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BDI-Präsident fordert: Keine Privatisierung von Menschenrechten

Am 3. Juli 2014 veranstaltete der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) seinen 4. Rohstoffkongress. Im Mittelpunkt der Rohstoffstrategie des Verbandes steht die Versorgungssicherheit. Brot für die Welt-Handelsreferent Sven Hilbig meint: Die Rohstoffpolitik muss entwicklungs- und umweltpolitischen sowie menschen- und arbeitsrechtlichen Belangen ein höherer Stellenwert eingeräumen.

 

Von Sven Hilbig am

Am 3. Juli 2014 veranstaltete der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) seinen 4. Rohstoffkongress. Mit seinem 1. Rohstoffkongress, 2005, hatte der BDI das Thema Rohstoffe nicht nur auf die politische Agenda gehoben, obendrein gelang es ihm das Thema so zu platzieren, dass von nun an Politik und Öffentlichkeit die Rohstoffproblematik nur aus dem Blickwinkel der Wirtschaft und deren Interesse an einer sichereren Versorgung der heimischen Industrie mit günstigen Rohstoffen aus dem Ausland betrachtet. Die intensive Lobbyarbeit der deutschen Industrie, allen voran des BDI, war so erfolgreich, dass ihre Positionen innerhalb kurzer Zeit zur offiziellen Regierungspolitik wurden. Im Mittelpunkt der 2010 verabschiedeten Deutschen Rohstoffstrategie steht die Versorgungssicherheit. Wichtigstes Instrument zur Umsetzung dieser Strategie sind wirtschaftspolitische Maßnahmen, die auf den Abbau von Handelshemmnissen, wie Exportzöllen oder Quoten, zielen. Dies gilt auch gegenüber Ländern, in denen Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden beim Rohstoffabbau an der Tagesordnung sind.

Der 4. BDI-Rohstoffkongress hob sich von den vorherigen drei Kongressen insofern ab, als dieses Mal auch Vertreter von Umweltverbänden und entwicklungspolitischen Organisationen eingeladen wurden. Hintergrund dieser Öffnung gegenüber die Zivilgesellschaft ist die inzwischen entspannter Lage auf dem Weltmarkt: Fallende Rohstoffpreise haben den Druck auf die deutschen Importeure von Kupfer, Zink und Eisenerz reduziert. Für den BDI Anlass, sich auch den sogenannten „soften Themen“ wie ökologische Nachhaltigkeit und sozialen Folgen in den Abbauländern zu widmen.

Doppelter Einsatz gegen verbindliche Regelungen

Auf dem Kongress betonten die Vertreter aus Politik und Wirtschaft bei ihren Statements immer wieder, sie würden sich der Verantwortung stellen, die der Rohstoffabbau in Deutschland und im Ausland erfordert, - und zwar auf freiwilliger Basis. Verbindliche Regelungen zur Einhaltung von menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten wurden hingegen unisono abgelehnt. Laut BDI-Präsident Ulrich Grillo läge die Verantwortung zur Einhaltung von Menschenrechten einzig und allein beim (ausländischen und / oder deutschen) Staat. „Menschenrechte dürften nicht privatisiert werden“, so BDI Präsident. Nur der Staat sei für die Einhaltung der Menschenrechte verantwortlich.

Diese Position ist insofern grotesk, als insbesondere der BDI in den vergangenen eineinhalb Jahren dahingehend Lobbyarbeit betrieben hat, dass die EU Kommission den europäischen Unternehmen keine verbindlichen Sorgfaltspflichten bei so genannten „Konfliktmineralen“ auferlegt (Weitere Informationen zum Thema finden sich in dem Positionspapier des AK Rohstoffe Für eine umfassende EU-Initiative zur Vermeidung von Konflikten beim Rohstoffabbau [PDF]). Im Klartext: Während die deutsche Industrie, oder besser gesagt: Teile der Industrie, in der Öffentlichkeit den Staat in die Pflicht nehmen, für gesetzliche Vorgaben zu sorgen, lobbyieren sie -  nicht sichtbar für die Öffentlichkeit - gegen staatliche Auflagen.

Inkohärenz auf allen Ebenen

Kritiken an staatlichen Auflagen gegenüber der Wirtschaft wurden aber nicht nur in Bezug auf menschenrechtliche Sorgfaltsplichten geäußert. Die angebliche staatliche "Gängelung" der deutschen Wirtschaft durchzog fast alle Redebeiträge. Die Wirtschaftsvertreter sprachen sich gegen Abgaben, die Besteuerung von Rohstoffen, Vorgaben zur Reduktion von Rohstoffen, die EU-Chemikalienverordnung REACH etc. aus.

Gelobt wurde die Bundesregierung demgegenüber für staatliche Förderprogramme, wie Ungebundene Finanzkredite und Hermesbürgschaften. Einer der Hauptelemente der 2010 verabschiedeten Deutschen Rohstoffstrategie. Nach Ansicht der Kongressteilnehmer soll der Staat nur dann in die Wirtschaft eingreifen, wenn es den Unternehmen dienlich ist. Gesetzliche Vorgabe zum Schutz und zum Wohle anderen Gemeinschaftsgüter (wie Boden, Wald, Klima) oder Interessengruppen (wie von Rohstoffabbauprojekten betroffene lokale Bevölkerung) sind hingegen unerwünscht. Die Wirtschaftsvertreter scheinen vergessen zu haben, dass unsere Volksvertreter nicht den Partikularinteressen einiger weniger, sondern dem Gemeinwohl aller Menschen zu dienen haben.

Aber es kommt noch besser. Die deutsche Wirtschaft fordert keine generelle staatliche Industrieförderung. Im Gegenteil. Eine ihrer Hauptforderungen, wenn nicht gar die Hauptforderung, an die Politik  besteht eben darin, dass Bundesregierung beziehungsweise die EU-Kommission sich in bilateralen und multilateralen Handelsabkommen dafür einsetzen, Entwicklungs- und Schwellenländern zu verbieten, staatlichen Rahmenbedingungen, wie Exportzölle- oder -quoten, zur Förderung der einheimischen Wirtschaft zu schaffen. Demnach ist ein Eingreifen des Staates in die Wirtschaft nur dann erwünscht, wenn sie der heimischen Wirtschaft dienen. Von Peru, Indonesien oder anderen Ländern des globalen Südens vorgenommene wirtschaftspolitische Maßnahmen sind stellen hingegen unlauterer Eingriff in den freien Markt dar, welche die deutschen Unternehmen gegenüber den Unternehmen in den Rohstoffabbauländern diskriminieren.

Diese widersprüchliche Interpretation von marktwirtschaftlicher Ordnungspolitik und Freihandel durchzieht in vielen Teilen die Debatten über den Rohstoffhandel (nicht nur auf der BDI-Konferenz) und finden sich auch bei anderen wichtigen Themenkomplexen wie Nachhaltigkeit oder Transparenz wieder. In seinem Roman 1984 nannte Georg Orwell dieses Phänomen 'Doppeldenk'. Gemeint ist damit die 'Fähigkeit' in seinem Denken und Handeln zwei widersprüchliche Überzeugungen aufrechtzuerhalten und beide zu akzeptieren.

Eine neue Nachhaltigkeitsstrategie des BDI?

Vor dem Haus der deutschen Wirtschaft, wo der Rohstoffkongress des BDI stattfand, verteilte die Christliche Initiative Romero Blumentöpfe und Flugblätter. Die Flugblätter [PDF], die das Logo des BDI trugen, warben für mehr Nachhaltigkeit in der Rohstoffpolitik. Vorschlag: „Verantwortlich pflanzen – Der BDI pflanzt bis 2020 in Konfliktregionen der Welt 5.000.000 Bäume der Verantwortung“ (siehe http://www.nachhaltigkeit-richtig.de).An dieser „Wohltätigkeits-Aktion: Verantwortung pflanzen – für jedes Opfer einen Baum“ interessierte Kongressteilnehmer bekamen dafür symbolisch einen kleinen Blumentopf.

Ob dieser Parodie auf das Konzept der freiwilligen sozialen Unternehmensverantwortung des BDI angemessen kann man streiten. Brot für die Welt sucht andere Formen der politischen Auseinandersetzung. Andererseits war nicht nur dem Philosoph Günter Anders bewusst, dass Übertreibungen manchmal notwendig sind, um Probleme und Phänomene sichtbar zu machen: "Überpointierungen .... sich nicht vermeiden lassen...., weil sie ohne diese Entstellung unidentifizierbar oder unsichtbar bleiben würden." (G. Anders, Die Antiquiertheit des Menschen, Band 1, 1956).

Reform der deutschen Rohstoffpolitik dringend notwendig

Unstrittig ist hingegen: Die Rohstoffpolitik der deutschen Bundesregierung muss reformiert werden. Zu den Kernelementen der Reform gehören: Erstens, die Bundesregierung muss die Ausarbeitung und Umsetzung ihrer Rohstoffpolitik transparenter rund demokratischer gestalten. Zweitens muss entwicklungs- und umweltpolitischen sowie menschen- und arbeitsrechtlichen Belangen ein höherer Stellenwert eingeräumt werden. Hierzu bedarf es einer stärkeren Partizipation der Zivilgesellschaft. Drittens sollen Entwicklungsländer nicht durch die Abschaffung von Exportzöllen und anderen handelspolitischen Maßnahmen zu einer verstärkten Ausfuhr von Rohstoffen veranlasst werden; notwendig ist vielmehr, dass sie ihre  Rohstoffe  selbst weiter verarbeiten und somit einen Beitrag zum Aufbau einer diversifizierten Wirtschaft leisten.

 

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