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Ohne, mit oder gegen Europa -

Welche Rolle nimmt die Europäische Union (EU) in der Entwicklung Afrikas ein, sollte sie einnehmen oder sollte sie gar aus afrikanischer Sicht lieber darauf verzichten?

Von Francisco Marí am

Welche Rolle nimmt die Europäische Union (EU) in der Entwicklung Afrikas ein, sollte sie einnehmen oder sollte sie gar aus afrikanischer Sicht lieber darauf verzichten? Unabhängig von den vielen Themen, die auf dem Alternativgipfel besprochen wurden und von denen die Abschlusserklärung Zeugnis ablegt, wurde in vielen Redebeiträgen deutlich, dass ein EU-Afrika-Gipfel eben genau diese Fragen aufwirft.

Eindrücke vom Gipfel der Zivilgesellschaft in Abidjan

Es gab Beiträge auf dem Alternativgipfel, die fast ohne Erwähnung der EU oder einen Aufruf an die Gebernationen auskam. Beispielsweise auch der Eröffnungsbeitrag  von der Soziologin Ghislaine Saizonou (CSI Afrique), der ein System sozialer Sicherheit in Afrika vorstellte. Die Finanzierbarkeit sollte, so die Argumentation, durch größere Einnahmen aus Steuern gesichert werden. Aber man fragt sich schon, wie das geschehen soll, wo es kaum feste Arbeitsplätze gibt und 80 Prozent des Handels informell sind.

Gleich im Anschluss danach fand ein achtköpfiges Podiumsgespräch zum grundsätzlichen Thema der politischen Beziehungen der Europäischen Union zu Afrika statt. Es zeigte sich, dass bis auf einen der Redner alle vor allem auf die Wirkungen der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen(EPAs) auf die verschiedenen Sektoren eingingen. Es war beeindruckend, wieviel Einfluss den EPAs auf Bereiche wie Agrarmärkte, Saatgut, Landrechte, Kleinindustrien, ja selbst Klimawandel, Gesundheit etc. zugeschrieben werden. Muss man doch bedenken, dass kaum ein Land in Afrika heute bereits konkret unter das Regime der umstrittenen EPA-Abkommen fällt. Sicher, wenn die Regionalabkommen, vor allem das westafrikanische - auf dem Podium kamen alle aus dieser Region - in Kraft tritt, dann drohen einige dieser Wirkungen. Wenn dann, wie im EPA vorgesehen, Westafrika über die Liberalisierung von Dienstleistungen, Beschaffungswesen oder geistiges Eigentum verhandeln muss und für Investoren seine Gesetze ändert, dann können auch lokales Saatgut und Landbesitz von KleinbäuerInnen in Gefahr geraten. Aber noch ist es bei weitem nicht so weit. Es ist schon erstaunlich, warum die afrikanische Zivilgesellschaft keine Atempause macht und sich erst einmal über ihren Erfolg freuen kann: Immerhin ist es doch gelungen, die EPA-Verhandlungsprozesse schon ins fünfzehnte Jahr hinein zu verzögern. Außerdem sind viele der beschriebenen Phänomene drängend und stellen auch ohne EPAs eine ständige Bedrohung dar wie Klimawandel, Fischereiverträge, Handelsbeziehungen unter dem Diktat der Welthandelsorganisation (WTO) oder Investitionsprogramme für die Agrarkonzerne, die Landrechte verletzten. Also genug, um nicht alles unter EPA-Generalverdacht zu stellen, oder wie die Aktivistin aus Kamerun, Yvonne Takang, sagte: „Nicht jede Fliege, die lästig ist, kommt wegen der EPA Abkommen“.

Gehört die Währung CFA auf den kolonialen Schrottplatz der Geschichte?

Eine nicht mehr ganz so neue Erscheinung ist in frankophonen Ländern Westafrikas der Ruf „Nein zu EPAs und Nein zum Franc CFA“, also der Einheitswährung in frankophonen Ländern, mit Ausnahme Guineas. Professor Mamadou Koulibaly vom Audace Institut in Abidjan, früher in hoher Verantwortung im Finanzministerium tätig, erklärte, auf welche Weise die Einheitswährung von Frankreich benutzt würde, um die afrikanischen Staaten in Abhängigkeit zu halten, und sie zwänge, sich zu hohen Zinsen neue Kredite zu besorgen. Dabei schaue die Weltbank weg, wenn Privatbanken den afrikanischen Staaten Kredite für fünf bis acht Prozent Zinssatz vergebe. Es sei dieselbe Weltbank, die noch vor kurzem wegen fehlender finanzpolitischer Fachexpertise gewarnt hätte, Afrika überhaupt neue Kredite zu geben. Die Devisenreserven Afrikas für die gemeinsame Währung lägen in Paris, und Frankreich nutze das Geld, um der eigenen Industrie damit Kredite für einen Zinssatz von 0,8 Prozent zu gewähren. Seine zwingende Schlussfolgerung lautet denn auch: Afrika finanziere die Industrie Frankreichs, die mit ihren Überschüssen die Industrialisierung des Kontinents verhindere. Seine Lösungsstrategie ist damit klar – ohne Europa geht es uns besser. Der CFA gehöre auf den kolonialen Schrottplatz der Geschichte, als letzten Akt der Unabhängigkeitswerdung Afrikas. Das brachte die Teilnehmenden aus Afrika zum Jubeln. In den Ohren der europäischen Teilnehmenden klangen diese Worte sehr ähnlich denjenigen, wie sie von Skeptikern der Eurowährung in Europa, die die EU von rechts attackieren, vorgebracht werden. Ob eine Rückkehr in die Einzelwährungen mit wahrscheinlich dramatischen Abwertungen in der Folge wirklich ein Schritt zum ökonomischen Fortschritt der Region werden kann, bleibt doch recht fraglich. Auch wenn durchaus Wahrheit drinsteckt in den Aussagen. Eine unabhängige westafrikanische Regionalbank, die den CFA reguliert, wäre sicherlich die bessere Alternative, als den CFA abzuschaffen. Aber würden Afrikas Regierungen eine Regionalbank unabhängig Geldpolitik machen lassen? Diese Frage wurde nicht gestellt.

 

Mit, ohne oder gegen Europa?

So ging das Hin-und-her- Gezerre mit, ohne, gegen Europa-Losungen immer weiter. Auch zum Beispiel in Migrationsfragen: Europa solle sich nicht um afrikanische MigrantInnen in Afrika scheren, dennoch macht man Europa für die miserable Situation und für das Ausgeliefertsein der Menschen an verbrecherische Strukturen verantwortlich und verlangt mehr Dauervisa für afrikanische Reisende. Aber Europa solle bloß nicht die in Afrika dringend benötigten Fachkräfte durch Migrationsgesetze abwerben. Zugleich wird betont, wie wichtig die Rücküberweisungen der Migranten für Afrikas Wirtschaft seien. Doch in den Kernforderungen der Zivilgesellschaften herrscht wenigstens Einigkeit: Die Militarisierung der Migration durch EU und afrikanische Eliten und die EU Stützung undemokratischer Regime würde die ganze Region, auch den informellen regionalen Warenaustausch, destabilisieren. Europa schaffe mit seiner Migrationspolitik zynischer Weise tausendfach neue Gründe, keine Perspektiven in Afrika zu haben, um dort bleiben zu können. Hier wird Europa aufgefordert, mehr zur Beseitigung von sogenannten Fluchtursachen zu tun, also wieder ein Mit-Europa.

Es wird immer schwieriger, allgemeine Formeln für eine faire und partnerschaftliche Zukunft in den EU-Afrika-Beziehungen zu formulieren. Zu zersplittert und unterschiedlich sind die verschiedenen Sektoren, in denen die Europäische Union Einfluss nimmt. Auch hier sind die EPAs ein leider nur zu gutes Beispiel. Afrikas Handelsbeziehungen zu Europa sind nun ein Flickenteppich. Selbst in einer Wirtschaftsregion zählte der nigerianische Handelsexperte Ken Ukaóha fünf unterschiedliche Handelsregime gegenüber der EU auf. So verwundert es nicht, dass der Vortrag des Leiters der Afrikaabteilung von Brot für die Welt, Reinhard Palm, nach vielen vorherigen Beiträgen zu den EPAs dann eher eine Zusammenstellung von Fragen an die Vertreter der einzelnen Regionen  darstellte. Was sind denn eigentlich die Forderungen der Zivilgesellschaft unter dem gegenwärtigen EPA-Flickenteppich? Die Kampagne StopEPA bietet für Ghana, Kenia, Kamerun oder das Gastland Côte d’Ivoire keinen Ansatzpunkt mehr – diese Länder haben bereits ein EPA-Abkommen ratifiziert. So könne es aber nicht bleiben, entgegnete Ken Ukaóha aus Nigeria. Die EPA-Staaten würde das Einfallstor für Billigprodukte aus der EU bleiben, die dann weiter auf die Märkte der Nicht-EPA Länder gelängen. Auch wenn formell dann Zoll erhoben werden könnte, so fragt der nigerianische Wirtschaftsanwalt weiter danach, was das dann für eine Zollunion sei? Man stelle sich vor, nur Spanien und Frankreich hätten mit den USA ein TTIP-Abkommen abgeschlossen und die Chlorhühnchen kämen ohne Zollschranken in deutsche Supermärkte. Was gäbe das für einen Aufstand. Aber genau diesen Effekt hat die EU  bilateral in Ost-, West- und im südlichen Afrika mit den Übergangsabkommen produziert.

Die Antworten der Teilnehmer am EPA-Workshop auf Reinhard Palms Inputfragen waren, wie sollte es anderes sein, wieder ein mit, ohne, gegen Europa. Die einen forderten, Europa solle allen Ländern, die kein EPA wollten, einseitig einen hundertprozentigem Marktzugang über ein Präferenzsystem anbieten, das es so absolut bisher nicht gibt. Andere forderten, die WTO so zu ändern, dass es keinen Unterschied zwischen armen Ländern und Mitteleinkommensländer gäbe; da solle die EU helfen, das in Genf durchzusetzen. Wieder andere, ganz radikal, forderten, Afrika solle ganz auf Marktpräferenzen für seine Produkte verzichten oder den „normalen“ Außenzoll der EU zahlen und sich somit ganz ohne Handelsabkommen vor EU-Importen schützen. Ob das auch ein Aufruf zum Austritt aus der WTO war?

Boniface Mabanza von der deutschen KASA erläuterte, dass man schnelle Lösungen brauche, bevor eine ungleichmäßige wirtschaftliche Entwicklung in den Wirtschaftsunionen einsetze. Das bestätigte sehr besorgt auch Africa Kiiza von SEATINI Uganda. Wenn Kenia das ratifizierte EPA begönne, in Kraft zu setzen, müssten seine Nachbarn in der Zollunion Gegenmaßnahmen ergreifen. Das drohe, die Zollunion zu zerreißen.

Implementierung der und Verhandlungen  über die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs)

Es war keine Zeit für ausgeklügelte Forderungspakete. Am Ende blieben nur drei Forderungen in der Abschlusserklärung übrig: 1. die Bevölkerungen über die negativen Wirkungen der EPAs zu sensibilisieren; 2. neue menschen- und umweltrechtliche Wirkungsanalysen über die möglichen Folgen der EPAs durchzuführen und 3. zunächst jegliche Maßnahmen zur faktischen Umsetzung der bestehenden EPAs zu stoppen. Nur dann gelänge es, die Außenzölle wieder gemeinsam anwenden zu können und alle Nachteile, das Verbot der Nichtanhebung von Zöllen und den Verlust von Zolleinnahmen, aufzuhalten. Auch hier konnte Yvonne Takang von ACIDC aus Kamerun berichten. Denn das EU-Zentralafrika -Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, das vor zwei Jahren mit der Umsetzung in Kamerun startete, hat zu massiven Verlusten bei den kamerunischen Staatseinnahmen geführt. Die Regierung beabsichtigt, diese Verluste durch eine Erhöhung der Unternehmenssteuern auszugleichen. Es ist fast schon eine Satire: Die EPAs bringen durch Erhöhung der Unternehmenssteuer erfolgreiche Unternehmen in Bedrängnis, die eigentlich Beschäftigung schaffen sollen. Wie Yvonne sagte, dieser EU-Irrsinn muss aufhören, weitere Zollsenkungen müssen ausgesetzt werden. Die EU glaube auch noch, dass Kamerun die Nachbarländer in Zentralafrika für das regionale EPA gewinnen könne. Dafür müssten sie all das, was im EPA-Vertragstext mit Kamerun verhandelt wurde, akzeptieren. Es gibt aber keine Nachverhandlungen. Gabun, Tschad oder DR Kongo müssten schon sehr EU-hörig sein, um sich so ein EU-Diktat aufzwingen zu lassen.

Nun gilt es die Forderung, die EPAs vorerst einzufrieren, nach Brüssel und in andere EU-Hauptstädte zu tragen. Aber auch afrikanische Regierungschefs müssen sich dafür stark machen. Das scheint nach dem EU-Afrika-Gipfel in Abidjan gar nicht der Fall zu sein. Die Regierungen lassen ihre Bevölkerung im Stich und glauben scheinbar, mit einer exportorientierten Strategie und mit Geldern für Migrantenbekämpfung aus Töpfen der EU ihre Vorhaben zur Armutsreduzierung umsetzen zu können. Was für ein Trugschluss! Es gab also, wie nicht anders zu erwarten, keine einheitliche Antwort auf ein mit, ohne oder gegen Europa.

Festzuhalten bleibt aber dennoch: Zwischen den von den europäischen und afrikanischen Politiken betroffenen ivorischen BürgerInnen, die sich vom Alternativgipfel Unterstützung erhofften, und den Gipfel-Teilnehmenden aus Afrika und Europa war sehr viel Solidarität zu spüren und der Wunsch, dass sich die Zivilgesellschaften nicht auseinander dividieren lassen dürfen.

 

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