhaft für den Rest meines Freiwilligendienstes in eines unserer Projektgebiete ziehen.

Ein Projekt von SCW in Ratanakiri im Nordosten Kambodschas mit einem unserer Partner, der Welthungerhilfe (WHH), endet dieses Jahr, daher wird zum Abschluss eine Umfrage in den Projektgebieten durchgeführt. Dabei handelt es sich um insgesamt 32 Dörfer, welche in 7 verschiedenen rechtlichen Schutzzonen, den sogenannten „Community Protected Areas“ (CPAs) organisiert sind. Das übergeordnete Ziel des Projekts mit der WHH ist die Bewahrung des tropischen Regenwaldes und der Biodiversität innerhalb der CPAs. Dafür wurden die Zielgruppen während des Projektes über ihre Landrechte aufgeklärt, um sich gegen externe Akteure wehren zu können, es wurden viele Seminare zu nachhaltigem Umgang mit der Umwelt durchgeführt, ebenso wurde viel Öffentlichkeitsarbeit betrieben.

Ein kurzer Einschub zur Problematik: Neben der illegalen Abholzung sind sogenannte „Economic Land Concessions“ (ELCs) ein großes Problem in Kambodscha. Während der Herrschaft der roten Khmer waren privater Besitz und Besitzansprüche strengstens verboten. Es wurden so gut wie alle Urkunden und Nachweise dahingehend vernichtet. Im Nachhinein war es daher sehr schwierig, ehemalige Besitzansprüche wieder geltend zu machen. In den letzten Jahrzehnten machten sich das viele internationale Unternehmen zu nutze, kauften riesige Flächen Land für ihre Plantagen und vertrieben die Bewohner. Diese Aktivitäten halten bis heute an, sind mehr oder weniger legal und werden von der kambodschanischen Regierung auch weitestgehend getragen. Für die Bewohner ist es sehr schwer, sich juristisch dagegen zu wehren, außerdem kommt es des Öfteren zu Einschüchterungen durch die Polizei. Mit der Errichtung von Schutzzonen, CPAs, versucht man, sich dagegen zu wehren und die Dorfbewohner zu schützen.

Zu Beginn des dreijährigen Projektes mit der WHH wurde eine Umfrage durchgeführt, um eine Einschätzung über die aktuelle Situation zu bekommen. Die Zielgruppen wurden nach den oben genannten Themen befragt. Zum Ende dieses Projektes hin wird nun erneut eine Umfrage mit ähnlichen Fragen durchgeführt, die Antworten werden ausgewertet und die Ergebnisse mit der ersten Umfrage verglichen. Dadurch kann man abschätzen, wie erfolgreich das Projekt insgesamt war, in welchen Bereichen man für eventuelle neue Projekte weitere Bemühungen benötigt usw.

Mir wurde von SCW angeboten, dass ich an dieser vier-tägigen Umfrage in Ratanakiri teilnehmen kann, worüber ich mich sehr freute. Für die ersten drei Tage der Umfrage fuhr ich mit mehreren Kollegen zu zwei CPAs namens O’Khampa und O’Tabok, beide liegen nordöstlich von der Stadt Banlung am Tonle San Fluss an der Grenze zum Virachey Park, wo ich vor zwei Monaten bereits in dem indigenen Dorf Mondul Yorn war. Die Dörfer dort sind sehr abgelegen und bieten nur sehr einfache Lebensbedingungen, weitestgehend ohne fließendes Wasser (den Fluss mal ausgenommen) oder Stromversorgung. Die Bewohner gehören überwiegend der indigenen Gruppe der „Brao“ an. Wie die meisten der indigenen Gruppen haben sie ihre eigene Sprache, viele der Angehörigen sprechen heutzutage aber auch Khmer. Für mich ist es zunächst schwer ersichtlich, woran man indigene Dörfer erkennt, da viele dieser Dörfer zwar sehr ländlich sind und abgelegen liegen, aber die Bewohner z.B. auch Moped fahren, recht normale Kleidung tragen, viel Plastik nutzen usw. Neben der Sprache gibt es jedoch noch viele andere Besonderheiten, oftmals haben diese Menschen einen anderen vorherrschenden Naturglauben neben dem Buddhismus. Wir übernachteten die zwei Nächte bei einer Familie, die vor kurzem ein Neugeborenes bekommen hat. Es ist Brauch, so wurde es mir erklärt, dass die Frauen ihr Kind in einer eigens für diesen Nutzen gebauten, kleinen Hütte zur Welt bringen. Nach diesem Ereignis wird die Hütte wieder abgebrannt, ich habe nur noch vier große Pfeiler und ein Häufchen Asche liegen sehen. In einem anderen Dorf stand eine Topfpflanze vor einem Haus. Ein Kollege erklärte mir, dies sei ein Zeichen dafür, dass man dieses Haus nicht betreten darf, da dort etwas Schlechtes passiert sei.

Während der drei Tage fuhren wir quer durch die Dörfer und befragten einen Haushalt nach dem anderen, was gar nicht so einfach war, da viele Bewohner den ganzen Tag über auf den Feldern abseits der Dörfer arbeiten und wir manchmal lange nach Interviewpartnern suchen mussten. In den Dörfern wimmelt es von frei herumlaufenden Tieren. Schweine, Hunde, Hühner, Rinder, Katzen und Ziegen, alles Mögliche an Getier trifft man die ganze Zeit über. Während der laufenden Interviews habe ich mich oftmals mit anderen Dingen beschäftigt, da ich nur wenig verstand. Zwar ist mein Khmer-Vokabular stetig am wachsen, jedoch reicht es bis jetzt nur für Small Talk (und selbst da versage ich des Öfteren) und keine spezielleren Gesprächsthemen. Ich las sehr viel, machte mir Notizen zu verschiedenen Dingen und beobachtete auch viel die Tiere um mich herum, wie sie miteinander umgehen. Vor allem die Schweine und Hunde spielen ständig miteinander, machen viel Unfug und verhalten sich unter diesen Bedingungen einfach sehr anders, als ich es aus Deutschland gewohnt bin. Von den Dorfbewohnern wurde ich oft zu Spezialitäten wie Jar Wine (auf Deutsch: Wein im Krug), Reisschnaps, Palmwein, verschiedenen Früchten oder auch frittierten Insekten eingeladen.

Die Bewohner dort gehen allgemein sehr früh schlafen, ab 18 Uhr ist es in Kambodscha dunkel, ab 19-21 Uhr herrscht bei den meisten Nachtruhe. Dementsprechend früh steht man auch wieder kurz vor Sonnenaufgang auf. Durch das ständige Krähen der Hähne und weitere Geräusche habe ich auch nicht viel länger schlafen können als bis 5 Uhr morgens. In dieser Umgebung fühlte sich dieser Tagesryhthmus aber überraschend gut für mich an. Insgesamt habe ich mich wahrscheinlich noch nie so tiefenentspannt und ruhig gefühlt wie in diesen Tagen. Ich hatte sehr viel Zeit, über allerlei Dinge nachzudenken und zu sinnieren. Andererseits habe ich mich sehr unbeholfen und nutzlos gefühlt, was die alltäglichen Dinge angeht wie Kochen und Duschen. Meine Kollegen haben zusammen mit der Familie, bei deren Haus wir in Hängematten schliefen, morgens, mittags und abends für uns gekocht, stets mittels Lagerfeuer. Wasser bekamen wir aus einem Brunnen. Es gab mal Produkte wie Dosenfisch und Instant-Nudeln, vor allem aber lokale Erzeugnisse wie Eier, frischer Fisch aus dem Fluss, verschiedenes Gemüse und nicht zu vergessen, wie immer viel Reis. Ich bin immer wieder überrascht, wie gut das alles schmeckt und wie gerne ich in solchen Situationen z.B. Kochfisch esse, welchem ich in Deutschland gerne aus dem Weg gegangen bin.

Auch wenn es ums Duschen geht, tauchten bei mir so einige Fragezeichen auf, wenn man nur eine Schüssel, eine kleine Kelle und Wasser hat, welches man aus dem tiefen Brunnen holt. Die Stelle zum Duschen lag frei sichtbar nur wenige Meter vom Haus entfernt und für die Bewohner kommt es auch unter diesen Bedingungen nicht in Frage, sich vor anderen komplett auszuziehen. Sie benutzen zum Duschen ein leichtes Tuch, welches sie sich um die Hüfte binden. Ich habe daher auch meine Boxershorts anbehalten, aber frage mich immer noch ein wenig, wie man bestimmte markante Körperstellen auf diese Weise richtig wäscht. Schon in dieser kurzen Zeit, die ich in den Dörfern verbracht habe, habe ich mich zum Ende hin mit vielen Situationen wohler und vertrauter gefühlt und musste auch nicht mehr so viel nachgrübeln. Man gewöhnt sich viel schneller an ein neues Umfeld, als man oft denkt.

Nach diesen zwei Nächten fuhren wir zurück in die Kleinstadt Banlung in Ratanakiri. Um weitere Interviews in einer anderen CPA namens O’Koki vornehmen zu können, welche südwestlich der Stadt liegt, machten wir uns am vierten Tag erneut mit Mopeds auf den Weg. Hier leben Menschen, welche zur ethnischen Minderheit der „Khmer-Lao“ gehören. Sie wohnen ebenfalls traditionell am Fluss, jedoch sind viele der Dorfbewohner inzwischen direkt an die Hauptstraße gezogen. Ein Kollege erklärte mir, dass die Gründe dafür vor allem starke Überflutungen und Hochwasser seien, welche, durch den Klimawandel verursacht, in den letzten Jahren vermehrt auftreten würden.

Der CPA-Chef von O’Koki erzählte mir nach unserem Interview von dem Problem der illegalen Abholzung. Die Akteure würden manchmal des Nachts in seine CPA eindringen. Bei dem Versuch der Dorfbewohner, dagegen vorzugehen, wurden sie mit Waffen bedroht, in solchen Situationen hätten sie Angst und könnten sich nicht wehren. Ein anderer Dorfbewohner beklagte sich an einem vorherigen Tag bei mir, dass unser Projekt zu stark auf rechtliche Aufklärung und den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen abzielte, aber die finanzielle Förderung und Möglichkeiten zu alternativen Einkommen vernachlässigt wurden. Viele der Dorfbewohner seien immer noch sehr arm. Sie hätten gerne auch ein Öko-Tourismus-Projekt oder andere Möglichkeiten der Finanzierung. SCW legt sein Hauptaugenmerk in der letzten Zeit vermehrt auf die Etablierung von Social Business und Öko-Tourismus. Dies habe ich in den letzten Monaten manchmal etwas hinterfragt, da der positive Beitrag zum Umweltschutz für mich darin nicht so direkt ersichtlich ist, jedoch bin ich inzwischen auch mehr und mehr überzeugt davon, dass diese Projekte auf lange Sicht viel bewirken können und anscheinend von großen Teilen unserer Zielgruppen erwünscht sind.

Ich finde es erstaunlich, wie die Kambodschaner mir durchweg positiv begegnen, nicht nur weil ich ein „Weißer“ bin, sondern vor allem, sobald sie hören, dass ich aus Deutschland komme. Ich muss immer wieder an eine Art von positivem Rassismus denken und habe mal nachgeschaut, diesen Begriff gibt es anscheinend tatsächlich. Man sieht ständig Schilder und Hinweise an vielen Orten auf dem Land, was alles von der EU und des Öfteren auch von Deutschland gefördert wurde. Kambodscha ist so weit entfernt und im Vergleich zu vielen anderen Ländern politisch und wirtschaftlich recht unbedeutend für Deutschland, würde ich behaupten. Auch bei Brot für die Welt habe ich einiges Neues über unsere Entwicklungszusammenarbeit gelernt und war doch erstaunt, was unser Land alles im Ausland leistet. Viele Menschen in Kambodscha sind sehr dankbar dafür und haben von Deutschland und der ganzen westlichen Welt ein deutlich positiveres Bild, als ich es erwartet hätte. Ich denke, die Außenpolitik der EU und USA sind nicht umsonst so stark umstritten. Kambodscha hat während der Kolonialzeit und während des Vietnamkriegs enorm durch die westliche Politik gelitten. Und doch merke ich auch für mich, dass ich mein Heimatland und unsere aktuelle Außenpolitik von hier aus in einem deutlich positiveren Licht sehe als in der Vergangenheit. Neben all den politischen Problemen und Krisen, die man täglich in deutschen Zeitungen liest, finde ich es auf eine bestimmte Art auch mal wichtig aufzuzeigen, was Deutschland international leistet und wie viele positive Meldungen und gute Nachrichten unsere Entwicklungszusammenarbeit auch täglich hervorbringt.

Um mehr über meinen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst bei “Save Cambodia’s Wildlife” zu erfahren, könnt ihr gerne meinen Blog besuchen. In diesem Blog versuche ich, meine Erfahrungen und Eindrücke mit der Öffentlichkeit zu teilen.

Text von Martin Nagel.

 

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