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Agenda 2030: neue Leitlinie für die Handelspolitik

Die internationale Handels- und Investitionspolitik ist ins Zentrum öffentlicher Debatten gerückt, nicht nur in Deutschland und der EU, sondern weltweit.

Von Sven Hilbig am

In der nördlichen Hemisphäre wurden diese Auseinandersetzungen in erster Linie durch die Verhandlungen um TTIP und CETA angestoßen. Im Süden entzündete sich die Kritik schon sehr viel früher; zunächst an der WTO, später zunehmend auch an bilateralen Handels- und vor allem auch Investitionsabkommen. Die Privilegierung von Konzernen mittels Investitionsschutzabkommen stößt inzwischen in zahlreichen Ländern des Südens sogar auf Widerstand. In mehr als 100 Staaten werden die in der Vergangenheit abgeschlossenen, bilateralen Investitionsabkommen gegenwärtig einer Revision unterzogen. Mehrere Länder, unter ihnen Ecuador, Indonesien, Indien und Südafrika, haben bereits bilaterale Investitionsverträge mit anderen Staaten gekündigt. In einigen Fällen war auch Deutschland von diesen Kündigungen betroffen.  

Noch nie zuvor in der Geschichte haben so viele Bürgerinnen und Bürger, Politikerinnen und Politiker, sowohl in den Entwicklungs- als auch in den Industrieländern, die Notwendigkeit gesehen, die Handels- und Investitionspolitik sozial gerechter, ökologisch nachhaltiger sowie entwicklungs- und menschenrechtspolitisch kohärent zu gestalten, – und dies auch offen eingefordert.

So positiv diese Entwicklung ist, sie ändert nichts an der Tatsache, dass zwischen der Einsicht, dass wir eine andere als die gegenwärtige Handelspolitik dringend benötigen, und deren Umsetzung noch eine riesige Lücke klafft. Allen Beteuerungen zum Trotz ist die europäische Handelspolitik auch im Jahre 2017 noch ein gutes Stück davon entfernt, ökologisch nachhaltig und menschenrechtsgeleitet ausgerichtet zu sein. Die vor einer Woche von BfdW, verdi, UnternehmensGrün sowie dem Forum Umwelt und Entwicklung herausgegebene Studie „Menschenrechte als uneingelöstes Versprechen“ macht die Defizite sehr deutlich.

Trotz einiger Fortschritte auf der rechtlichen und praktischen Ebene, hat die EU demnach in ihrer Handelspolitik immer noch keinen Kurswechsel eingeleitet. Einen Kurswechsel dahingehend, dass Umwelt, Sozial- und Menschenrechte denselben Stellenwert bekommen wie die wirtschaftlichen Interessen.

Agenda 2030: Vom freien Handel zum Fairen Handel?!

Die Fragen, die bei unserer heutigen Veranstaltung „Vom freien Handel zum Fairen Handel: Die Agenda 2030 – neue Leitlinie für die internationale Handelspolitik“ im Mittelpunkt stehen, lauten: Wird die Agenda 2030 die EU und andere Staaten dazu veranlassen, den dringend notwendigen Kurswechsel herbeizuführen? Und: Welche neuen Leitlinien folgen aus der Agenda 2030 für die internationale Handelspolitik?

Brot für die Welt geht diesen Fragen in der neuen Publikation „Vom Gegensatz zum Gleichklang – Die globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung als Leitlinie für die internationale Handelspolitik“ nach.  

Ein erster Blick in die Agenda 2030 zeigt zunächst, dass die Vereinten Nationen den internationalen Handel insgesamt positiv bewerten. In den Erläuterungen der Vereinten Nationen zum Ziel 17 heißt es: Internationaler Handel gilt als „Motor für breitenwirksames Wirtschaftswachstum“, soll Armut verringern und zur nachhaltigen Entwicklung beitragen.  Außerdem fordert die Agenda 2030, ein universales, regelgestütztes, offenes, transparentes, berechenbares, inklusives, nicht diskriminierendes, gerechtes und multilaterales Handelssystem zu errichten, – und zwar unter dem Dach der WTO.

Diese Forderung weist bereits auf ein erstes Problem hin, in dem sich die gegenwärtige europäische Handelspolitik befindet: Während die Agenda 2030 dem multilateralen Handelsregime eindeutig den Vorrang einräumt und eine Fortführung der sog. Doha-Entwicklungsrunde einfordert, gibt die EU seit einigen Jahren bilateralen Abkommen eindeutig den Vorzug. Tendenz steigend! Damit unterminiert die EU aktiv das multilaterale Handelsregime.

Auf den zweiten Blick fällt auf, dass die Agenda 2030, im Gegensatz zu vorherigen UN-Abkommen, keine Liberalisierungseuphorie mehr versprüht. Die Agenda nimmt demgegenüber eine zurückhaltende Bewertung von Freihandel ein. So bewertet sie die Liberalisierung des Warenverkehrs nicht per se als positiv, sondern nur in den Fällen, in denen es „sinnvoll“ erscheint.

Das Thema Handel wird auch noch in einigen anderen Zielen und Unterzielen ausdrücklich benannt – dies ändert aber nichts an dem Umstand, dass die Agenda 2030 den Handel nicht ausdrücklich in den Mittelpunkt des Interesses rückt. Anders stellt es sich hingegen dar, wenn wir uns die 17 Ziele grundsätzlich unter der Fragestellung anschauen, inwiefern die bilaterale und multilaterale Handels- und Investitionspolitik die politischen Handlungsspielräume zur Verwirklichung dieser Ziele bis 2030 erweitert oder verengt.

In der Publikation „Vom Gegensatz zum Gleichklang“ werden exemplarisch vier Spannungsfelder identifiziert, wie beispielsweise die Behinderung der Förderung erneuerbarer Energien durch das Welthandelsrecht. Ein weiterer Konfliktfall zwischen dem Handelsrecht und dem Umweltrecht ist die Auseinandersetzung um die Zulassung bzw. das Verbot von genmanipulierten Pflanzen.

Es stellt sich die Frage, wie solche Konflikte zukünftig, angesichts der Agenda 2030 geregelt werden müssten. Fordert das Ziel 17 der „Social Development Goals“ (SDG) doch „die Politikkohärenz zugunsten nachhaltiger Entwicklung zu verbessern“.

Kurswechsel: Jetzt

Die Agenda 2030 unterstreicht demnach einmal mehr, dass sowohl die europäische als auch die internationale Handelspolitik dringend eines Kurswechsels bedarf. An konkreten Anlässen einen Kurswechsel einzuleiten fehlt es nicht. In den kommenden Wochen führt die EU-Kommission unter anderem Verhandlungsgespräche mit Mexiko und dem Mercosur.  

Welche Rolle werden die SDGs bei den Verhandlungen einnehmen? Wird ihnen in den Verträgen lediglich ein eigenes Kapitel gewidmet, das möglicherweise mit den gleichen Mängeln behaftet ist wie das Nachhaltigkeitskapitel? Dann könnte sich der Eindruck verfestigen, die Kommission verfolge in ihrer Handelspolitik weiterhin gleichzeitig teilweise widersprüchliche Zielsetzungen.

Daneben stellen sich aber noch andere Fragen: Welchen regulatorischen Rahmen benötigen wir auf globaler Ebene, um die SDGs effektiv umzusetzen? Ist die WTO tatsächlich der richtige Adressat für die SDGs und deren Umsetzung auf multilateraler Ebene? Oder sollte die Diskussion darüber vornehmlich bei den Vereinten Nationen und deren Fachorganisationen stattfinden, die für die Themen Ernährungssicherheit, biologische Vielfalt oder Klimaschutz die Verantwortung haben? Denn bekanntlich ist das Mandat der Welthandelsorganisation eindeutig auf Liberalisierung und Deregulierung ausgerichtet. Umweltaspekte spielen nur eine untergeordnete – Menschenrechte überhaupt keine –Rolle.

 

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