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Hektik in Weiß-Blauer Postkartenidylle

Von Sven Hilbig am

Man müsse jetzt mit Hochdruck daran arbeiten, das Freihandelsabkommen zwischen USA und EU noch dies Jahr zum Abschluss zu bringen – innerhalb der Amtszeit Barack Obamas. Das sagte die Kanzlerin eben in Interviews. Ihr japanischer Kollege habe gesagt, dass das Pazifische Freihandelsabkommen mit den USA so gut wie fertig sei. Japan verhandelt seit 2010 mit den USA und weiteren pazifischen Anrainerstaaten die Trans-Pacific Partnership, die ähnlich umfassend und tiefgreifend wie TTIP und CETA, das Abkommen zwischen EU und Kanada.

Aber jetzt keine Hektik. Mittels der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) hat die EU ein neues Kapitel aufgeschlagen. TTIP verfolgt eine, über bisherige Handelsvereinbarungen hinausgehende, exzessive Freihandelsagenda. Zum ersten Mal in der Geschichte sollen im Rahmen eines bilateralen Abkommens globale Standards gesetzt werden

Die doppelte Mär

Die Erklärung von Elmau ist audßerdem ein gutes Beispiel dafür, wie Politiker und Regierungen einen Zeitdruck herbeireden, den es de facto gar nicht gibt.

Erstens, steht die Transpazifische Partnerschaft (kurz: TPP) mitnichten kurz vor der Verabschiedung. Im Gegenteil. Die bereits 2010 begonnen Verhandlungen über TPP kommen in wesentlichen Bereichen kaum voran, wie die vorige Woche zu Ende gegangene Verhandlungsrunde der insgesamt zwölf Staaten zeigte. Insbesondere in Japan stößt das Abkommen auf Widerstand. Viele Japaner befürchten, ihr Land würde durch das Freihandelsabkommen viel Souveränität abgeben. Tausende von Japaners, unter ihnen zahlreiche Abgeordnete, haben eine Klage gegen TPP eingereicht, da sie davon ausgehen, das Abkommen würde, im Falls seines Zustandekommens, gegen die Verfassung verstoßen.

Aber auch Obamas eigene Partei unterstützt ihren Präsidenten nur unzureichend, bei dessen Versuch, das Abkommen noch während seiner Präsidentschaft zum Abschluss zu bringen. Die Demokraten verweigern dem US-Präsidenten bislang ihm umfassende Vollmachten für die TPP-Verhandlungen zu geben.

Zweitens ist bei den TTIP-Verhandlungen überhaupt noch keine Ende in Sicht. EU und USA haben sich bisher in wenigen Punkt einigen können. Nicht mal bei den, vermeintlich einfacheren Teil, den Zollsenkungen konnten die Verhandlungsführer in Brüssel und Washington eine Einigung erzielen. Bei den Agrarzöllen haben die Verhandlungen sogar noch nicht einmal begonnen. Hier stecken EU und USA noch in der Phase des „Erfahrungsaustausches“.

Und bei der Harmonisierung von Standard müssen die Fortschritte mit der Lupe gesucht werden. Lediglich im Bereich der Telekommunikation ist weitestgehend eine Einigung erzielt worden. In anderen Bereichen stehen sich hingegen unveränderte Positionen gegenüber (z. B. Energie) oder es gibt erhebliche Diskrepanzen (Patentrecht) und auch bei den Arbeits- und Sozialstandards gibt es kaum Bewegung.

Mit anderen Worten: Die TTIP-Verhandlungen sind weit davon entfernt, bis Ende dieses Jahres zum Abschluss gebracht zu werden. Für einen Realitätscheck eignet sich auch ein Blick auf die Verhandlungen über das CETA-Abkommen zwischen der EU und die USA. Dieses Abkommen galt bereits im Herbst 2013 als (fast) abgeschlossen. Tatsächlich vergingen noch eineinhalb Jahren, bis EU und USA sich auf Text einige konnten.

Durch den jetzt erzeugten Zeitdruck aus Elmau steigt vielmehr die Wahrscheinlichkeit, dass das TTIP-Abkommen noch schlechter wird, als es ohnehin ist.

Schon immer profitorientiert

Bereits beim ersten Ministertreffen der Welthandelsorganisation (WTO)1995 in Singapur machte die Europäische Union (EU), die immerhin die Mehrheit der G7-Staaten stellt, deutlich, welche Ziele sie mit ihrer Handelspolitik in erster Linie verfolgt. Es geht ihr um weitgehende Liberalisierung und Deregulierung in den Bereichen, in denen europäische Unternehmen produktiver und damit konkurrenzfähiger sind.

Mittels der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) hat die EU ein neues Kapitel aufgeschlagen. TTIP verfolgt eine, über bisherige Handelsvereinbarungen hinausgehende, exzessive Freihandelsagenda. Zum ersten Mal in der Geschichte sollen im Rahmen eines bilateralen Abkommens globale Standards  gesetzt werden.

Schwächung internationaler Institutionen

Globale Standards sollten aber stets multilateral, das heißt mit der gesamten Staatengemeinschaft, abgestimmt werden. Der Multilateralismus befindet sich aber nicht erst seit den Verhandlungen über CETA und TTIP in der Krise. Auch die G7 und andere informelle Clubs stellen die Vereinten Nationen und andere internationale Institutionen und deren Funktionsfähigkeit in Frage und Untergraben damit deren Ansehen.

Nachfolgende Generationen haben nur dann eine Chance auf ein menschenwürdiges Leben, wenn die gegenwärtige Generation zum einen die planetarischen Grenzen respektiert. Wieviel Luft, wieviel Wasser, wieviel Land, wieviel Holz auf dieser Erde nutzbar ist, ist bekannt. Und die jetzige Wirtschaftsweise überfordert den Planeten um ein Vielfaches. Zum zweiten muss man wissen: es ist genug für alle da, wenn die jetzige Generation der Entscheidungsträger für eine faire Verteilung der vorhandenen Güter sorgt. Die muss global und verbindlich geregelt werden.

Fair und gerecht

Der im September 2015 bevorstehende Nachhaltigkeitsgipfel der Vereinten Nationen (UN) in New York könnte den Auftakt dafür bilden. Die dort zur Verabschiedung stehenden Nachhaltigkeitsziele sollen für alle Länder der Welt Gültigkeit besitzen. Und es wäre für Angela Merkel ein großer Erfolg, wenn sie da als agierende G7-Vorsitzende etwas Zukunftsweisendes vorzuweisen hätte. Aber mit TTIP oder CETA (dem Freihandelsabkommen mit Kanada) sind die Chancen dafür gesunken.

Geiz ist nicht geil

In erster Linie müssten die Staaten sich verabschieden von einem Wachstumsmodell, das immer neue Regionen und Gesellschaftsbereiche einer privatwirtschaftlichen Logik unterwirft und verwertbar machen will.

TTIP, CETA und TPP treiben diese Logik auf die Spitze. Denn neue Regelungen in Bereichen wie Datenschutz- und Arbeitnehmerschutzgesetze, Regeln für ausländische Investoren und Banken sowie Schulen, Städte und Krankenhäuser, die bisher vorzugsweise ihre Waren und Dienstleistungen in der eigenen Region eingekauft haben, sind gesellschaftspolitisch höchst brisant. Die Schaffung von einheitlichen Standards dient dabei stets nur einer Zielsetzung: Kosten sparen. Zum Wohle der Unternehmen und angeblich auch der Verbraucher. EU und USA wollen mit TTIP  die Devise “Geiz ist geil“ handelsrechtlich um- und durchsetzen. Nicht die Qualität des Produkts, sondern dessen Preis wird zur obersten Maxime erklärt. Der erfolgreiche Abschluss der EU Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) und den USA (TTIP) würde das bisherige Wachstumsmodell –, das soziale Ungleichheit und ökologische Verwerfungen verursacht – nicht nur fortführen, sondern verschärfen.

Die Agenda für Elmau weicht hiervon keinen Millimeter ab. Im Gegenteil: Die G7-Staaten wollen sich explizit für eine „globale Handelsarchitektur“ einsetzen, in deren Mittelpunkt der „Abbau handelsbeschränkender Maßnahmen“ steht. Leider.

 

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