Während seiner Haft im Tschad hatte sich Souleymane Guengueng 1988 geschworen, den verantwortlichen Machthaber Hissène Habré vor Gericht zu bringen. Falls er jemals lebend das Gefängnis verlassen sollte, so der fälschlicherweise der bewaffneten Opposition beschuldigte Inhaftierte, sollte der Diktator, der tausende Menschen willkürlich einsperren ließ und für die Ermordung von einigen tausend Menschen verantwortlich ist, für seine Verbrechen büßen.
Im vergangenen Jahr, knapp zwei Jahrzehnte später, ist Souleyman Guengueng dies gemeinsam mit anderen Opfern des Habré Regimes endlich gelungen. Dem Regime insgesamt wird vorgeworfen, an 40 000 Menschen Verbrechen begangen zu haben. Der lange Weg bis zur Verurteilung, die „legal Saga“ ist weltweit als Beispiel eines erfolgreichen Kampfes gegen Straflosigkeit bekannt geworden. In Berlin stellten Souleymane Guengueng, weitere Opfer und Anwälte diesen langen Weg vor. Doch noch sind nicht alle Hürden genommen: Am 27. April entscheidet die Sonderkammer in Dakar/ Senegal über die Berufung, die Hissène Habré eingelegt hat.
Clément Abaifouta, ebenfalls Opfer des Habré Regimes, musste 500 in der Haft ermordete Mitgefangene in einem Massengrab beerdigen. Die Anwältin Jacqueline Moudeina, Trägerin des Alternativen Nobelpreises, hat die Aufarbeitung der Menschenrechtsverbrechen im Tschad und die Hilfe für die Opfer zu ihrer Lebensaufgabe gemacht. Der US-amerikanische Anwalt und Menschenrechtsaktivist Reed Brody gilt zusammen mit Jacqueline Moudeina als Architekt der „legal saga“. Für ihn steht fest: Nur ein langer Atem der Opfer, enorme Phantasie der Anwälte und großer öffentlicher Druck haben die Verurteilung am Ende möglich gemacht. Und ohne die langjährige finanzielle Unterstützung vieler Hilfsorganisationen, darunter Brot für die Welt, wäre am Ende keine Gerechtigkeit geschaffen worden.
Reed Brody hat die Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen unter Diktator Hissène Habré und des langen Kampfes um Gerechtigkeit in einer Dokumentation zusammengestellt. Sie steht ab sofort in Englisch und in Deutsch zur Verfügung.
Kampf gegen Straflosigkeit
Der pakistanische Anwalt Shahzad Akbar, der haitianische Anwalt Mario Joseph und der Generalsekretär des European Centre for Constitutional Human Rights (ECCHR), Wolfgang Kaleck, zeigten auf, welche Herausforderungen sie beim Kampf gegen Straflosigkeit weltweit wahrnehmen. Shahzad Akbar vertritt Opfer von US-Drohnenangriffen in Pakistan. Er sagte: „Unter den Opfern der Drohnen sind zahlreiche Frauen und andere Zivilisten. Sie waren nur zur falschen Zeit am falschen Ort, sie haben keine terroristischen Verbindungen. Uns Anwälten, die wir uns um die Opfer kümmern, wird immer wieder durch pakistanische und amerikanischen Behörden vorgeworfen, terroristische Organisationen zu unterstützen.“
Anwalt Mario Joseph geht gegen die Familie des ehemaligen haitianischen Diktators Duvalier und die UNO rechtlich vor. Deren Soldaten schleppten nach dem Erdbeben Cholera nach Haiti ein. Joseph will die internationale Mitverantwortung für die Menschenrechtsverletzungen in seinem Land gerichtlich deutlich machen und Entschädigung für die Opfer. Menschenrechtsverletzungen gibt es jedoch nicht nur im Tschad, in Pakistan oder Haiti. Wolfgang Kaleck: „Auch Europa muss sich im Umgang mit Flüchtlingen in vielen Fällen Verantwortungslosigkeit und Menschenrechtsverletzungen vorwerfen lassen.“
Opfer und Anwälte waren sich einig, dass den Weg, den die Opfer Habrés gegangen sind, eine wichtige Motivation im Kampf gegen Straflosigkeit in den verschiedenen Regionen der Welt sein kann – gerade heute in einer Zeit ständiger Erosion menschenrechtlicher Standards. So berichten Guengueng und Abaifouta von Hunderten Zuschriften aus der ganzen Welt, gerade auch vom afrikanischen Kontinent, die ihnen bestätigen, dass viele Opfer menschenrechtsverletzender Gewalt durch diese „legal Saga“ Mut und Kraft gewonnen haben, sich selbst auf den langen Weg zu machen.
Die Veranstaltung „A GLOBAL QUEST FOR ACCOUNTABILITY: LESSONS FROM THE HABRÉ LEGAL SAGA“ wurde gemeinsam vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), der Bertha Foundation und Brot für die Welt ausgerichtet.