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Siyahamba oder Brandenburgische Konzerte?

In Halle ist die internationale Ökumene-Tagung „Reformation – Bildung – Transformation“ zu Ende gegangen. Bei der Konferenz in Halle tauschten sich mehr als 120 Teilnehmende aus Asien, Afrika, Amerika und Europa über die reformatorische Tradition in verschiedenen Regionen der Welt aus. Erhard Brunn beobachtete die Konferenz für Brot für die Welt und fasst zusammen, was ihn dort als Beobachter vor allem bewegte.

 

Von Online-Redaktion am

In Halle ist die internationale Ökumene-Tagung „Reformation – Bildung – Transformation“ zu Ende gegangen. Bei der Konferenz in Halle tauschten sich mehr als 120 Teilnehmende aus Asien, Afrika, Amerika und Europa in den Franckeschen Stiftungen über die reformatorische Tradition in verschiedenen Regionen der Welt aus. „Wir waren aus unterschiedlichen konfessionellen Traditionen gekommen und gemeinsam wollten wir die transformative Kraft der Reformation entdecken, nicht als Ereignis der Vergangenheit sondern auf die Zukunft ausgerichtet“, fassten Teilnehmende ihre Erfahrung in einer Erklärung am Ende der Konsultation zusammen. Erhard Brunn beobachtete die Konferenz für Brot für die Welt und fasst zusammen, was ihn dort als Beobachter vor allem bewegte.

Schon einmal haben sich zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz im November 2015 in Sao Leopoldo im Süden Brasiliens getroffen. Diese Rückkonferenz findet auf besonderem Boden statt, in den Franckeschen Stiftungen in Halle.

Zur Kirche in diesen pfingstlichen Tagen hören wir auf der Tagung viel Theologisch-Positives, aber eben auch Kritisches. Aber auch zum politisch-sozialen Umfeld: Wir hören von den NONs überall, den ganz Ungebundenen, „No Party“, „No Trade Union“ und eben auch „No Church“. Christen werden vielerorts verfolgt. Und lokal hier im Osten: Die Kirchen waren sehr bedeutsam auf dem Weg zur friedlichen Revolution in Ostdeutschland. Und sitzen jetzt in prächtigen Kirchen zwischen sehr wenigen Gläubigen.

Und doch: Wir erleben ein enorm schnelles Anwachsen der evangelischen Gemeinden in der Volksrepublik China. Ein Pfarrer und eine Pfarrerstochter stehen heute an der Staatsspitze eines wiedervereinigten Deutschlands. Ein großer Teil der Deutschen, gerade aus den Kirchen, engagiert sich auf wundervolle Weise für die Anderen, für die Flüchtlinge. Sage keiner, sie tun es ohne ein Bewusstsein der deutschen Geschichte der letzten Jahrzehnte, inklusive der eigenen Familiengeschichte seit dem 2. Weltkrieg. Es ist ein Jungbrunnen für viele Kirchen.

„Siyahamba“ europäisch und auf YouTube

Am Anfang der Tagung singen wir das Lied „Siyahamba. We are marching in the light of God“ sehr europäisch, sehr verhalten, "verkopft". Dies Kirchenlied, das - wenn es zu Beginn des Gottesdienstes in afrikanischen Kirchen gesungen wird - die Herzen von alleine weit öffnet und das Herz mit Zuversicht und Lebensfreude füllt. Leicht werden die Tasten auf dem Klavier berührt, um sanfte Töne in den Raum zu schicken. Später googele ich es, um es mir auf YouTube wieder in "echt" anzuhören. Die Ursprünge sind etwas umstritten. Ich verstehe es so: Ein Zulu-Lied über die schönen Seiten des dörflichen Lebens, über gelungene Gemeinschaft, aufgeschrieben dann aber erst 1952 von einem weißen Südafrikaner und in Afrikaans, schnell danach aber auch wieder in Zulu. Das Lied, vor allem die Zulu-Version, wurde häufig in Südafrika gesungen. Aber es wurde nie aufgenommen, bis 1978 der Chorleiter eines schwedischen Chores, während einer Tour durch Südafrika, das Lied mit einem örtlichen Mädchenchor aufnimmt, von wo es dann seine Erfolgsgeschichte in den Kirchen der restlichen Welt erlebt. Es sei „ein afrikanisches Freiheitslied“ geworden, lese ich im Netz. Auf dem Bildschirm wiegen sich die Körper der Sängerinnen des Chores derweil in einem nach den Herzen greifenden starken, warmen Rhythmus.

„Siyahamba“ afrikanisch auf der Treppe

Ich höre es später andere Teilnehmer andächtig summen. Schließlich, gegen Ende der Tagung kommen mir viele männliche afrikanische Teilnehmer auf der Treppe zum Hauptkonferenzraum fröhlich und kraftvoll das Lied singend entgegen, dabei die Treppen nehmend, dass die Balken unter ihren Füßen ächzen. Sie singen kraftvoll, als wären sie unter blauem Himmel auf dem Vatertag im deutschen Wald unterwegs. Es erinnert stark an das populäre Volkslied über Bolle, der sich einst – auch zu Pfingsten – „ganz kräftig amüsiert“ habe, während um ihn herum eigentlich viel schief lief. Dies scheint mir sicher mehr als eine Gesangsveranstaltung. Ja, es scheint ein Statement zu sein. Später erfahre ich, dass eine Weiße dies Lied ganz leise gesummt habe und erst dies habe viele afrikanische Teilnehmer zu dieser Manifestation entzündet.

Der Hauptraum, in dem wir uns kurz darauf alle treffen, ist der Freylinghausen-Saal. Anastasius Freylinghausen war der Schwiegersohn Franckes und ein großer Komponist von Kirchenliedern, der manchmal tausende von Gläubigen für das öffentliche Singen von Kirchenliedern in den Frankeschen Anstalten versammelte. Wir werden hier daran erinnert, für wie wichtig Martin Luther das kirchliche Singen hielt und dass Freylinghausen auch Johann Sebastian Bach, aus dem nahe gelegenen Leipzig, und Georg Friedrich Händel, ein Sohn der Stadt Halle, beeinflusste.

Rufus, der Rädelsführer des Treppengesangs

Rufus Okikiola Ositelu, der Papst der Aladura-Kirche, sagt mir im Interview, sein Vater sei 1925 unter anderem deswegen aus der anglikanischen Kirche ausgeschlossen worden, weil sein Gottesdienstverständnis das eines afrikanisch musikalisch-rhythmischen sei, das nicht nur den Verstand, sondern sehr direkt auch das Herz ansprechen soll. Und er, Rufus, hatte auch die Sängergruppe die Treppe hoch geführt. In einem von ihm in Langen geleiteten Gottesdienst protestierte vor kurzem eine alte deutsche Dame zuerst sehr gegen Trommeln in der Kirche. Nachher sagte sie ihm, dass sei der ergreifendste Gottesdienst gewesen, an dem sie je teilgenommen habe.

Ich erinnere mich einmal in Uganda neben einem Missionar neben einer Kirche gestanden zu haben, der schimpfte die Gläubigen - seine Gemeinde! – sie sollten nicht so viel singen, sondern sollten endlich beten. Andere Konferenzteilnehmer klären mich auf, wie Trommeln und herzhafter Gesang früher von Missionaren aus der Kirche verbannt wurden, weil es als unzivilisiert, ja „des Teufels“ galt.  Ich kenne afrikanische Kirchen heute fast nur mit musikalischem Schwung.

Wie klingt der Rhythmus des Weltchristentums?

Wir hören hier in Halle viel davon, dass das Herz des Weltchristentums schon bald mehrheitlich im Süden schlagen wird. Gibt es dann auch den Takt vor? Ich frage nach: Tatsächlich bestätigen mir mehrere der kräftigen Siyahamba-Sänger, dass ihr Treppengesang  natürlich eine Manifestation war. Das Lied müsse kräftig gesungen werden und wer dies nicht tue, bei dem stehe es auch bei anderen kirchlichen Aktivitäten vielleicht nicht weit mit der inneren Kraft. Andere nicht-afrikanische Pfarrerinnen des Südens raten „die Kirche im Dorf zu lassen“. Wie frau oder man sänge, sei doch vor allem eine kulturelle Angelegenheit und Europäer seien nun einmal – as such - nicht so emotional und körperbetont. Und ich höre, dass in Brasilien ein neues lutherisches Gesangsbuch vorbereit wird, dass den Jungen mit vielen Taizé-Lieder ein Angebot machen soll, auch wieder in der Kirche zu singen.

Kräftige Musik in Zeiten der Unruhe

Aber ist es nicht jetzt - in einer Zeit großer internationaler Unruhe und Herausforderungen - allerhöchste Zeit den Kreislauf dieses Körpers in einen neuen ausgewogeneren Gesamtrhythmus zu bringen, zwischen seinem Norden und seinem Süden – mit eventuell verschiedenen Qualitäten? Blut und Gedanken also eher kräftig und umfassend durch Körper und Geist fließen zu lassen?

Dann klappt es auf diesem gemeinsamen Weg auch bestimmt besser, in einem gemeinsamen kräftigen Takt Kirchenlieder in die Welt zu bringen, wie es ein Luther oder ein Francke - vielleicht auch ein Bach und Händel - geliebt hätten.

Die Unruhe um das Lied Siyahamba, wie das tiefer gehende Misstrauen bei manchen dahinter, hat wohl auch die Organisatoren erreicht und das Siyahamba wird bei der Abschiedsveranstaltung auf dem Klavier vom selben Spieler, einem der Veranstalter, so gehämmert, wie man es nur tun kann, um Enthusiasmus zu erzeugen. Rufus Okikiola Ositelu ist es zufrieden. Er erkennt den guten Willen an, aufeinander zuzugehen.

Gerade das Lied "Siyahamba ekukhanyeni kwenkhosi" erscheint mir jetzt nach der Konferenz sehr geeignet Einigkeit, nicht Misstrauen, zwischen schwarz und weiß in den Kirchenstrukturen zu stärken.

Beitrag von Erhard Brunn. Der Autor wurde von Brot für die Welt beauftragt Portraits von ausgewählten Teilnehmenden der Konferenz zu schreiben. Er hat viele Jahre in Afrika gelebt und wundervolle Kirchenchöre erlebt, ohne sich damals viele Gedanken über Kirchenmusik zu machen.

 

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