Was ist eigentlich mit Russland? Bei der Klimakonferenz in Bonn hatte der größte Staat der Welt die Verhandlungen noch dominiert - und alles blockiert. Diesmal blieb es still um die russische Delegation. Experten meinen, Russland sei zwischen Entwicklungsländern und Industrienationen "verloren" und sehe im Moment keinen großen Sinn in Klimagesprächen.
Zustimmung! Als am ersten Tag die Tagesordnung der Klimakonferenz behandelt wurde, gab es keinen Widerspruch der russischen Delegation. Diesmal nicht. Bei der Frühjahrskonferenz der UN-Klimadiplomatie hatte die Großmacht nicht einmal die Tagesordnung des Subsidiary Body for Implementation angenommen und damit den ganzen Verhandlungsstrang blockiert. Dahinter stand das Interesse Russlands, Weißrusslands und der Ukraine, über "Heiße Luft" zu sprechen. Das sind wertvolle Verschmutzungsrechte, die die drei Staaten angesammelt haben, weil ihre Wirtschaft seit dem Ende des Kommunismus schrumpfte.
Zu dieser Frage gab es intensive Konsultationen vor dem Treffen in Warschau, so dass es in dieser Hinsicht keine weiteren Probleme für die Verhandlungen zu geben schien. "Wir haben das Gefühl, dass unser Anliegen von allen Teilnehmern der Klimaverhandlungen mittlerweile Ernst genommen, ja sogar geteilt wird", sagte Russlands Chefunterhändler Oleg Schamanow während eines Treffens mit Journalisten. Deswegen habe Russland nicht weiter protestiert.
Besonders aktiv hat sich der größte Flächenstaat der Erde allerdings nicht in die Verhandlungen in Warschau eingebracht. Beim Thema "Loss and Damage" beispielsweise war Russlands Delegationsleiter Alexander Bedritsky ganz auf Seiten der USA: Er sollte unter den Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel seinen Platz finden. Diese Position ist nah an derjenigen der USA, aber Russland hat sie nicht sehr stark bei den Verhandlungen präsentiert.
Russland befindet sich in einem Stadium zwischen den Entwicklungsländern und den Industrienationen als ein Land im Übergang von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft. Deswegen hat es zurzeit kein Interessen an den Klimaverhandlungen, meinen Experten. "Die russische Delegation hat in Warschau kaum an den Debatten über ein neues Klimaabkommen teilgenommen. Vielleicht, weil sie wenig Sinn für sich darin sieht", sagt Alexey Kokorin vom WWF Russland.
"Warum unterstützt Russland die Entwicklungsländer nicht?"
Seiner Meinung nach könnte Russland eine viel aktivere Rolle spielen, wenn das Land mehr für die Entwicklungsländer tun würden. "Noch in Doha hat Russland aufgerufen, die Verhandlungen zu beschleunigen um konkret etwas für die Entwicklungsländer zu erreichen. In Warschau hat die russische Delegation noch einmal die Meinung geäußert, dass wir unbedingt bis 2015 eine verbindliches Klimaabkommen ausarbeiten sollen und danach ein neues Protokoll für die Zeit von 2020 bis 2030 beschließen. Aber Aufrufe allein gelten nicht. Warum unterstützt Russland in der heutigen Situation die Entwicklungsländer und die am meistens verletzlichen Länder nicht? Darunter sind doch auch einige GUS-Länder", fragt Kokorin.
Laut Kokorin bleibt auch Russlands Einsatz für den Grünen Klimafonds unklar. "Ich vermute, im Bezug auf diesen Fonds wird sich Russland als reiches Land darstellen und kein Geld beantragen. Eigentlich würde das Sinn machen, besonders für Projekte zur Emissionsreduktion: für kohlendioxidarme Technologien, Energieeffizienz und erneuerbare Energien", meint Kokorin. Ob Russland in den Fonds einzahlen werde, sei ungewiss.
Auch die Frage zur Anpassung an den Klimawandel ist für Russland noch offen. Bis jetzt gibt es kein staatliches Anpassungsprogramm, obwohl die Folgen des Klimawandels in Russland ganz dramatisch sein können. Georgy Safonow von der Higher School of Economics in Moskau hat ein Forschungsprojekt zu den Kosten des Klimawandels in Russland gleitet. Laut seinen Daten könnten die klimabedingten Schäden für die russische Wirtschaft in einigen Jahren 150 bis 500 Millionen Euro pro Jahr betragen.
Laut der Studie wird Russlands Agrarsektor sehr stark betroffen sein, was sich jetzt schon ankündige. Laut Safonow haben die Ernten in Russland von 2010 bis 2012 wegen Dürreperioden von 24 bis 34 Prozent abgenommen, was einen großen Einfluss auf die Getreidepreise hatte. Der Experte macht sich auch wegen der wachsenden Zahl von Waldbränden Sorgen. Safonow sagt, dass die russischen Wälder bis 2040 ohne eine vernünftige Waldpolitik von Netto-Aufnehmern zu Netto-Emittenten werden. Die Hauptgründe für diese Veränderungen seien die Überalterung der Wälder, der Wandel hin zu einem trockeneren Klima, die Zahl der Waldbrände, Waldkrankheiten und schädliche Abholzungsmethoden.
Dieser Artikel von Angelina Davydova ist zuerst erschienen auf klimaretter.info unter: