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Afrika befürchtet „digitale Kolonisierung“

Armen Staaten insbesondere in Afrika droht neues Ungemach durch die WTO: Einige Industrie- und Schwellenländer wollen Regeln für digitale Wirtschaft und E-Commerce vorantreiben. Ärmere Staaten befürchten, im digitalen Wettstreit mit privaten Internet/Giganten endgültig abgehängt zu werden.

Von Gastautoren am

Die Mehrzahl der ärmsten Staaten wird bei der 11. Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation in Buenos Aires Ende dieses Jahres darauf beharren, die Entwicklungsthemen der sogenannte Doha-Verhandlungsrunde fortzusetzen. Es geht ihnen um gerechte Handelsstrukturen und Sonderbedingungen für Staaten in existenziellen Notsituationen. Doch die Chancen dafür stehen schlecht. Eine Koalition von Industrieländern und einigen Entwicklungsstaaten drängt bereits seit Mitte 2016 darauf, ein anderes Thema ganz oben auf die Prioritätenliste der WTO zu setzen: Ein umfassendes Regelwerk für digitalen Handel.

Es ist ein äußerst umstrittenes Thema. Die Befürworter, zu denen neben den reichen Ländern auch afrikanische Staaten wie Nigeria, Kenia oder die Elfenbeinküste gehören, hoffen auf einen neuen Wachstumsschub für alle und versprechen armen Ländern Fortschritte beim Aufbau einer eigenen digitalen Wirtschaft. Kritiker befürchten hingegen die Zementierung der internationalen Vorherrschaft einer Handvoll von zumeist US-amerikanischen Unternehmen wie Google, Amazon oder Apple. „Die geplanten Regeln für E-Commerce zielen darauf ab, Regierungen daran zu hindern, eine nationale digitale Ökonomie mittels eigener Gesetzgebung zu fördern“, erklärt Africa Kiiza, Mitarbeiter der NGO SEATINI (Southern and Eastern Africa Trade Information and Negotiations Institute) mit Sitz in Uganda.

Arme Staaten fürchten um ihre Konkurrenzfähigkeit

Kiiza befürchtet, dass viele Staaten des globalen Südens einer „digitalen Kolonisierung“ ausgesetzt werden. Dies bedeute, dass die meisten Länder der Welt von der digitalen Infrastruktur abhängen werden, die die Pioniere auf diesem Gebiet entworfen haben und inzwischen weitgehend kontrollieren. „Ein armes Land wie Uganda, in dem eigene digitale Dienstleistung erst seit kurzem angeboten werden und dessen junge Unternehmen kaum konkurrenzfähig sind, muss WTO-Freihandelsregeln im digitalen Bereich unbedingt verhindern“, sagt Kiiza, dessen Organisation von Brot für die Welt unterstützt wird.

Auf der Ministerkonferenz werden die Staaten, die weltweit verbindliche Regeln für E-Commerce befürworten, erst einmal auf ein Verhandlungsmandat drängen. Allerdings liegen schon Textentwürfe vor, die deutlich machen, welche Merkmale die digitale Wirtschaft in Zukunft haben könnte: So beinhaltet das Verbot nationaler Regulierungen unter anderem, dass kein Staat von den Unternehmen einfordern darf, dass die erhobenen Daten lokal gespeichert werden müssen. Dies betrifft auch eventuelle Forderungen nach der Nutzung von lokaler Infrastruktur, Providern oder nach Technologietransfer. Auch ein Zugriff auf Quellcodes ist tabu, egal wie dominierend ein ausländisches E-Commerce-Unternehmen in einem bestimmten Land ist.

Ein anderer kritischer Aspekt ist, dass den Nutzern digitaler Ressourcen und den Konsumenten nur sehr eingeschränkter Schutz ihrer Daten eingeräumt werden soll. Andererseits sollen Unternehmen in jeder Hinsicht freie Bahn bekommen. Das bedeutet nicht nur voller Zugriff auf persönliche Daten egal in welchem Land und grenzenlosen Datenverkehr, sondern auch der Verzicht der Länder auf Gebühren, Zölle und Steuern.

Die Folgen eines solchen Regelwerks im Sinne der großen digitalen Player würden die ärmsten Staaten der Welt nach Ansicht von Africa Kiiza schon bald zu spüren bekommen. „Sehr schnell würde ein Verlust von Arbeitsplätzen in der Branche einsetzen“, sagt der Anthropologe voraus. Die Erfahrung habe bereits gezeigt, dass große Unternehmen bei ihren Auslandsgeschäften aus Kostengründen auf Büros, Angestellte und Dienstleistungen vor Ort verzichten. Zu erwarten ist also die Abschöpfung maximaler Gewinne aus dem E-Commerce, ohne dass eine lokale wirtschaftliche Aktivität angestoßen oder Abgaben gezahlt werden.

Datenschutz gerät unter die Räder

Ein Problem des unbegrenzten Datentransfers ist zudem eine Frage der Souveränität. In vielen Fällen haben ausländische Unternehmen nach den vorgeschlagenen Freihandelsregeln mehr Zugriff auf die Daten eines Landes als inländische Einrichtungen. Spätestens seit den Enthüllungen von Edward Snowden ist bekannt, welches Interesse Geheimdienste an Daten haben. Im Zuge des NSA-Abhörskandals 2013 forderte beispielsweise Brasilien, dass grundsätzlich alle im Land erhobenen Daten auch lokal gespeichert werden müssten. WTO-Regeln könnten eine solche Gesetzesinitiative zukünftig unmöglich machen.

Das größte Problem ist aber, dass ein so ausgerichtetes digitales Regelwerk zukünftige Entwicklungschancen einschränkt, warnt Kiiza. Dies betrifft zum einen den Passus, der es Ländern verbietet, von den privaten Anbietern Technologietransfer zu erwarten. Zum anderen kann der Verzicht auf Steuern und Abgaben von Firmen, die zwar digital präsent sind aber ohne materielle Infrastruktur vor Ort handeln, die lokale Ökonomie durcheinander bringen: „Dieses Modell wird die Zahlungsbilanz armen Staaten beispielsweise in Afrika negativ beeinflussen und kann Finanzkrisen auslösen“, befürchtet Kiiza.

Kiiza und seine Organisation SEATINI hinterfragen, ob es sinnvoll ist, transnationalen Unternehmen der Internetbrache das Recht auf unbegrenzten Zugang zu lokalen Märkten weltweit zu verbriefen. „Dies wird die Machtposition dieser Firmen insbesondere im Vergleich zu lokalen Konkurrenten in unzulässiger Weise stärken, zumal es ihre eigenen Anwälte sind, die diese neuen Handelsregeln formulieren“, kritisiert Kiiza.

 

 

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