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BRICS-Gipfel: Forcierte Rohstoffausbeutung statt alternativen Wirtschaftsmodells?

Von Sven Hilbig am

Interview mit Fátima Melo. Fátima Melo ist Welthandelsexpertin unserer Partnerorganisation FASE - Solidariedade e Educação sowie des Netzwerkes Rebrip (Rede Brasileira Pela Integração dos Povos). Sie gehört zu den Organisatoren des zivilgesellschaftlichen Alternativtreffens.

Wie bewerten Sie die wirtschaftspolitische Rolle der BRICS-Staaten?

Die BRICS sind vor allem eine pragmatische Koalition. Zwischen den fünf Staaten bestehen immense Unterschiede: Kulturell, politisch, wirtschaftlich. Aber sie haben sich zusammengetan, um das internationale Kräfteverhältnis zu verändern.

Die Mitgliedsstaaten sind sich der Grenzen ihrer Initiative durchaus bewusst. Sie versuchen einfach, die bestehenden Unterschiede nicht zu thematisieren. Um das pragmatische Ziel, den großen Mächten in dieser Welt und insbesondere den multilateralen Finanzinstitutionen und der G20 etwas entgegenzusetzen, werden die Unterschiede untereinander außen vor gelassen.

Zudem haben die BRICS ein strukturelles Problem, für das es keine Lösung gibt: Der enorme Bedarf Chinas an Rohstoffen. Die Handelsströme sind geradezu entgegengesetzt. China importiert immer mehr, während die anderen vier Länder immer mehr Naturressourcen exportieren. Also eine sehr einseitige Handelsausrichtung innerhalb des Blocks.

Sind beim Gipfeltreffen im Juli in Fortaleza wichtige Ergebnisse zu erwarten?

Das Thema des sechsten Gipfels ist nicht sehr aussagekräftig. Offiziell geht es um Wachstum und um Nachhaltigkeit. In bezweifle, dass es diesbezüglich klare Aussagen oder Beschlüsse geben wird.  Wichtig ist aber, dass es wie schon letztes Jahr im südafrikanischen Durban ein Treffen mit anderen Staaten der Region geben wird. Ich halte es für sehr sinnvoll, wenn die Regionalmächte nicht nur unter sich bleiben, sondern andere Staaten, in diesem Fall lateinamerikanische, mit einbeziehen. Das wird die Diskussion bereichern und auch die Initiative als solche stärken.

Als wichtigstes Ergebnis wird die Gründung einer neuen Entwicklungsbank und eines Währungsfonds erwartet. Zwar muss dabei noch vieles diskutiert werden, wie beispielsweise die Stimmrechte. Anderes ist schon geklärt.

Der Sitz des neuen Instituts wird meiner Ansicht nach in China sein, Brasilien dürfte zu Beginn die Präsidentschaft übernehmen. In erster Linie soll diese Bank große Infrastruktur-Maßnahmen sowie nachhaltige Projekte finanzieren, in den BRICS-Staaten selbst, aber auch in anderen Ländern, vor allem in Afrika.

Sorge bereitet mir dabei, dass schon die nationalen Entwicklungsbanken wie die brasilianische BNDES viele Projekte finanzieren, die überhaupt nicht nachhaltig sind. Ich befürchte, dass ökologische und soziale Kriterien in den Kreditleitlinien dieser Bank auch keine große Rolle spielen werden.

Wie steht es um die Beteiligung der Zivilgesellschaft an der Politik der BRICS?

Wir fordern seit langem von der brasilianischen Regierung, dass soziale Bewegungen und NGOs in den Prozess mit einbezogen werden. Tatsächlich gibt es bei uns zahlreiche Treffen und Foren, in denen ein Austausch stattfindet. Das ist bei China oder Russland völlig anders, dort gibt es keine Rücksprache, keine Vermittlung zwischen Regierung und Zivilgesellschaft.

Trotzdem bin ich der Meinung, dass auch hier die Beteiligung der Zivilgesellschaft noch um einiges intensiver sein müsste, so wie in anderen Bereichen, wo soziale Sektoren ein richtiges Mitspracherecht haben. Der Einfluss seitens der Unternehmer in den Foren, die die Regierung in Brasilien für eine Teilhabe der Zivilgesellschaft eingerichtet hat, ist immer noch ungleich größer als die der sozialen Bewegungen. Das sieht man ja schon an der Ausrichtung der Politik, die in erster Linie Unternehmensinteressen berücksichtigt.

Welche Position haben die sozialen Bewegungen gegenüber den BRICS, wird es Gegenveranstaltungen zum Gipfel geben?

Keine Gegen- sondern Parallelveranstaltungen. Vom 14. bis 16. Juli werden zahlreiche Organisationen auch in Fortaleza sein, sie werden einen Sozialgipfel veranstalten, mit vielen Debatten, Aktivitäten und auch einer Demonstration.

Es gibt innerhalb der Bewegungen unterschiedliche Positionen, auch darüber werden wir diskutieren. Viele sehen in den BRICS die Chance, eine Alternative gegen die traditionellen Hegemonialmächte zu schaffen. Sie hoffen darauf, dass dieser Staatenbund des Südens die Dominanz Europas und der USA auf internationalem Parkett einschränkt.

Andere kritisieren das nicht nachhaltige Entwicklungsmodell, dass von allen fünf BRICS-Staaten vertreten wird. Dieses Modell, das auf der intensiven und grenzenlosen Ausbeutung der natürlichen Rohstoffe beruht, beinhaltet für sie keine Perspektive. Im Gegenteil, den Kritikern zufolge verstärken die BRICS die weltweite Tendenz, zu Lasten der Umwelt und der Menschen zu wirtschaften, noch weiter.

Deswegen finden unser Sozialgipfel unter dem Thema „BRICS und das Entwicklungsmodell“ statt. Ein Schwerpunkt sind die Rechtsverletzungen, die als Folge dieses Wirtschaftsmodells in vielen Bereichen eintreten: Naturzerstörung, Arbeitsrechte, Sozialstandards, Geschlechterverhältnis.

Denn eine tragische Gemeinsamkeit gibt es unter den BRICS-Staaten: Eine extrem ungleiche Verteilung des Reichtums.

Wie stehen die BRICS zum Thema Investitionsschutz, das bei den TTIP-Verhandlungen kontrovers diskutiert wird?

Soweit ich weiß steht Investitionsschutz nicht auf der Tagesordnung. Aber einige Unternehmen, wie beispielsweise der brasilianische Bergbau-Konzern Vale, machen keinen Hehl daraus, dass sie die BRICS gerne in eine Art Freihandelsabkommen verwandeln würden. Ihr Ziel ist es, auch in diesen Ländern mit ihren riesigen Inlandsmärkten die Investitionsbedingungen in ihrem Interesse flexibler zu gestalten. Sie argumentieren, dass eine solche Ausrichtung die BRICS im Vergleich zu anderen Staatenbünden stärken würde.

Ich sehe in dieser Tendenz das gleiche Problem, dass die BRICS von Anfang an haben: Einerseits wollen sie eine Alternative zu den bestehenden Mächten sein. Andererseits bedienen sie sich der gleichen Mittel, setzen auf die gleichen ökonomischen Mechanismen, womit sie Gefahr laufen, statt einer Alternative nur ein weiterer Player in einer sehr fraglichen Wirtschaftsordnung zu sein. Genau dies gilt es zu verhindern, indem wir auf der Einhaltung von Rechten beharren, und Umweltschutz und Gerechtigkeit zu zentralen Kriterien des Wirtschaftens machen.

Das Interview wurde geführt von Andreas Behn, Brasilien.

 

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