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G7-Gipfel - Alles nur Politshow?

Von Sven Hilbig am

Am 20. April 2015 fand das zweite G7-Dialogforum der Bundeskanzlerin statt. Nach dem Treffen mit Gewerkschaften, im März, traf sich Angela Merkel dieses Mal mit Vertreter/innen von Nichtregierungsorganisationen. Die insgesamt sechs Foren sollen zum einen die Dialogbereitschaft unserer Bundesregierung demonstrieren. Zum anderen soll damit auch der Vorwurf entkräftet werden, der G7-Gipfel, Anfang Juni, diene den sieben Staats- und Regierungschef in erster Linie dazu, sich selbst in Szene zu setzen. Vielmehr sollen, in vertrauter Runde, dort Weichenstellungen in wichtigen Bereichen wie Weltwirtschaft, Frieden und Gesundheit getroffen werden, so die Bundeskanzlerin in ihrem Eingangsstatement. Tatsächlich enden die meisten Gipfeltreffen jedoch häufig mit wohlklingenden Absichtserklärungen und Hilfspaketen, von denen wenig in die Praxis umgesetzt wurde. Peter Wahls Gastbeitrag „G7-Gipfel – Alles nur Politshow?“ analysiert und bewertet diese Frage.

Ein Großteil von Politik ist Symbolik. Das ist nichts Neues. Schon immer war die Selbstdarstellung von Herrschaft ein Moment der Herrschaft selbst. Der Prunk von Palästen, die öffentlichen Auftritte von Königen, gern auch noch durch Priester dekoriert, all die Rituale der Machtdemonstration, die Theatralisierung sind untrennbar mit Politik verbunden. Auch ein Reichstag im Heiligen Römischen Reich, der mit G7-Gipfeln ja gemein hat, dass er in Abständen und an wechselnden Standorten spielte, war immer auch ein auf Außenwirkung angelegtes Spektakel.

Freilich liegt in der Inszenierung, d.h. in der Konstruktion von Wirklichkeit immer ein Moment ostentativer Zurschaustellung, von Vortäuschung und Fiktivem. In der Extremform kann das zur Lüge und zynischen Manipulation werden, wenn man etwa an die Choreographie von Parteitagen und Aufmärschen der Nazis denkt. Das Inszenatorische zielt darauf, beim Adressaten – den Untertanen, der Öffentlichkeit – Sinne und Emotionen anzusprechen und zwar im Interesse der Regie. Verstand und Rationalität werden herunter gedimmt. Die Inhalte der Politik treten dabei in den Hintergrund. Ganz zu schweigen von deren kritikwürdigen Seiten.

Politik, Bilder und Botschaften

Unter demokratischen Verhältnissen ist der Showanteil an Politik natürlich zurückgegangen. Der Alltag politischer Entscheidungen in Regierungen, Parlamenten und multilateralen Organisationen Institutionen ist eher farblos und von unspektakulären Routinen geprägt. Aber ganz verschwunden war er auch hier nie.

Im Gegenteil, durch die zunehmende Dominanz der visuellen Massenmedien hat das Showelement wieder zugenommen. Das muss nicht immer Pomp und Gloria sein, wie die Auftritte französischer Präsidenten, oder die Macho-Symbolik von Wladimir Putin mit nacktem Oberkörper auf einem Schimmel. Ein US-Präsident beim Frikadellen essen bei McDonalds – Achtung volkstümlich! - tut es auch.

Allerdings wäre es eine rationalistische Illusion zu glauben, das Showelement völlig aus der Politik verbannen zu können. Gerade eine nüchterne Sicht muss anerkennen, dass der Homo Sapiens nicht allein Vernunftwesen ist. Das bleibt nicht ohne Folgen für die Organisation des Gemeinwesens. Andernfalls wären Aufklärung und Emanzipation ja auch überflüssig.

Insofern wird man mit dem Amalgam aus Politik und Show, aus Sachfragen und Verpackung zu einem gewissen Grad leben müssen. Entscheidend ist, dass das Verhältnis zwischen Substanz und Fassade nicht völlig aus der Balance gerät und die Kritik daran immer wieder artikuliert wird.

Wo ist nun in diesem Kontext die G7 zu verorten?

Botschaften im Subtext

Unabhängig von den offiziellen Statements, Reports und Dokumenten senden die Inszenierung der Gipfel subtextuelle Botschaften aus. Allein schon die Bilder von den Hundertschaften von Journalisten, Dutzende von Übertragungswagen, die Vielzahl von Kameras und Mikrophonen bei Pressekonferenzen und Interviews, die Sonderberichterstattung vermitteln den Eindruck, Großes und Bedeutendes sei im Gange. Die Ikonografie von Großevents entfaltet ihre Wirkung, noch bevor ein offizielles Wort gefallen ist. Seht her, so die Botschaft, hier findet ein Ereignis von planetarischer Tragweite statt.

Und wenn die Großen der Welt sich versammeln, dann geht es auch um Großes. Die zweite Botschaft lautet daher: wir kümmern uns, wir arbeiten an den Problemen und wir haben sie im Griff. Sei es die Finanzkrise, die globale Konjunktur, der Klimawandel, Terrorismus oder internationale Konflikte. Da soll beruhigen und Vertrauen in die Problemlösungskompetenz der Regierenden schaffen. Zumal in Zeiten, in denen die Menschen das Gefühl haben, die Welt sei aus den Fugen, wo Krisen an allen Ecken und Enden auflodern, dramatische Umbrüche, Angst und Unsicherheit erzeugen. Fürchtet Euch nicht! sagt da die G7.

Zu dieser Aura trägt auch der immer massivere Aufwand für Sicherheitsmaßnahmen bei. Die zugeschweißten Kanaldeckel, Scharfschützen auf den Dächern, Hubschrauber im Himmel und gigantische Sperranlagen am Boden verbreiten eine Atmosphäre von Ausnahmezustand. Beim G8 in Heiligendamm wurde eigens ein kilometerlanger Stahlzaun für 20 Millionen Euro gebaut, in Genua 2001 wurde extra ein Kriegsschiff mit Luftabwehrraketen in den Hafen beordert.

Mittel für nationale Selbstdarstellung

Und dann gibt es natürlich noch die partikularen Interessen der Gipfelteilnehmer, an erster Stelle die des Gastgebers. Wenn das Großevent auf eigenem Territorium stattfindet, dann tut das dem nationalen Selbstwertgefühl gut. Vor allem dann, wenn die Realität nicht ganz so großartig aussieht. Für Länder wie Italien oder Kanada, die von ihrer Wirtschaftsleistung eigentlich nicht mehr zu den sieben größten Volkswirtschaften gehören, ist allein schon das Gefühl des „mir san a dabei“ Balsam auf die nationale Seele. Und abgehalfterte Kolonialimperien, die machtpolitisch allenfalls in der zweiten Liga spielen, haben das Gefühl noch immer im Zentrum der Weltgeschichte zu stehen. Schon Machiavelli, hat das Phänomen beschrieben: „Da es für die Wesensart eines Menschen kein besseres Zeugnis gibt als die Gesellschaft, mit der er verkehrt, so erwirbt sich ein Mann, der in guter Gesellschaft verkehrt, mit Recht einen guten Namen, denn er muss unbedingt einige Ähnlichkeit mit ihr haben.“[1] Imagetransfer würden die Spin-Doktoren, wie man die Nachfolger der Zeremonienmeister von einst heute nennt, sagen.

Da das Gastgeberland die Vorschläge für die Agenda unterbreiten darf, besteht auch immer die Möglichkeit, ein Special Interest Thema unterzubringen. Auch wenn das in der Regel folgenlos bleibt, liftet es das Image und es lassen sich damit innenpolitische Punkte sammeln. Besonders nützlich ist die Gastgeberschaft, wenn Wahlen bevorstehen, oder wenn eine Regierung durch eine glanzvolle Gipfelinszenierung von sozialen Schwierigkeiten, Bunga Bunga oder anderen Problemen ablenken kann.

Das Medium ist die Botschaft

Als vor vierzig Jahren die Idee der G7 entstand, sollten die Gipfel den Charakter von Kamingesprächen in kleinem Kreis bekommen, bei denen frei von üblichen Formaten über Grundprobleme der Weltwirtschaft gesprochen und nach Lösungen gesucht wird. Daraus wurde nichts. Stattdessen sind die Gipfel Haupt- und Staatsaktionen geworden, bei denen der Anteil an Public Relations im Verhältnis zu ihrer Gestaltungsfähigkeit inzwischen grenzwertig hoch ist. Gestaltungsfähigkeit wird mehr simuliert als dass sie real existierte. Insofern ließe sich die Erkenntnis Marshall McLuhans - the medium is the message – auf die G7 beziehen. Ihre stärkste Wirkung erzielen die Gipfel durch die Inszenierung und deren Subtexte. Daher greift der Vorwurf, die G7 seien „nur“ eine Politshow zu kurz. Gerade weil sie eine große Show sind, sind sie große Politik. Das sagt freilich nichts über die Qualität dieser Politik. Aber das ist ein anderes Thema.

[1] Nicolò Machiavelli. Discorsi. Gedanken über Politik und Staatsführung. Stuttgart 1977. S. 377.

Peter Wahl ist Vorsitzender der Nichtregierungsorganisation WEED - Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung. Für Brot für die Welt beobachtet er den G7-Gipfel 2015 in Schloss Elmau.

 

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