Nicht erst seit der Debatte um TTIP und CETA steht fest: Unternehmen gewinnen weltweit immer mehr an Macht. Freihandels- und Investitionsschutzabkommen erleichtern ihnen den Zugang zu globalen Märkten und Rohstoffen. Diese Verträge verleihen den Unternehmen auch ein Klagerecht gegen Drittstaaten, wenn diese ihre Investitionsinteressen verletzen. Doch welche Konsequenzen folgen eigentlich, wenn Unternehmen ihrerseits bei ihren Operationen Rechte verletzen, sei es durch Landvertreibungen, Wasserverschmutzungen oder Arbeitsausbeutung. Seit den 70er Jahren gibt es bei den Vereinten Nationen Bemühungen um verbindliche internationale Standards zur Verhinderung und Ahndung von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten. Nicht nur die Unternehmen lehnen dies vehement ab, auch viele Staaten sträuben sich dagegen das globale Handelssystem mit menschenrechtlichen und ökologischen Restriktionen zu überfrachten. Einigen konnten sich die Staaten daher bislang nur auf freiwillige Standards, dessen Missachtung folgenlos bleibt.
Neue Debatte bei UN für verbindliche Unternehmensverantwortung diese Woche losgegangen
Doch nun gibt es einen neuen Anlauf bei der UN angetrieben durch Ecuador und Südafrika, und unterstützt von mehr als 800 Nichtregierungsorganisationen weltweit, unter ihnen auch Brot für die Welt: Diese Woche diskutiert erstmals eine zwischenstaatliche Arbeitsgruppe über Optionen für ein rechtsverbindliches Instrument, um die Aktivitäten von transnationalen Unternehmen im Hinblick auf die Einhaltung von Menschenrechtsstandards zu regulieren. Neben Ecuador und Südafrika sind viele Entwicklungs- und Schwellenländer bei den Diskussionen dabei. Die Sitze der USA, Kanada, Japan sind leer und auch die europäischen Länder sind ferngeblieben: Allein die Vertreter Frankreichs und Luxemburgs sind dort, die EU-Vertretung war nur zu Beginn anwesend. Deutschland ist nicht dabei, obwohl der deutsche Botschafter in diesem Jahr Vorsitzender des Menschenrechtsrats ist und eine besondere Verantwortung für einen konstruktiven Prozess hat.
Die Industrienationen haben schon im letzten Jahr bei der Abstimmung über die Einrichtung der Arbeitsgruppe ihre Position sehr deutlich gemacht: Sie halten die bestehenden unverbindlichen Instrumente für ausreichend. Zudem verwehren sie sich gegen den einseitigen Angriff auf transnationale Unternehmen. Die Staaten vor Ort müssten dafür sorgen, dass die dort operierenden Unternehmen die nationalen Standards einhalten, ob transnational oder national. Diese Fragen standen dann auch im Mittelpunkt der Diskussionen am Montag, die Kernfrage blieb umstritten: Soll sich das zukünftige Abkommen auf transnational operierende Unternehmen konzentrieren, oder alle Unternehmen gleichermaßen umfassen?
Die EU-Vertretung, unterstützt von Frankreich und Luxemburg, sprach sich dafür aus, Standards für alle Unternehmen zu formulieren, ganz gleich wo sie operieren. Kuba, Südafrika und China plädierten dafür, sich wie in der Resolution vorgesehen, auf transnationale Unternehmen zu konzentrieren.
Die globale Verantwortung der Staaten
Die Positionen der beteiligten Nichtregierungsorganisationen sind größtenteils weitaus differenzierter. Es steht fest, dass Staaten vor Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen schützen müssen, egal wie groß sie sind und wo sie operieren. Gleichwohl ist anzuerkennen, dass insbesondere die transnationalen Operationen von Unternehmen Betroffene vor besondere Herausforderungen stellt. Dies liegt zum einen daran, dass die Staaten um ausländische Investitionen konkurrieren und dabei Standards senken und Rechtsverletzungen nicht ahnden. Gemeinsame Mindeststandards könnten diesem Wettlauf nach unten Einhalt gebieten. Zum anderen fallen transnationale Unternehmen oft in eine Rechenschaftslücke und können weder im Herkunftsstaat, noch im Gaststaateffektiv zur Verantwortung gezogen werden. Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, einen Schwerpunkt auf internationale Vereinbarungen zur Regulierung transnationaler Operationen und gemeinsamer Kooperation bei der Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen zu setzen.
Eben solche Fragen werden diese Woche in der Arbeitsgruppe diskutiert: Es geht zum Beispiel darum, inwieweit Staaten von Unternehmen menschenrechtliche Vorsorgemaßnahmen auch in Bezug auf ihre Auslandsgeschäfte verlangen sollten, wofür Unternehmen sanktioniert werden müssen und ob Betroffene auch in den Herkunftsstaaten der Unternehmen Rechtsschutz erhalten müssen. Brot für die Welt hat gemeinsam mit einigen anderen NROs eine schriftliche Stellungnahme zu diesen Fragen eingereicht und diese auch mündlich eingebracht. Leider finden die weiteren Diskussionen nun ohne die Vertretung der EU statt, dieser Stuhl ist am Mittwoch leer geblieben. Um zu gemeinsamen und effektiven internationalen Regeln im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte zu gelangen, muss auch gemeinsam an diesen zentralen Fragen diskutiert werden. Vor allem aber braucht es eine Auseinandersetzung über die gegenwärtige Prioritätensetzung auf Investitions- und Eigentumsschutz, die im klaren Konflikt zum Schutz der Menschenrechte steht.