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Jochen Cornelius-Bundschuh: "Wir brauchen mehr Mut für Gerechtigkeit"

Mehr als 320.000 Menschen haben bundesweit gegen CETA und TTIP demonstriert. Auf der Kundgebung in Stuttgart rief Jochen Cornelius-Bundschuh, Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Baden, dazu auf, die Globalisierung gerechter zu gestalten.

 

Von Online-Redaktion am

Redebeitrag von Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh auf der Demonstration gegen CETA und TTIP am 17. September 2016 in Stuttgart

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde!

Maude Barlow hat es gerade noch einmal gesagt: Das bisherige Handelssystem nützt wenigen und schadet vielen Menschen und der Natur. Wir brauchen mehr Mut für Gerechtigkeit. Wir brauchen einen Handel, der „der Menschheit dient, beginnend mit den Ärmsten und Schwächsten“. (Papst Franziskus)

Deshalb demonstrieren wir hier heute. Es geht uns nicht in erster Linie um ein Nein. Unsere Vision geht weiter: Wir wollen Globalisierung gerechter gestalten! Sie muss eine „bessere gemeinsame Zukunft“ für alle Menschen „ermöglichen und die Rechte der heutigen wie auch kommender Generationen beachten.“ (Empfehlung der EU- und US-amerikanischen Bischöfe zu den Verhandlungen über TTIP)

Ich bin von einigen Freunden vor dieser Demonstration gefragt worden: Schwimmt ihr jetzt mit dem Widerstand gegen CETA und TTIP auch mit auf der Welle gegen die Globalisierung und gegen Europa? Setzt ihr jetzt auch auf Abgrenzung oder auf den Rückzug in nationale Sicherheit?

Nein, das wollen wir nicht und das unterscheidet uns klar von allen falschen Freundinnen und Freunden. Wir leben gemeinsam in einer Welt. Wir wollen diese eine Welt gerechter und friedlicher und nachhaltiger gestalten. Wir sind nicht gegen Europa, sondern für ein offenes und menschenfreundliches Europa. Für ein Europa, das das globale Miteinander positiv verändert: ein Europa, das sich für die Menschenrechte engagiert und für mehr Gerechtigkeit weltweit.

Ich spreche hier als Vertreter der Entwicklungsorganisationen, die diese Demonstration unterstützen, im Besonderen von Brot für die Welt, dem Hilfswerk der evangelischen Kirchen. Und ich spreche im Namen der beiden evangelischen Kirchen von Baden und Württemberg mit herzlichen Grüßen von Bischof July. Wir sind in Baden-Württemberg mit allen vier Kirchen im kritischen Gespräch über die geplanten Handelsabkommen.

Wir treten gemeinsam für einen Handel ein, der fair, nachhaltig und partnerschaftlich ist. Zukunftsfähig ist ein Handelsabkommen nur dann, wenn es „zum Abbau von Ungleichheiten und Ungerechtigkeit beiträgt“. Es muss helfen, die Schere zwischen armen und reichen Ländern zu schließen.

Weder CETA noch TTIP tun das. Vielmehr drohen beide den Abstand zwischen dem reichen Norden und dem armen Süden noch zu vergrößern und die Armut in den ärmsten Ländern zu verschärfen. Beide Abkommen verfolgen eine exklusive Strategie. Ihr Ziel ist es, den ökonomischen Vorsprung der führenden Industrienationen weiter auszubauen. CETA und TTIP werden den Graben weiter vertiefen: den Graben zwischen denen, die sich fast alles leisten können, und jenen Menschen, die täglich um ihr Überleben kämpfen.

Das gilt vor allem für jene, die auf der Südhalbkugel von der Landwirtschaft und ihren Produkten abhängig sind. Der bei TTIP geplante Zollabbau nützt der industriellen Landwirtschaft im Norden. Die EU und die USA werden nach dem Abkommen ihre landwirtschaftlichen Produkte noch kostengünstiger produzieren und exportieren. Sie werden noch mehr in die Entwicklungsländer exportieren. Die lokalen Produzenten im globalen Süden werden da nicht mithalten können, zumal bisherige Präferenzen für diese Länder an Bedeutung verlieren werden. Wir befürchten: die Absatzchancen für Produkte aus Ländern des Südens auf den europäischen Märkten werden sinken.

Dagegen fordern wir eine inklusive Ausrichtung der Handelspolitik, die nicht nur auf den Vorteil der Industriestaaten ausgerichtet ist, sondern die Lebenssituation der Armen verbessert.

Das fängt schon damit an, wer mitreden darf: Es geht nicht, dass nur die Starken unter sich verhandeln. Wir brauchen eine ernsthafte globale Partnerschaft. Die Länder des Südens gehören gleichberechtigt mit an den Tisch, wenn es um Handelsabkommen geht.

An jede Bestimmung der Abkommen stellen wir die Frage: Verbessert sie den Marktzugang für die am wenigsten entwickelten Länder? Das fordern die Globalen Nachhaltigkeitsziele (SDG), das fordert auch das EU-Recht. In ihren Verträgen haben sich alle EU-Länder verpflichtet, ihre Handelspolitik an überprüfbaren entwicklungspolitischen und menschenrechtlichen Standards auszurichten. Also noch einmal: Fördern CETA und TTIP ein menschenwürdiges Leben für alle Menschen? Verringern diese Handelsabkommen die Armut und die Ungleichheit zwischen Nord und Süd? Weder bei CETA noch bei TTIP hat eine solche Prüfung stattgefunden. Bevor beide Abkommen diese Fragen nicht klar positiv beantworten, lehnen wir sie ab!

Noch nie gab es so viele und brutale kriegerische Auseinandersetzungen auf dieser Erde wie zurzeit; noch nie waren so viele Menschen auf der Flucht. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Aber in fast allen Konflikten spielen soziale Ursachen eine oder sogar die entscheidende Rolle. Wir fordern als Kirchen und Entwicklungshilfeorganisationen, dass sich gerade das wirtschaftliche Handeln an Gerechtigkeit und Nächstenliebe orientiert. Nur wenn es zu einer nachhaltigen Entwicklung für die Armen kommt; nur wenn die benachteiligten Menschen und Staaten mehr Teilhaberechte erhalten, bekommt der Frieden auf Erden eine Chance. So wie es in der Bibel im Buch des Propheten Jesaja (32,17) heißt: „Die Frucht der Gerechtigkeit wird Frieden sein.“

Das ist unsere Vision einer zukunftsfähigen globalen Handelspolitik: dass sie Gerechtigkeit und Menschenwürde für alle anstrebt; dass sie den Schwachen eine neue, bessere Lebensperspektive eröffnet; dass sie dazu beiträgt, die Schöpfung Gottes für alle Menschen zu bewahren!

Alles andere ist nicht enkeltauglich! Das haben wir doch in den letzten Jahren gelernt: Wenn Menschen für ihre Kinder und Enkel keine Zukunftsperspektive in ihrem Land mehr sehen, brechen sie auf, um ein besseres Leben zu suchen, selbst wenn es noch so riskant oder teuer ist.

Wir leben in einer Welt, die nicht uns gehört! Sie ist uns gemeinsam anvertraut, damit wir sie gemeinsam bewahren, für alle Menschen auf dieser Erde, für unsere Kinder und Enkelkinder und für die Kinder und Enkelkinder im globalen Süden, für die Vielfalt des Lebens auf dieser Erde. Wir sollen und können sie so gestalten, dass alle genug haben!

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