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Westafrikanische Zivilgesellschaft und Kirchen verurteilen Kompromis zum EPA-Abschluss

Von Ehemalige Mitarbeitende am

Repräsentanten der Westafrikanischen Wirtschaftunion (ECOWAS) und der Europäischen Kommission haben Ende Januar in Dakar eine Übereinkunft zum schnellen Abschluss eines Wirtschaftsabkommen (EPA) getroffen. Kirchen und Zivilgesellschaft in West Afrika kritisieren: Der Kompromiss vernachlässigt Schutz- und Entwicklungsbedürfnisse verwundbarer Volkswirtschaften. Sie fordern: Nachbesserung des Abkommens, oder Nicht-Ratifizierung durch nationale Parlamente!

Jahrelang waren die Verhandlungen zwischen den beiden Wirtschaftsblöcken festgefahren. Daher war es für Fachexperten und zivilgesellschaftliche Beobachter ein unerwarteter Schlag, als eine Handvoll hochrangiger EU- und ECOWAS-Repräsentanten, bei Wiederaufnahme der Verhandlungen, vom 20. bis 24. Januar, in Dakar, prompt ein Kompromissabkommen unterzeichneten.

Der Generalsekretär des Westafrikanischen Kirchenverbands, Pfarrer Dr. Tolbert Jallah begrüßt es zwar als relativen Erfolg, dass landwirtschaftliche Produkte von der Liberalisierung ausgeschlossen bleiben, fügte jedoch hinzu: „Dies ist nicht genug! Dank des jahrelangen Einsatzes zivilgesellschaftlicher Akteure ist damit nun zwar endlich die Bedeutung von Agrarerzeugnissen für die Entwicklung ländlicher Regionen und der Ernährungssicherheit anerkannt wurden, doch dieses Übereinkommen gefährdet die verarbeitenden Industrien West-Afrikas! Der Deal versteinert die Importabhängigkeit und zerschlägt den wirtschaftspolitischen Handelsspielraum, der nötig ist für den Schutz und Aufbau der Weiterverarbeitung von Rohstoffe vor Ort. Auch Afrika hat das Recht auf seine eigene Wirtschaftsentwicklung!“

Kirchen und zivilgesellschaftliche Organisationen stellen weiterhin die gesamte ökonomische Raison hinter dem Abkommen in Frage: „Es wird geschätzt dass die Region Zolleinnahmen im Wert vom 1,8 Milliarden Dollar jährlich verlieren wird, Gelder die zur Sicherung der Staatsapparate fehlen werden. Die  EU stellt im Gegenzug nur 6,5 Milliarden Dollar an Hilfszahlungen für das EPA-Entwicklungsprogramm  (EPADP) auf einen Zeitraum von fünf Jahren in Aussicht!“  Weiterhin wird heftig Anstoß an einer Klausel des Abkommens genommen, die ECOWAS Mitgliedsstaaten daran hindern wird, präferentielle Wirtschaftsbeziehungen mit aufstrebende Volkswirtschaften, wie China, Brasilien, Indien und selbst Südafrika einzugehen.“Die sogenannte Meistbegünstigungsklausel wird Süd-Süd-Partnerschaften in Zukunft verhindern. Wenn ECOWAS beispielsweise südafrikanischen Gemüsehändlern  Zollerleichterungen gewähren wollte, dann ginge das nur, wenn auch europäische Händler dieselben Begünstigungen erhielten“, warnt Jallah.

“Dieser Kompromiss ist auf voreilige Weise, ohne adäquate Teilhabe der Experten aus Fachministerien und dem zivilen Sektor geschlossen worden. Wir fordern die Mitgliedsstaaten dazu auf, dieses Abkommen, was nicht im Sinne unserer Wirtschaften und Bürger ist und unseren Regionalisierungsprozess schwächen wird, nicht zu ratifizieren!“ Die Mitglieder der Westafrikanischen Plattform zivilgesellschaftlicher Organisationen, POSCAO, fordern eine gründliche Revision durch den EPA Ministerbegleitausschusses (MMC). Konditionalität für eine Unterzeichnung müsse eine eingehende Prüfung auf lokaler, nationale und regionaler Ebene vorangehen.“  

Der plötzliche Durchbruch in den Verhandlungen ist auf den Druck der Europäischen Union zurückzuführen. Im Mai 2013 hatte die EU unilateral eine neue Ratifizierungsdeadline für die Interim EPAs (IEPAs) bis Oktober 2014 eingesetzt.  Das zwang zwei westafrikanische Staaten, Ghana und die Elfenbeinküste, zum handeln: Sie konnten entweder ihre bilateralen EPA-Abkommen weiterverhandeln, einstellen oder das regionale Abkommen  vorantreiben.  In dieser Situation, entschloss das Gipfeltreffen der ECOWAS-Staatsoberhäupter und Regierungen im Oktober 2013, die regionale Lösung voranzutreiben: Sie einigten sich auf ein neues Liberalisierungsangebot, dass  75 Prozent aller der mit der EU gehandelten Produkte umfasst, um sich der von der EU geforderten 80 Prozent anzunähern. Damit nahmen sie Abstand von ihrer bisherigen 70 Prozent Deckelung. Damals warnten zivilgesellschaftliche Netzwerke: „Wir lehnen das neue Angebot der 75-prozentigen Marktöffnung ab [...], weil dies wirtschaftlich nicht nachhaltig und sozial katastrophal für Westafrika ist. Viele rigorose Studien, die bis jetzt nicht in Frage gestellt wurden, haben die negativen Auswirkungen aufgezeigt, welche ein solcher Liberalisierungsgrad hinsichtlich Zoll-, Umsatz- und Arbeitsplatzverluste, dem Kollaps lokaler Wirtschaftszweige und Investitionen nach sich ziehen wird.“ 

In einem Brief an Catherine Ashton, Andris Piebalgs und Karel de Gucht, von Dezember 2013, appellierten auch acht Handels-und Entwicklungsminister aus Dänemark, Frankreich, Irland, den Niederlande und Großbritannien, die EU solle mehr Flexibilität in den EPA-Verhandlungen mit den AKP-Ländern zeigen : "Während die Anzahl der strittigen und offenen Fragen sinkt, bleiben die Gegensätze bezüglich der Verbliebenden signifikant. Um den erfolgreichen und raschen Abschluss der Verhandlungen zu gewährleisten, sollte die EU weiterhin Kompromissbereitschaft erwägen."  Auch der Afrika-Berater der Bundeskanzlerin Angela Merkel, Gunter Nooke, hatte in einem Interview mit der deutschen Welle für eine radikale Änderung des Kurses in den EPA Verhandlungen zum Vorteil einer gesamtafrikanischen Lösung plädiert. 

In diesem Klima bestürzt die plötzliche Übereinkunft über die strittigen Kernfragen, welche die Verhandlungen über Jahre blockierten. Durch das Dakar Übereinkommen wurden nachstehende Punkte wie folgt beigelegt: Die Marköffnung wurde auf 75 Prozent aller Produkte, bei einer Anpassungszeit von 15 Jahren für 95 Prozent und von 20 Jahren für die verbleibenden fünf Prozent festgesetzt. Die Liste sensibler Produkte umfasst 25 Prozent aller Handelsgüter, sie schließt in Übereinstimmung mit der neuen ECOWA-Ordnung zum gemeinsamen Außenhandelszoll alle Agrarprodukte aus. Einschränkungen der Herkunftsregeln, welche die Entwicklung von regionalen Wertschöpfungsketten behindern, wurden zugunsten der so genannten Ursprungskumulierung aufgegeben. Die EU hatte zudem einen neuen Vorschlag bezüglich der Meistbegünstigungsklausel (MFN-Klausel) vorangebracht, so dass ECOWAS-Ländern weiterhin präferentielle Wirtschaftsabkommen zu Ländern mit einer Weltmarktintegration geringer als 1,5 und deren Industrialisierungsrate gemessen an ihrem BIP weniger als 10 Prozent beträgt. Auf der ECOWAS-Seite wurden im Hinblick auf Entwicklungshilfezahlungen für das EPA-Entwicklungsprogramm (EPADP) Zugeständnisse gemacht, indem der Mittelbeitrag von 6,5 Milliarden Euro  anstelle der früher geforderten 15 Milliarden "frischer" Hilfsaufwendungen, zusätzlich als Aufstockung des Europäischen Entwicklungsfonds, akzeptiert. Sie billigten auch, dass die EU, abgesehen von dem Versprechen alle Exportsubventionen einzustellen, keine weiteren Zugeständnisse mit Blick auf die Reduzierung der EU für Agrarsubventionen machen wird.

Bitte beachten Sie den unter Downloads zur Verfügung stehenden Infobrief zu den Lobbygesprächen in Berlin und Brüssel, der viele aktuelle Zusatz- und Hintergrundinformationen bezüglich der Verhandlungen bereitstellt.

 

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