Gerüche, die. Die Bewohner des ländlichen Kambodschas haben die charmante Angewohnheit ihren Müll mangels organisierter Alternativen einfach im Garten zu verbrennen. Normalerweise wird dazu ein kurzes, effektives Feuer entfacht und die Sache ist erledigt. Unsere Nachbarn aber nutzen ihr Abfallfeuer ökologisch sinnvoll für eine Destille, was leider bedeutet, dass es den ganzen Tag über vor sich hin räuchert und unangenehme Gerüche verbreitet. Mein Kollege zuckte, darauf angesprochen nur mit den Schultern und meinte, er sei froh über den Müll, weil die Schweine, die sich unsere Nachbarn anscheinend früher an jener Stelle gehalten hatten, einen noch unangenehmeren Geruch verbreitet hätten.
Ansonsten bietet Siem Pang aber eine sehr leckere, frische Luft, besonders am Fluss. Den Smog von Phnom Penh mit seinen tausenden Motos und den offenen Abwasserkanälen kann sowieso nichts toppen...
Hochzeit, die. Wichtigster Zelebrationsanlass. Nicht ganz so pompös wie bei den reichen Familien Phnom Penhs, aber verhältnismäßig spektakulärer. Als Weißer bekommt man noch mehr Aufmerksamkeit als sonst schon. Die Rolle, die man spielt, changiert zwischen Dekoration und Alleinunterhalter. Auf jeden Fall aber muss man trinken. Viel.
Illegalität, die. Modus Operandi in der umweltrechtlichen Gangstertown Siem Pang (=>Logging). Erstaunlicherweise interessiert das aber niemanden wirklich, weshalb ich auch ein halbes Jahr gebraucht habe, um das zu realisieren. Gerade weil wenig versteckt wird (überall liegen rohe Baumstämme und fertige Bretter/ Blöcke herum, man kann eigentlich immer irgendwen irgendwo sägen hören) kommt man gar nicht auf den Gedanken, irgendwas würde falsch laufen. Auch das alle Authoritäten mitspielen und die Armee maßgeblich beteiligt ist, lässt mich naiven Deutschen im Nachhinein ganz schön blöd dastehen. Allerdings fühlen sich die Menschen auch nicht wirklich als Gesetzesbrecher, der Gedanke ist mehr so: "Bevor irgendein Großkonzern ganz allein allen Gewinn einheimst, machen wir es lieber selbst und versuchen wenigstens ein Stück vom Kuchen abzubekommen."
Joggen, das. Builds your character, wie der erziehungstechnisch versierte Vater in Bill Wattersons Comic 'Calvin und Hobbes' zu sagen pflegt. Erfordert tatsächlich jede Menge Nervenstärke. Die Leute starren einem hinterher wie Kühe einem Zug. Wobei dieser Vergleich bei meiner, der Hitze geschuldeten Geschwindigkeit nur halb zieht. Menschen, die den ganzen Tag hart arbeiten, können sich verständlicherweise nicht vorstellen, wieso man ohne sichtbaren Grund ziellos durch die Gegend rennen sollte und genau das spiegelt sich unmissverständlich auf ihren Gesichtern wieder, wenn sie einen erblicken. Wobei die Bandbreite ungefähr von entsetzter Ungläubigkeit bis zu ungehemmter Belustigung reicht.
Ich war bis jetzt zwei Mal dumm genug Joggen zu gehen. Einmal ganz zu Beginn meiner Zeit hier, als ich es noch nicht besser wusste. Und zuletzt vor zwei Tagen, als ich es schon wieder vergessen hatte. Die Menschen gafften mir so unverhohlen hinterher, dass ich gar nicht anders konnte, als dauerhaft breit zu grinsen. Die meisten gafften unbeeindruckt weiter, aber viele lächelten auch einfach zurück. Ein paar mal wurde ich gefragt, wo ich denn hin wolle, zwei Jungs versuchten mich nachzumachen, bis sie vor Lachen zusammenklappten und ein Kerl düste auf dem Moto an mir vorbei, während ich langsam schlapp machte. Er aber streckte den Daumen hoch, nickte frenetisch und sagte nur sehr laut: "Ok, Ok, Ok". Angetrieben von seiner offensichtlichen Unterstützung meines Kampfes schwebte ich die letzten Meter auf einer Euphoriewolke nach Hause.
Kicken, das. Siem Pang hat den schönsten Bolzplatz der Welt. Ich nehme die an miesen Dornen aufgerissenen Fußsohlen liebend gerne in Kauf, um dort barfuß mit den Kids über den Rasen rennen zu können. Wenn dann gegen Spielende die Sonne glutrot hinter dem Giebel des Schuldachs untergeht, ist der Tag perfekt.
Logging, das. Englisch für Holzfällen. Oft mit dem Zusatz 'Illegal' (Englisch für illegal).
Die Waldfläche Kambodschas ist zwischen 1990 und 2010 um 22% minimiert worden, Stung Treng (die Provinz, in der Siem Pang liegt) war davon bis vor einigen Jahren verhältnismäßig geringfügig betroffen. Aber weil andere Provinzen durch massive Ausbeutung der Wälder kaum noch rentabel sind, verlagert sich das Geschäft nun nach Stung Treng. Der einflussreiche Handelsmagnat Try Pheap, der in ganz Kambodscha zahlreiche Konzessionen inne hat und weite Teile des (Edel-)Holzvertriebs kontrolliert, hat angeblich in den letzten Monaten eine offizielle Gehnemigung für Stung Treng bekommen, allerdings häufen sich die Berichte, dass auch außerhalb der genehmigten Waldfläche gerodet wird.
Jeder, den das Thema interessiert (und auch jeder, den es nicht interessiert), darf gerne zu einem Vortrag meiner Wenigkeit zu ebenjenem Thema kommen. Ort, Zeit und Datum werden noch bekanntgegeben.
Musik, die. Teil der (=>)Beschallung Siem Pangs, welche sicherlich zu meiner partiellen Abneigung gegen erstere beigetragen hat. Khmermusik muss gar nicht schlimm sein, es gibt durchaus hörenswerte Abkömmlinge dieses wunderschönen Landes. Traurugerweise orientiert sich der Großteil der Produzenten heimischer Hits mehr am Abfall europäischer Hitparaden, man könnte diese Menschen als die einzige funktionierende Müllverwertungsgesellschaft Kambodschas bezeichnen. Außerdem herrscht thematisch eine atemberaubende Monotonie, viele Khmersongs könnten ohne Probleme die Audioversion eines Bollywoodtrailers sein. Was mich aber wirklich überrascht hat, war eine Erkenntnis, die ich der unausgewogenen Klangqualität der Verstärker Siem Pangs verdanke... Weil hier der Grundsatz "Mehr Bass, mehr Spass" gilt, hört/ spürt man bei weiter entfernten Feiern nur noch den Bass und interessanterweise wird in gefühlten zwei Dritteln der kambodschanischen Songs exakt die gleiche Bassline verwendet! Sie hat sich mittlerweile so in meinen Kopf gefressen, dass ich sie wahrscheinlich nie wieder los werde...